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Verteidigungsministerin unter Beschuss: Folgt nun Högl auf Lambrecht?

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Von: Felix Busjaeger

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Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht im Bundestag in Berlin
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ist angezählt. © IMAGO/Bernd Elmenthaler

Bleibt Christine Lambrecht deutsche Verteidigungsministerin? Wegen ihrer Verfehlungen muss sie sich dem Haushaltsausschuss stellen. Ausgang ungewiss.

Berlin – Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist angezählt: Knapp ein Jahr nach ihrem Amtsantritt im Scholz-Kabinett sieht sich die SPD-Politikerin mit neuen Skandalen konfrontiert. Unstimmigkeiten bei familiären Helikopter-Flügen nach Sylt hatten im Sommer die Opposition auf den Plan gerufen. Nun geht es um eine Fehlleistung mit deutlich mehr Tragweite: die Beschaffung der F-35-Jets für die deutsche Bundeswehr.

Für Lambrecht steht dabei viel auf dem Spiel. Im ersten Jahr des Ukraine-Kriegs ist ihre Liste der Kritikpunkte inzwischen so lang, dass ihr von mehreren Seiten die Niederlegung ihres Amts nahegelegt wird. Und: Eine mögliche Nachfolgerin könnte es auch schon geben.

Krisensitzung für Lambrecht: Ungereimtheiten bei F-35-Jets sorgen für Ärger

Lambrecht muss sich laut Medieninformationen am Montag (5. Dezember) im Haushaltsausschuss des Bundestags verantworten. Dessen Mitglieder hatten zuletzt ihren Unmut über mögliche Risiken beim geplanten Kauf des amerikanischen Tarnkappenjets F-35 kundgetan. Möglich sei, dass sich die Beschaffung verzögert oder verteuert. Während sich Lambrecht bei ihren früheren Verfehlungen überwiegend der Kritik aus der Opposition stellen musste, wird dieses Mal auch aus den eigenen Reihen geschossen. Die Zweifel im Berliner Regierungsviertel wachsen, ob Lambrecht ihrem Amt gewachsen ist.

Wie unter anderem die Welt berichtet, soll sogar ein SPD-Mitglied im Bundestagshaushalt kritische Bemerkungen über die Arbeit der 57-Jährigen fallengelassen haben. Eine Abgeordnete der Grünen forderte den Rücktritt der Verteidigungsministerin. Grund ist ein Schreiben, das als geheim eingestuft wurde und mehrere Risikofaktoren bezüglich des Kaufs der F-35-Jets nennt. Unter anderem wird auf mögliche technische Probleme bei der Zulassung der Flugzeuge für den Flugbetrieb in Deutschland hingewiesen. Die Anforderungen für die Jets seien so groß, dass die Anpassungen am Flugplatz Büchel, der derzeitige Stützpunkt der Tornado-Jets der Bundeswehr, nicht mit Garantie bis 2026 fertiggestellt werden können.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in der Kritik: Opposition fordert ihren Rücktritt

Der Plan der Bundeswehr sieht eigentlich vor, dass insgesamt 35 F-35-Jets inklusive Bewaffnung für knapp zehn Milliarden Euro angeschafft werden. Die neuen Turbulenzen um Lambrecht sorgen derweil dafür, dass sich in Berlin offenbar eine Front gegen die Politikerin formiert. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), kommentierte die jüngsten Entwicklungen gegenüber der dpa folgendermaßen: „Die Truppe und ganz Deutschland müssen sich ob dieser neuen Informationen nur noch schämen. Es stellt sich die Frage, ob dahinter Unvermögen oder Absicht steckt.“

F-35 sollen Tornados der Bundeswehr ersetzen

Die Bundesregierung plant, die alten Tornados der deutschen Luftwaffe durch F-35-Tarnkappenjets zu ersetzen. Die Maschinen des US-Herstellers Lockheed Martin sollen als Nachfolgemodell der vor mehr als 40 Jahren eingeführten Tornado-Flotte beschafft werden. Das US-Flugzeug gilt als modernstes Kampfflugzeug der Welt und soll künftig als Teil der nuklearen Teilhabe Deutschlands eingesetzt werden. Das Konzept der Nato sieht vor, dass Verbündete Zugriff auf US-Atombomben haben. Unbestätigten Berichten nach sollen diese Waffen in einem Spezialbunker an Fliegerhorst Büchel gelagert werden.

