1. Startseite
  2. Politik

Wolfsrudel reißt 39 Schafe: Erboste Landwirte fordern Abschuss - „Selbst Ponys getötet“

Erstellt:

Von: Patrick Mayer

Kommentare

In Deutschland nehmen Risse von Schafen und Rindern durch Wölfe offenbar drastisch zu. Landwirte fordern von der Umweltministerkonferenz deshalb eine neue Wolfspolitik.

München/Königswinter – Sie galten als so gut wie ausgestorben: Die Rede ist von Wölfen. Doch laut Europäischem Parlament ist auf dem Gebiet der Europäischen Union (EU) gegenwärtig mit bis zu 19.000 Wölfen zu rechnen.

Wölfe in Deutschland zum Abschuss freigeben? Landwirte aus dem Rheinland protestieren dafür

Polarisierend: Die Risse von Schafen und anderer Nutztiere nehmen in Deutschland seit Monaten wohl deutlich zu. Das sorgt für Zündstoff. An diesem Donnerstag (11. Mai) kommt die Umweltministerkonferenz in Königswinter unweit von Bonn zusammen, um über die Wolfsbestände zu beraten.

Der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV) hat im Umfeld des Gipfels zu einer Kundgebung zum Thema „Wolfspolitik: Jetzt ändern!“ aufgerufen. Der Verband mit seinen rund 15.000 Mitgliedern zwischen Ruhrgebiet, Düsseldorf, Köln, Bonn und Aachen fordert konkret die „Entnahme“ von Wölfen, ergo die Erlaubnis zum Abschuss der Tiere.

Population hat deutlich zugenommen: der europäische Grauwolf (Symbolfoto).
Die Population hat deutlich zugenommen: der europäische Grauwolf (Symbolfoto). © IMAGO/Martin Wagner

Ausgerechnet Königswinter: Die Region rechts des Rheins samt Siebengebirge hat seit Längerem mit Wolfsrissen zu kämpfen. Lokalpolitiker hatten nach Vorfällen im benachbarten Kreis Neuwied bereits im Dezember die Freigabe zum Abschuss gefordert. Im angrenzenden Norden von Rheinland-Pfalz soll unter anderem das „Leuscheider Rudel“ Sorgen bereiten.

Wölfe in Deutschland zum Abschuss freigeben? Landwirte berichten von „notgetöteten Tieren“

Der RLV schreibt auf seiner Website von „aufgerissenen hochträchtigen Schafen“ und „notgetöteten Tieren“. Auf der Verbandswebseite heißt es: „Allein Ende Februar wurden als Bilanz eines einzigen Wolfs-Übergriffs in Dinslaken 39 Tiere Opfer des Schermbecker Wolfsrudels. Die Herde war gesichert mit einem empfohlenen Schutzzaun von 1,10 m Höhe, ebenso hatte eine Herdenschutzberatung stattgefunden. Schon in der Vergangenheit wurden im Schermbecker Wolfsgebiet Schutzzäune überwunden und selbst Ponys angegriffen und getötet.“

Allein Ende Februar wurden als Bilanz eines einzigen Wolfs-Übergriffs in Dinslaken 39 Tiere Opfer des Schermbecker Wolfsrudels.

Rheinischer Landwirtschafts-Verband (RLV) auf seiner Webseite

Im Gegensatz zu Deutschland würden „EU-Staaten wie Frankreich seit Langem auf ein Entnahme-Management zum Schutz der unersetzlichen Weidetierhaltung“ setzen, schreibt der RLV. Es wird darauf hingewiesen, dass das EU-Parlament inzwischen „eine Herabstufung des Schutzstatus für gerechtfertigt“ halte. In der EU-Politik gibt es offenbar eine prominente Unterstützerin für den Schutz von Weidetieren vor dem Wolf: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU).

