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Russland im Mobilisierungsfiasko: Bericht über Diebstahl und Korruption im Militär – Belarus soll helfen

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Von: Bettina Menzel

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Mobilisierte Reservisten der russischen Armee kurz vor ihrer Abreise zum militärischen Training. © Alexander Shcherbak/imago

Russlands Mobilmachung stößt auf weitere Probleme. Wegen jahrelanger Korruption und Diebstählen im Militär fehlt offenbar Ausrüstung im Wert von Millionen Rubel.

Moskau - Der russische Präsident Wladimir Putin braucht mehr Soldaten für den Ukraine-Krieg. Selbst der Kreml räumte aber bereits Probleme bei der „Teilmobilisierung“ ein. Dabei ist die Personalbeschaffung nicht die einzige Herausforderung: Die Kriegsexperten des Institute for the Study of War (ISW) gehen in ihrem aktuellen Bericht davon aus, dass Russland nicht genug Ausrüstung für die neu mobilisierten Soldaten hat. Ein Grund: Diebstähle und Korruption im Militär über viele Jahre hinweg.

Putin spricht von Schwierigkeiten bei Teilmobilisierung: Geht es auch um mangelnde Ausrüstung?

Mindestens 300.000 Reservisten will Putin im ganzen Land einziehen. Experten halten das für eine Reaktion auf die erfolgreiche Gegenoffensive der Ukraine. Kriegsforscher glauben allerdings auch, dass die Teilmobilisierung erst im kommenden Jahr Auswirkungen auf dem Schlachtfeld haben könnte. Bei der Rekrutierung neuer Soldaten sieht sich Putin mit Problemen konfrontiert. Die russischen Beamten halten sich offenbar nicht immer an die Kriterien des Kreml.

So wurde berichtet, dass teils Rekruten ohne Kampferfahrung, trotz schwerer chronischer Erkrankungen oder hohen Alters eingezogen worden seien. Die Moral in den Reihen der Reservisten sei gering. Russische Bürger leisteten teilweise sogar Widerstand gegen die Mobilisierung. Es kam zu Protesten, obwohl darauf in Russland bis zu 15 Jahre Haft stehen. Am Sonntag verübte ein Unbekannter einen Brandanschlag auf ein militärisches Rekrutierungsbüro in Archangelskoje. Nach Ankündigung der Mobilmachung flohen Hunderttausende Russen ins Ausland, um nicht in den Kriegsdienst geschickt zu werden.

Kremlchef Putin forderte zuletzt am Montag erneut mit Nachdruck, die Probleme bei der Teilmobilmachung zu beseitigen. Viele Schwierigkeiten hätten sich erst jetzt gezeigt, hätten sich aber wohl bereits über längere Zeit angesammelt, sagte der Kremlchef, ohne weitere Details zu nennen.

Eine dieser Schwierigkeiten könnte jedoch auch in Verbindung mit der Ausrüstung für die neuen Rekruten stehen, glauben die Kriegsexperten des ISW. Ihnen zufolge deuten russische Gerichtsakten darauf hin, dass das Verteidigungsministerium nicht in der Lage sei, die mobilisierten Truppen mit dem Nötigsten auszurüsten - etwa mit Waffen, Schutzausrüstung oder medizinischem Bedarf. Der Grund dafür soll in der jahrelangen Korruption im Militär und dem Diebstahl von Ausrüstung durch militärisches Personal liegen. Das geht aus dem Bericht der ISW-Experten vom Montag (10. Oktober) hervor. Einem BBC-Bericht zufolge sind innerhalb der vergangenen acht Jahre mindestens 558 Militärangehörige wegen des Diebstahls von Bekleidung verurteilt worden, 12.000 Verurteilungen gab es wegen Betrugs und 700 wegen Veruntreuung.

Russland fehlt Ausrüstung: Militärangehörige stahlen offenbar Waren im Wert von Millionen Rubel

Anfang Oktober war bereits ein Video publik geworden, in dem neuen Rekruten ihre rostigen Maschinengewehre abfilmten. Der Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Heraschtschenko, ging in seiner Analyse davon aus, dass die russischen Soldaten damit in den Krieg ziehen werden und die rostigen Waffen nicht nur zu Übungszwecken verwenden würden. Verifizieren ließen sich diese Angaben der gegnerischen Kriegspartei nicht, doch die Berichte der BBC und des ISW vom Montag lassen die Behauptungen Heraschtschenko plausibel wirken. Über Jahre hinweg sollen im russischen Militär Ausrüstungsgegenstände im Wert von Millionen Rubel entwendet worden sein, so die US-Kriegsexperten.

Darunter nicht nur kugelsichere Westen, Stiefel oder Dieselkraftstoff, sondern sogar Seife, Toilettenpapier oder Socken. Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher: Die ISW-Kriegsexperten gehen davon aus, dass die tatsächliche Korruption im russischen Militär deutlich umfangreicher sein könnte, als aus den Gerichtsakten hervorgeht. Vereinzelt werden auch Stimmen von russischer Seite laut, die Versorgungsengpässe beschreiben. Der Gouverneur der autonomen russischen Republik Mari El etwa räumte am Sonntag Versorgungsprobleme vonseiten des russischen Verteidigungsministeriums ein. Diese würden sich in den mobilisierten Truppen bemerkbar machen, so der ISW-Bericht.

Versorgungsengpässe im Ukraine-Krieg: Soldaten kümmern sich um Ausrüstung, Hilfe auch aus Belarus

Angeblich ist das Verteidigungsministerium aktuell darauf angewiesen, dass die Soldaten selbst die nötige Ausrüstung beschaffen. An der Staatlichen Universität Nowosibirsk etwa wurde dem ISW-Bericht zufolge ein Zentrum zur Unterstützung mobilisierter Soldaten gegründet, das Spenden sammelt. Mehrere prorussische Militärblogger teilten zudem Links zu Crowdfunding-Seiten, die um Geld für die Ausrüstung russischer Soldaten bitten.

Dem ukrainischen Generalstab zufolge soll Russland von seinem belarussischen Verbündeten Alexander Lukaschenko Nachschub beziehen wollen. Demnach will der Nachbarstaat Belarus in Kürze 13 Züge mit Munition und anderen militärischen Ausrüstungsgegenständen nach Russland schicken. Mit anderen Ländern soll Moskau zudem in Verhandlungen stehen, um von dort Artilleriegranaten, Mörsergranaten und Komponenten für Raketenwerfersysteme zu beziehen. Um welche Länder es sich genau handelt, ging aus der Analyse der US-Kriegsexperten indes nicht hervor. Mehrfach gab es jedoch bereits Berichte, dass Russland Shahed-136-Drohnen aus iranischer Produktion in der Ukraine einsetzt. (bme)

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