Hahn sieht dabei nur eine logische Konsequenz: „Meine Empfehlung an den Bundeskanzler wäre: Wechseln Sie die Ministerin aus, bevor es zu spät ist!“ Viola von Cramon, Europa-Abgeordnete der Grünen, schloss sich den Forderungen Hahns an und stellte die Kompetenz von Lambrecht auf Twitter scharf infrage.

Rücktritt von Verteidigungsministerin Lambrecht? FDP fordert mehr Tempo bei F-35-Jets

Ist Lambrechts Zeit als deutsche Verteidigungsministerin nach knapp einem Jahr bereits vorbei? Nicht unbedingt. Allerdings erhöht auch die FDP vor der „Krisensitzung“ des Haushaltsausschusses im Bundestag den Druck auf die SPD-Politikerin. „Die Ministerin ist persönlich dafür verantwortlich, dass der F-35-Zeitplan eingehalten wird und dass dieses wichtige Projekt weder finanziell noch organisatorisch aus der Bahn fliegt“, sagte Karsten Klein, FDP-Haushaltspolitiker, der Bild. Lambrecht müsse die Probleme nun umgehend zur Chefsache machen und „endlich liefern“, so Klein.

Übersicht über einige Vorwürfe gegen Verteidigungsministerin Lambrecht

Wer wird Nachfolgerin von Lambrecht? Eva Högl gilt als geeignet Kandidatin als Verteidigungsministerin

Während Lambrecht mutmaßlich im Laufe der Woche um ihr Amt als Verteidigungsministerin kämpfen muss, konnte sich in den vergangenen Tagen eine mögliche Nachfolgerin positionieren: Eva Högl, Wehrbeauftragte der Bundestags. Sie hatte zuletzt für die Beschaffung von neuer Munition der Bundeswehr im Wert von mindestens 20 Milliarden Euro einen mehrjährigen und mit der Industrie abgestimmten Plan gefordert. „Wir brauchen jetzt einen Fahrplan, ein abgestimmtes Vorgehen mit verbindlichen Vereinbarungen mit der Rüstungsindustrie, wann welche Munition wo, in welchem Zeitraum produziert werden kann. Das ist jetzt der Auftrag – am besten europäisch abgestimmt.“

Mögliche Nachfolgerin der Verteidigungsministerin: Wer ist Eva Högl?

Seit dem 25. Mai 2020 ist Eva Högl (SPD) Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. In dieser Funktion übernimmt sie die parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte und beaufsichtigt die Wahrung der Grundrechte der Soldaten. Die Aufgaben des Wehrbeauftragten des Bundestages werden nach Artikel 45b des Grundgesetzes geregelt. Tätig wird die Wehrbeauftragte aus eigener Initiative oder auf Weisung des Bundestages oder des Verteidigungsausschusses. Die Amtsinhaberin, in diesem Fall Eva Högl, ist weder Mitglied des Deutschen Bundestages noch Beamtin.

Högls Kritik: Die notwendige Beschaffung von Artilleriegranaten, Raketen und anderen Munitionssorten sei nicht schon wesentlich als Teil des 100-Milliarden-Sondertopfes für die Vollausrüstung der Streitkräfte angelegt worden. Auch in diesem Punkt muss sich die amtierende Verteidigungsministerin wachsender Kritik stellen. Das Problem besteht zwar bereits seit mehreren Jahren und ist damit auch zu großem Teil eine Verfehlung der Merkel-Ära. Allerdings gibt es zunehmend Unverständnis darüber, dass in den gut neun Monaten seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine wenig bestellt wurde. (fb)

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