Kurz nach der Wahl: Merkel wieder ganz die Alte

Das Ergebnis war drastisch, doch Bundeskanzlerin Angela Merkel verweigert die schlechte Laune. Die Kanzlerin will keine großen Debatten, sondern weiter regieren. Doch die Suche nach Partnern wird nicht einfach. Eine Analyse.
Berlin – Vermutlich hat man nach zwölf Jahren als Bundeskanzlerin einfach ein sehr dickes Fell. Man kann sich wochenlang auf Marktplätzen auspfeifen und bepöbeln lassen, ohne die Fassung zu verlieren. Und man kann Wahlen verlieren, ohne in emotionale Tiefen zu stürzen. Der Kontrast zwischen den Schwesterparteien könnte nicht größer sein: in München ein angefressener CSU-Chef, in Berlin eine aufgeräumte CDU-Vorsitzende. Als Merkel am Montagmittag nach ihrem persönlichen Ergebnis in Greifswald mit einem Minus von 14 Prozentpunkten bei den Erststimmen gefragt wird, sagt sie ernsthaft, wie sie sich über die Wahl freue. „Ich hab mir nicht so Illusionen gemacht, dass das einfach wird.“
Offenbar ist das alles eine Frage der Wahrnehmung: Während sie sich in der CSU den Kopf zerbrechen, wie sie mit diesem Ergebnis umgehen sollen, scheint sich die CDU längst entschlossen zu haben. Sehr wortreich erklärt Angela Merkel, dass sie die eine Million zur AfD abgewanderten Wähler wiedergewinnen will, indem sie so weitermacht wie bisher. Schon am Wahlabend hatte sie die Zuhörer mit der Erstanalyse irritiert, dass man die „strategischen Wahlziele erreicht“ habe.
Am Montagmorgen, zu Beginn der Präsidiumssitzung gibt es lautstarken Beifall für die alte und vermutlich auch neue Kanzlerin. CDU-Generalsekretär Peter Tauber, den manche für angezählt halten, freut sich: Die CDU sei „mit deutlichem Abstand stärkste Kraft, Rot-Rot-Grün hat keine Mehrheit und Sie bleiben unsere Bundeskanzlerin“. Auch später, im Parteivorstand, wird Merkel geschont. Zwei Junge aus dem hinteren Teil der Führungsriege kritisieren die Kanzlerin, berichten Teilnehmer: Mittelstandspolitiker Carsten Linnemann und RCDS-Chef Jenovan Krishnan klagen, wichtige Themen wie Bildung, Migration und Sicherheit seien „nur oberflächlich“ behandelt worden. „Wir haben nach rechts zu viel Platz gelassen.“ Merkel habe zumindest nicht schroff re-agiert, heißt es. Kein Wunder, sie hat sich zuletzt ja ganz anderes anhören müssen.
Was nach draußen dringt, klingt nicht danach, als sei die Kanzlerin angezählt. Noch am Morgen hatten die Kommentatoren von einer „lame duck“ gesprochen, einer Kanzlerin auf Abruf. Der rechte Flügel werde gestärkt, die Nachfolgedebatte beginne. Zumindest am Tag eins nach der Wahl ist davon nichts zu spüren. Vielleicht liegt das daran, dass die Strategen die CDU ganz bewusst mittig positionieren, weil sie nicht mehr an eine Rückkehr der SPD zu alter Stärke erwarten. Dann könne einer 30-Prozent-Union die Kanzlerschaft auf Dauer nicht streitig gemacht werden. Und anders als für die CSU gibt es für die CDU keine absolute Mehrheit zu verteidigen.
Aber vielleicht folgt ja noch eine Reaktion Mitte Oktober nach den Wahlen in Niedersachsen (lesen Sie hier alles zu aktuellen Umfragen). Dann will die CDU in Klausur gehen, um gegebenenfalls nachzujustieren. Doch wer der Kanzlerin am Montag zuhört, erwartet wenig. Sie fordert „ein Stück Demut“ gegenüber den Wählern. „Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass man nach zwölf Jahren wieder den Regierungsauftrag erhält.“ Und die AfD? Merkel wird gefragt, was sie von der CSU-Aussage halte, die Wähler zurückzugewinnen, indem man die „rechte Flanke“ schließe. Antwort: „Ich würde das mit anderen Worten sagen, mit meinen: indem wir da, wo Probleme auftauchen, diese Probleme lösen.“
Das ist genau jene Art, mit der Merkel in der Flüchtlingskrise so dezent nachjustierte, dass es die Wähler nicht mitbekamen. Immerhin gesteht sie ein, dass das Ergebnis „auch mit mir verbunden ist – als Person. Und zwar ganz offensichtlich.“ Aber Fehler im Wahlkampf könne sie nicht erkennen. Und in der Flüchtlingspolitik sowieso nicht.
Jetzt geht es in die Sondierung für eine Koalition – zunächst mit der CSU. Ob es mit „Jamaika“ klappt, ist offen. Würde die Kanzlerin Neuwahlen riskieren? Diesmal antwortet Merkel kurz und knackig. „Ich habe dazu eine klare Meinung: Wenn der Wähler uns den Auftrag gibt, dann haben wir den umzusetzen.“
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