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Kosovo-Konflikt: USA lehnen Serbien-Wunsch ab – Bundeswehr-Mann sieht „ständige Basis für Eskalationen“

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Von: Bedrettin Bölükbasi

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Im Kosovo-Konflikt beziehen die USA nun Stellung und widersprechen einer Entsendung von serbischen Soldaten in die Region. Belgrad ist unzufrieden.

Update vom 14. Dezember, 18 Uhr: Droht eine neue Eskalation im Kosovo-Konflikt? Balkan-Experte Konrad Clewing sieht im Gespräch mit IPPEN.MEDIA ein serbisches Muskelspiel inklusive „atemberaubender Hetzpolitik“. Clewing spricht von einer „prekären Situation“, vor allem im Nordkosovo. Dort, im Grenzgebiet zu Serbien, betreibt Belgrad eigene Machtstrukturen und bestärkt die serbische Minderheit bei ihren Versuchen, sich der Autorität Pristinas zu widersetzen. „Die Spannungen sind ernst“, meint Clewing, der am Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg arbeitet. „Sie bedeuten aber keine Kriegsgefahr.“

Erstmeldung vom 14. Dezember, 12 Uhr: München – Nach der Verhaftung eines serbischen Ex-Polizisten im Kosovo sind die Spannungen in der Region erneut aufgeflammt. Serbien erwägt sogar, Truppen in den Süden des Kosovo zu entsenden und beruft sich dabei auf die UN-Resolution 1244 aus dem Jahre 1999 (siehe Infokasten). Nun äußerten sich auch die USA zu dem Streit und stellten sich gegen eine Verlegung von Truppen. Damit ist die serbische Regierung allerdings höchst unzufrieden. Premierministerin Ana Brnabic wählte scharfe Worte.

Das Kosovo mit seiner mehrheitlich albanischen Bevölkerung hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird aber von Belgrad bis heute als abtrünnig betrachtet. Belgrad bestärkt die serbische Minderheit im Norden des Kosovo bei ihren Versuchen, sich der Autorität Pristinas zu widersetzen.

Serbien-Kosovo-Konflikt: USA widersprechen Einsatz von serbischen Truppen im Kosovo

Spannungen im Kosovo
Polizisten in der ethnisch geteilten Stadt Mitrovica im Norden des Kosovo. © Bojan Slavkovic/dpa

Angesichts der jüngsten Eskalation ist der US-Gesandte für den Westbalkan, Gabriel Escobar, in der Region eingetroffen. In einem Interview mit dem US-finanzierten Rundfunkveranstalter Radio Free Europe (RFERL) betonte er, die USA würden die Rückkehr von serbischen Soldaten in den Kosovo „kategorisch“ ablehnen. Immerhin habe Pristina als Teil der Nato-Friedenstruppe KFOR entschlossene Sicherheitsgarantien von Washington bekommen.

Escobar unterstrich zugleich aber auch die Notwendigkeit, einen Zusammenschluss von Gemeinden im Kosovo mit überwiegend serbischer Bevölkerung zu gründen. „Es ist eine Verpflichtung für Serbien, es ist eine Verpflichtung für den Kosovo, es ist eine Verpflichtung für die EU, die der Aushandlung geholfen hat“, zitierte RFERL den US-Gesandten. Gabriel ergänzte demnach: „Und da wir den Dialog unterstützen, ist es auch unsere Verpflichtung.“

Bislang weigert sich der Kosovo, eine Dachorganisation für die überwiegend serbischen Gemeinden zu gründen. Dies stellt den größten Kritikpunkt aus Serbien dar. Laut dem kosovarischen Premierminister Albin Kurti ist es nicht möglich, Verwaltungen auf Grundlage von ethnischen Prinzipien zu gründen.