Wölfe in Deutschland zum Abschuss freigeben? Wolf riss offenbar Pony von Ursula von der Leyen

Markant: Im September wurde das Pony „Dolly“ der früheren Bundesverteidigungsministerin von der Leyen auf einer Koppel in Burgdorf bei Hannover Medienberichten zufolge selbst von einem Wolf gerissen. Die Region Hannover genehmigte daraufhin den Abschuss des Wolfes mit der Kennzeichnung „GW950m“. Eine Sprecherin der Regionalverwaltung erklärte der Tageszeitung taz, dass besagter Wolf mindestens 13 Nutztiere gerissen habe - auch Rinder. Nach einem juristischen Prozess der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V., nahm das Verwaltungsgericht Hannover die zeitlich begrenzte Abschussgenehmigung wieder zurück.

Gemeldete Beobachtungen von Wölfen mehren sich indes bundesweit. Laut Kölnischer Rundschau gab ein Bauer Mitte März just in Königswinter an, er habe zwei junge Wölfe fotografiert. Laut Badischer Zeitung berichtete ein Mountainbiker Anfang Mai von der Sichtung zweier Wölfe im Hochschwarzwald, die gerade einen Rehbock gerissen hätten. Und im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gab ein Mann an, ihm sei ein Wolf nahe des brandenburgischen Glienicke vor das Auto gelaufen. Verlieren die Tiere ihre Scheu?

Übersicht: Bestätigte Wolfsrudel in Deutschland

MonitoringjahrWolfsrudel
2018/19105
2019/20128
2020/21158
2021/22161

Quelle: Website des Bundesamt für Naturschutz (BFN)

Laut Bundesamt für Naturschutz (BFN) wurden in Deutschland zwischen April 2021 und April 2022 insgesamt 1175 registrierte Wölfe nachgewiesen. Auch ein deutscher Nachbar ringt mit dem Thema. In Veluwe, dem größten Waldgebiet der Niederlande zwischen Arnheim und Zwolle, sorgten im Herbst 2022 zwei Fälle für Aufsehen, als Wölfe Menschen sehr nahe kamen. Bei Twitter kursierte ein Video, wie ein Rennradfahrer offenbar von einem Wolf verfolgt wurde. Dann dokumentierte eine Familie mit zwei Kleinkindern, wie ein Wolf nur wenige Meter an ihr vorbeizog. Laut einem Ökologen sollen sich einzig in diesem Waldgebiet geschätzt 25 bis 30 Wölfe angesiedelt haben. Anfang November erlaubten die Niederlande die sogenannte Vergrämung mittels Paintball-Kugeln.

Wölfe in Deutschland zum Abschuss freigeben? Bayern reagiert und erteilt Erlaubnis zur Entnahme

Auch Bayern hat mittlerweile reagiert – und zwar strikt. Laut einer jüngsten Entscheidung der Staatsregierung genügt im Freistaat künftig der Riss eines Schafes, um Wölfe abschießen zu dürfen. Wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Ende April mitteilte, brauche es dafür kein DNA-Gutachten. Besagten Entschluss zum Abschuss von Wölfen kritisierte im Gespräch mit Merkur.de die deutsche Abgeordnete im Europäischen Parlament, Manuela Ripa (ÖDP).

ÖDP-Politiker im Interview bei Ippen Media: Manuel Ripa, Abgeordnete im Europäischen Parlament, und Tobias Ruff, Landesvorsitzender in Bayern.
ÖDP-Politiker im Interview bei Ippen Media: Manuel Ripa, Abgeordnete im Europäischen Parlament, und Tobias Ruff, Landesvorsitzender in Bayern. © pm

„Der Abschuss sollte das letzte Mittel sein. Wenn wir es in Europa schon geschafft haben, wichtige Arten wieder anzusiedeln“, sagte Ripa, die in Brüssel im Artenschutz-Ausschuss sitzt. Sie meinte: „Markus Söder hat den Wolf zum Abschuss freigeben. Der Wolf hat eine ganz wichtige Funktion in unserem Ökosystem. Viele Naturschützer haben gejubelt, dass er wieder hier ist. Den Wolf zum Abschuss freizugeben, ist zu kurz gedacht.“ (pm)

Auch interessant

Kommentare