Laschet verrennt sich in Triell-Schlüsselszene - der Union droht nun das Wahl-Debakel
Armin Laschet scheint der Verlierer des Kanzlertriells zu sein. Wohl auch, weil Angela Merkels Erbe sehr ungleich abfärbt. Der Union droht nun ein lange undenkbarer Flop, kommentiert Florian Naumann.
München – Ein Kanzler-Triell ohne große Höhe- und Tiefpunkte hat Deutschland am Sonntagabend erlebt. Umso schwerer wiegen die kleinen Nuancen - und die erstaunlichen Umfrage-Zahlen des Abends. Armin Laschet scheint der Verlierer der ersten TV-Runde zu sein. Ob das wirklich so ist, liegt im Auge der Betrachter und lässt sich nicht an einer einzelnen Zuschauer-Befragung messen. Aber es gibt durchaus plausible Gründe für diese Einschätzung. Und sie verheißen für den Unions-Kandidaten nichts Gutes.
TV-Triell: Laschet verrennt sich ausgerechnet im Schlusswort - sein „Versprechen“ kommt offenbar nicht an
So stach in einem ereignisarmen Triell das Abschluss-Statement hervor. Laschet verstieg sich - nach kurzem Spicken auf dem Zettel - in seinem Schlusswort zu einem indirekten Zitat aus der Popkultur. Und offenbarte gleich zwei Schwächen. „Spüren wir nicht alle den Wind der Veränderung, der uns ins Gesicht bläst?“, fragte er. Die Wendung stammt aus dem Wende-Hit der Scorpions, „Wind of change“. Fehler Nummer eins allerdings: Die Schlussfolgerung im Jahr 1990 war natürlich nicht, der Veränderung zu trotzen, so wie es Laschet als „Standhafter“ offenbar tun will - sondern sie in Bahnen zu lenken. Niemand sollte das besser wissen als die Union. Helmut Kohl ergriff damals eine historische Chance zur Veränderung. Über die Umsetzung lässt sich trefflich streiten. Doch der Schritt hin zu einer neuen Zukunft war richtig. Er wird auch jetzt nicht ausbleiben können.
Schlimmer noch als die verhunzte Referenz war für Laschet das fast schon verzweifelt proklamierte Selbstlob. Laschet wollte sich als Fels im rauen Meer der Veränderung in Szene setzen. Die Umfragen sprechen aber dafür, dass die Wähler Laschet dieses Versprechen nicht abnehmen. Sondern dass sie den etwas verkniffen, aber in Duktus und Gestus stoisch durch den Abend merkelnden Scholz für diesen Hort der relativen Sicherheit halten.
Bundestagswahl: Laschet passt nicht in die Abteilung Attacke, Scholz merkelt sich still gen Kanzleramt
Laschet biss sich im Grunde redlich durch den Abend. Sogar seine Replik auf die Kritik an seinem „Zick-Zack-Kurs“ in der Corona-Krise schien durchaus plausibel: Ja, in der Pandemie gibt es einiges abzuwägen. Und man kann auch mal aus guten Gründen die Meinung ändern. Dass man dabei sogar auf erstaunliche Weise Vertrauen konservieren kann, beweist etwa Markus Söder: 2018 noch auf AfD-Wähler-Fang, heute der grünste Schwarze zwischen Flensburg und Oberstdorf. Das kann man machen, man muss es aber offenbar mit plakativer Ruhe und in verbindlichen Sätzen verkaufen. Laschet hingegen kippelte sogar noch durch den Triell-Abend. Kindergrundsicherung? Nicht nötig, Arbeitsperspektive für die Eltern tut‘s! Und zwei Minuten später: Natürlich entlastet auch die Union alleinerziehende Mütter, und zwar genauso gut wie die Grünen. Der Eindruck: Da weiß einer nicht ganz, was er eigentlich gerade feilbieten will - soziale Wärme oder harte Leistungsgesellschaft.
Ebenfalls nicht direkt vorteilhaft schien Laschets Auftreten. Der Unions-Kanzlerkandidaten wollte sichtlich die Abteilung Attacke auspacken. Ein „Aber Frau Baerbock!“ hier, ein „das ist doch nicht Ihr Ernst!“ für Scholz da. All das wirkte aber auswendig gelernt. Beispielsweise weil der SPD-Konservative Scholz zum Zeitpunkt des Anwurfs ohnehin Rot-Grün-Rot gerade quasi abgesagt hatte, wie selbst die Moderatoren mehr oder wenig findig attestierten. Laschet ist eben kein überzeugender Polterer à la Strauß. „Nicht nur Sprechzettel vorlesen!“, frotzelte selbst Annalena Baerbock. Scholz hingegen ist der etwas langweilige, wortkarge Geradeaus-Steuerer problemlos abzunehmen.
Laschet als Triell-Verlierer: Merkel färbt offenbar auf Scholz ab - Union droht das Wahl-Debakel
Womöglich fiel Laschet zudem ein Triell-Effekt auf die Füße. Zwischen den beiden etwas linkeren Scholz und Baerbock wirkte Laschet eben nicht wie die selbstgewisse, verlässliche politische Mitte. Sondern wie ein recht allein auf weiter Flur kämpfender Wankelmütiger. Die Konstellation hätte für den CDU-Chef dabei durchaus eine Chance zur Profilierung sein können. Das klappt allerdings nicht, wenn sich ein Konservativer beim Thema Sicherheit die Butter vom Brot nehmen lässt.
Es scheint, als suchten die Wähler wirklich Stabilität. Aber weniger in einer strikt auf Wirtschaftswachstum gerichteten Programmatik, denn in einer Politiker-Figur. Scholz kann auf Regierungserfahrung an Angela Merkels Seite verweisen - und er hat offenbar von der Kanzlerin gelernt. Kritik abperlen lassen, Angriffe auf die Konkurrenz nur in süffisantem Ton, nur nicht allzu schnell bewegen. Damit punktete er auch stärker als Baerbock, die zwar glaubhafte Zweifel an Klima- und Steuerversprechen der Konkurrenz anmeldete, aber vielen Zusehern wohl etwas zu quirlig fürs Kanzleramt wirkte. In der Umfrage-Kategorie „wer kann das Land führen“ gelang Scholz fast schon ein Erdrutschsieg.
Wenn Laschet seinem Versprechen der „Stabilität“ nicht persönlich mehr Glaubwürdigkeit verleiht, könnte etwas Seltsames passieren: Die politischen Fehler der Ära Merkel (späte Entscheidungen und Mangel an Konzepten etwa) drohen an ihm heften zu bleiben - obwohl er gar nicht Teil der Bundesregierung war. Einige buchstäblich ungedeckte Schecks im Unions-Wahlprogramm tun ihr Übriges. Das positive Image der Kanzlerin als ruhige Lenkerin könnte hingegen auf ihren Stellvertreter Scholz übergehen. Obwohl der doch eigentlich die Fehlschläge der Regierung mitverantwortete. Wenn sich dieser Effekt verfestigt, dann steht die Union vor dem lange Zeit Undenkbaren: Dem Gang in die Opposition. (Florian Naumann)