UN-Resolution 1244

Die Resolution wurde am 10. Juni 1999 verabschiedet. Nach dem Abzug aller „militärischen, polizeilichen und paramilitärischen Kräfte aus dem Kosovo“ dürfen demnach „eine vereinbarte Zahl (jugoslawischen) und serbischen Militär- und Polizeipersonals“ in die Region zurückkehren. Über den Zeitpunkt einer möglichen Rückkehr von Truppen muss allerdings die Nato entscheiden. Dabei geht es laut der Resolution etwa um die „Markierung und Räumung von Minenfeldern“ sowie die „Aufrechterhaltung einer Präsenz an Stätten des serbischen Kulturerbes“. Außerdem heißt es, es dürften nicht tausende, sondern nur hunderte Soldaten entsendet werden. Bei den aktuellen Spannungen und dem Wunsch, Soldaten in den Kosovo zu entsenden, beruft sich Serbien auf die Resolution.

Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos im Jahr 2008 wird allerdings diskutiert, ob die Resolution angesichts der neuen politischen Realität immer noch gültig ist. So dürften Zweifel darüber aufkommen, ob sich Serbien auf die Resolution berufen kann. Der serbische Ex-Außenminister Vladislav Jovanovic betonte zuletzt gegenüber dem Nachrichtenportal Kosovo Online, für Resolutionen der Vereinten Nationen gebe es keine zeitliche Begrenzung.

Serbien-Kosovo-Konflikt: Belgrad empört über US-Haltung zur Entsendung von serbischen Truppen

Belgrad besteht dennoch auf die Entsendung von Truppen in den Kosovo. Auf diesbezügliche Äußerungen des US-Gesandten reagierte Premierministerin Ana Brnabic erbost. „Ich sehe, dass mein Freund Gabriel Escobar ein weiterer Politiker ist, der sich hartnäckig gegen die gültigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats stellt“, twitterte Brnabic. Escobar habe mit seiner Aussage „die Rolle des Sicherheitsrats übernommen“.

„Die UN braucht jetzt keine Sitzungen des Sicherheitsrats mehr abzuhalten“, hieß es weiter von der Premierministerin Serbiens. Die „Troika“ aus Escobar, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und der Berichterstatterin für den Kosovo im Europäischen Parlament, Viola von Cramon (beide Grüne), werde von nun an „über alle globalen Themen entscheiden“, so Brnabic. Schon vor wenigen Tagen attackierte sie bereits Außenministerin Baerbock.

Während Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic mit seinen Äußerungen eine drohende Eskalation anfacht, sprach Brnabic alle drei in ihren Tweets sarkastisch als „Große Anführer“ an, die sowohl die UN-Resolution 1244 und die UN-Charta als auch die Abkommen von Brüssel und Washington zum Kosovo als ungültig betrachten, beziehungsweise etwaigen Aussagen aus Pristina nicht widersprechen würden. „Unter welchem Abkommen, welcher Resolution, welchem Prinzip sollen wir dann handeln?“ fragte sie.

„Sollen wir eurem Horoskop folgen, um eure Wünsche zu erraten und zu helfen, den Weltfrieden zu retten?“, empörte sich Brnabic. Sie schloss ihre Tweetserie mit einem weiteren, sarkastischen Kommentar ab: „Ich kann mir nur vorstellen, wie anstrengend es sein muss, die Welt anstelle der UN zu regieren.“

Serbien-Kosovo-Konflikt: Bundeswehr warnt vor Verschlechterung „in kürzester Zeit“

Inmitten all dieser politischen Entwicklungen warnte der Kontingentführer der Bundeswehr-Einsatzkräfte vor Ort vor der „andauernden Gefahr“, dass sich die Lage vor Ort „in kürzester Zeit“ verschlechtere. Die Unzufriedenheit vieler Menschen im Norden des Kosovos bilde eine „ständige Basis für mögliche Eskalationen und Gewaltpotenzial“, sagte der deutsche KFOR-Einsatzkontingentführer Egon Frank der Welt.

Der Einsatz der Nato sei „zur Friedenssicherung und Stabilisierung der Lage vor Ort zwingend und unerlässlich“, hob Frank weiter hervor. Für die prekäre Lage im Nordkosovo machte er „organisierte Kriminalität, serbische Parallelstrukturen und das unverändert bestehende interethnische Konfliktpotential“ verantwortlich. So würden etwa „verschiedene serbische Akteure“ die Menschen als „Instrument der serbischen Einflussnahme“ nutzen. (bb)

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