Zahlen, Zustand, Pläne: Was wir über Putins Atomwaffen-Arsenal wissen

Wladimir Putin betont die Stärkung von Russlands Nuklearstreitkräften. Doch wie viele Atomwaffen besitzt Russland überhaupt? Und in welchem Zustand sind sie?
Moskau - Wladimir Putin will die Entwicklung seiner Nuklearstreitkräfte weiter vorantreiben. „Der Stärkung der nuklearen Triade werden wir nach wie vor verstärkte Aufmerksamkeit widmen“, sagte der russische Staatschef in einer vom Kreml veröffentlichten Rede anlässlich des „Tags des Vaterlandsverteidigers“ am Donnerstag (23. Februar). So versprach Putin, dass noch in diesem Jahr die neuen, mit Atomsprengköpfen bestückbaren Interkontinentalraketen vom Typ Sarmat in Dienst gestellt würden. Ursprünglich war das allerdings schon für 2022 geplant.
Außerdem solle die Serienproduktion der Kinschal-Rakete fortgesetzt und mit der massenhaften Auslieferung schiffsgestützter Zirkon-Hyperschallraketen begonnen werden, sagte Putin. „Eine moderne, leistungsfähige Armee und Marine sind Garanten für die Sicherheit und Souveränität eines Landes.“ Der Kremlchef spricht immer wieder von einer Bedrohung seitens der Nato, die es etwa in der „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine auf eine Niederlage der Atommacht Russland abgesehen habe.
Schon in seiner Rede zur Lage der Nation zwei Tage zuvor hatte Putin eine Modernisierung seiner Armee angekündigt, der internationale Militärexperten im Krieg gegen die Ukraine immer wieder massive Ausrüstungsprobleme attestieren. In der Ansprache verkündete Putin auch die Aussetzung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrags mit den USA, des sogenannten „New Start“-Abkommens. Im Westen erntete er dafür scharfe Kritik.
Wie viele Atomwaffen hat Russland?
Putin sagte in seiner Rede am 21. Februar auch, Russland könne Atomwaffentests wieder aufnehmen. Doch wie viele Atomwaffen hat Russland derzeit eigentlich in einem Arsenal?
Seit 1987 schätzt ein Wissenschaftsteam der „Federation of American Scientists“ (FAS) die Zahlen. Ihm zufolge verfügt Russland derzeit über fast 6000 Atomsprengköpfe. Damit ist Russland die größte Atommacht der Welt. Die USA folgen an zweiter Stelle. Zusammen besitzen beide Länder rund 90 Prozent aller Atomwaffen weltweit.
Offizielle Atommächte (Staaten, die laut Atomwaffensperrvertrag über Kernwaffen verfügen)
Land | Geschätzte Zahl der Atomsprengköpfe |
---|---|
Russland | 5.977 |
USA | 5.428 |
China | 350 |
Frankreich | 290 |
Vereinigtes Königreich | 225 |
Faktische Atommächte (Staaten verfügen über Kernwaffen, sind aber dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten)
Land | Geschätzte Zahl der Atomsprengköpfe |
---|---|
Pakistan | 165 |
Indien | 160 |
Israel | 90 |
Nordkorea | 20 |
(Quelle: FAS, Stand 2022)
Ein Großteil des russischen Nukleararsenals stammt aus den Tagen der Sowjetunion. Laut FAS sind etwa 1.500 dieser Sprengköpfe zwar ausgemustert, könnten aber noch intakt sein. Von den restlichen 4.477 Atomwaffen sind etwa 1.588 aktive und einsatzfähige Atomsprengköpfe: 812 auf landgestützten ballistischen Raketen, 576 auf U-Boot-gestützten ballistischen Raketen und möglicherweise 200 auf Stützpunkten für schwere Bomber.
Weitere 977 strategische Sprengköpfe sind zusammen mit etwa 1.912 nicht-strategischen Sprengköpfen eingelagert. Die Fachleute des FAS betonen allerdings explizit, dass die „genaue Zahl der Atomwaffen im Besitz jedes Landes ein streng gehütetes nationales Geheimnis“ sei.
Die aktuellen Zahlen liegen deutlich niedriger als zur Hochzeit des Kalten Krieges. So besaß die Sowjetunion Mitte der 1980er Jahre mehr als 40.000 Atomsprengköpfe, in den USA lag der höchste Stand in den 1960ern bei knapp 31.000 Atomwaffen.
In welchem Zustand sind die Atomwaffen in Russland?
Schon vor einem Jahr meinte Dr. Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) gegenüber dem ZDF, man über den aktuellen Stand nur spekulieren. Sicher wisse man lediglich, „dass Russland in den letzten zehn Jahren massiv in die Modernisierung seiner Nuklearstreitkräfte investiert hat, und zwar in die entsprechenden Trägersysteme“.
Der russische Hardliner und Ex-Offizier Igor Girkin, der vor zwei Tagen Putins Rede zur Lage der Nation zerpflückte, hatte sich Anfang Februar ebenfalls zum Zustand der russischen Atomwaffen geäußert. „Jeder weiß, in welchem Zustand unsere Armee ist. Keiner weiß, wie der Zustand der Atomwaffen ist“, sagte Girkin damals, um dann sarkastisch hinzuzufügen: „Aber wenn sie in dem gleichen Zustand sind wie die Armee, dann werden sie funktionieren.“ Girkin scheint also eher davon auszugehen, dass die russischen Atomwaffen in einem schlechten Zustand sind. (Christian Stör)