Wahl in Niedersachsen: Der heiße Herbst hat begonnen – und die Ampel hat nun einen klaren Auftrag

Die Landtagswahl in Niedersachsen zeigt: Die noch im August gemessene politische Stimmung in Deutschland hat sich radikal verändert. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Wenn Herbstwinde stürmisch wehen, suchen die Bundesbürger Schutz bei bewährten Steuerleuten: Das niedersächsische SPD-Schlachtross Stephan Weil profitierte davon wie zuletzt die Ministerpräsidenten-Kolleg(inn)en Malu Dreyer, Winfried Kretschmann, Daniel Günther und Reiner Haseloff. Sehr zur Erleichterung seiner Genossen und ihres Kanzlers, die Weil spektakulär vom Berliner Abwärtstrend abkoppelte. Sollte Olaf Scholz morgen als Regierungschef ausfallen, würden die Genossen auf der Suche nach einem Reservekanzler wohl in Hannover fündig.
Niedersachsen-Wahl: Für Merz ist das Votum ein herber Dämpfer
Bei der Landtagswahl in Niedersachsen wählten die Bürger die letzte Große Koalition aus der untergegangenen Ära Merkel ab. Damit ist der Weg frei für das von Weil angestrebte rot-grüne Bündnis. Für Oppositionsführer Friedrich Merz ist das Votum im Schatten des Ukraine-Kriegs ein herber Dämpfer: Nicht seine Union profitierte von der Unzufriedenheit vieler Wähler mit der Berliner Ampel und ihrer Krisenpolitik, sondern die radikale „Alternative“.
Der Erfolg der AfD kündigt einen heißen Herbst an. Denn im Norden, wo – noch so ein düsterer Vorbote – am Samstag zeitweise kein Zug mehr fuhr, stürzte nicht nur die FDP ab. Auch die Grünen um den zuletzt außer Tritt geratenen Energieminister Robert Habeck blieben weit hinter ihren im August gemessenen Spitzenwerten von 22 Prozent zurück, auch wenn sie gegenüber der 2017er-Wahl zulegten. Grün zu wählen ist eben nur so lange schick, wie die Wohnung warm und die Stromrechnung bezahlbar bleibt.
Niedersachsen und die Folgen: Die Ampel hat nun einen klaren Auftrag
Für die Ampelkoalitionäre folgt daraus der Auftrag, sich nicht weiter gegenseitig auszumanövrieren, sondern entschlossen Politik für die bedrohte Mitte der Gesellschaft zu machen. Die verzweifelt an den hohen Energiepreisen und daran, dass in der Regierung zu viele ihre Steckenpferde reiten und der Kanzler dies hinnimmt. Die Grünen müssen endlich ihre Atomblockade aufgeben, und die FDP wird sich von der Illusion einer nur mit allerlei Haushaltstricks verteidigten schwarzen Null in Kriegszeiten lösen müssen.
Georg Anastasiadis