Lauterbach bietet Kimmich Impf-Aufklärung an: „Stehe jederzeit bereit!“

Joshua Kimmich kämpft öffentlich gegen Corona an - lässt sich jedoch nicht impfen. Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ist zwiegespalten und macht ein Angebot.
München - Ein heikler Vorgang: Ein Fußballprofi des deutschen Bundesligaprimus FC Bayern möchte sich „noch nicht“ gegen Corona* impfen lassen, dabei kämpfte er stets an vorderster Front gegen das Coronavirus. Joshua Kimmich ist gerade für viele Jüngere ein Vorbild, auch deshalb erhält das Thema mitten in der stockenden Impfkampagne Deutschlands zusätzliche Brisanz. „Weil ich einfach für mich persönlich ein paar Bedenken habe, was fehlende Langzeitstudien angeht“, sagte der 26-Jährige nach dem 4:0-Sieg der Bayern gegen Hoffenheim am Mikrofon bei Sky*.
Auch wenn Kimmich erklärte, sich seiner „Verantwortung bewusst“ zu sein und die Hygieneregeln zu beachten, dazu „alle zwei, drei Tage getestet“ zu werden, passt das nicht ganz zu den Worten, mit denen er sich auf der Homepage seiner mit Teamkollege Leon Goretzka gegründeten Initiative „We kick Corona“ zitieren lässt. „Weil die Gesundheit über allem steht, ist jetzt Solidarität im Kleinen wie im Großen notwendig. Jeder kann helfen.“
Lauterbach bei Merkur.de zum Fall Kimmich: „Hat er aus meiner Sicht nicht ausreichend bedacht“
Kollegen wie Thomas Müller oder Manuel Neuer sprechen zwar von einer „Privatsache“, gestehen aber „gemischte Gefühle“ ein. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sieht den Fall Kimmich kritisch, warnt aber davor, Druck auszuüben: „Joshua Kimmich hat sich in eine sehr schwierige Lage manövriert. Er macht viel für die Corona-Bekämpfung, spendet Geld, hat eine Vorbildfunktion, aber das ist in anderer Hinsicht nicht vereinbar mit der Nicht-Impfung. Das hat er aus meiner Sicht nicht ausreichen bedacht“, sagt der 58-Jährige Merkur.de*. Druck auszuüben sei nicht ratsam. „Er hat genauso das Recht sich nicht impfen zu lassen wie alle anderen Bürger. Ich bewundere ihn fußballerisch sehr und habe mich gefreut, dass er sich so engagiert“, so Lauterbach.
Der Corona-Experte bietet Kimmich bei Merkur.de sogar ein persönliches Gespräch an: „Wenn er das möchte, würde ich ihm direkt ein solches anbieten. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es mehr Grund zur Sorge vor Langzeitschäden bei einer Infektion mit Corona als durch eine Impfung. Ich denke, ich kenne mich mit Langfristwirkungen beim Impfen gut aus. Ich bin selbst Impfarzt und habe viele dieser Gespräche geführt. Auch mit Sportlern. Von mir aus also jederzeit.“
Kimmich stellte auch explizit klar, nicht geimpft zu sein heiße nicht gleich, man sei Corona-Leugner oder Impfgegner. „Es gibt Leute, die Bedenken haben. Das sollte man respektieren“, so der FC-Bayern-Star. Für einige Fans und Beobachter dürfte Kimmichs Entscheidung aber schwer nachvollziehbar bleiben. Zuschauer unterliegen in manchen Fußballstadien mittlerweile der 2G-Regel. Dass Idol Kimmich dennoch spielen darf hat einen einfachen Grund: Der Stadiongänger tut das in seiner Freizeit, Fußballer sind am Arbeitsplatz. „Dort haben wir keine Impfpflicht und die Testpflicht hat appellativen Charakter. Aber klar, für viele Bürger ist das schwer nachvollziehbar, daher ist der Fall sehr problematisch“, empfindet Lauterbach.
Kimmich noch ohne Impfung: Doch Lauterbach warnt vor Impfpflicht für Fußballer
Die nun von einigen ins Spiel gebrachte Impfpflicht für Fußballer widerstrebt Lauterbach. Sie lasse sich epidemiologisch nicht begründen, wäre dazu noch ohne rechtliche Grundlage. „Zudem würde die Diskussion in eine falsche Richtung führen. Eine Impfpflicht wollen wir nicht“, so der SPD-Mann.
Im Gespräch mit Merkur.de ließ Lauterbach jedoch durchblicken, dass es Unterschiede beim Hallensport geben könnte - vorausgesetzt die Zahlen würden steigen. „Dann ist mehr und mehr zu erwarten, dass mit einer 2G-Regelung gespielt werden muss. Für Geimpfte wird es keine Einschränkungen mehr geben. Es ist eine Pandemie der Ungeimpften. Ein ungeimpfter Handballer kann seinem Job nicht mehr so einfach nachgehen, das könnte kommen. Aber aktuell ist dies noch nicht nötig.“
Ohnehin sei 2G auch für gesellschaftliche Zusammenkünfte etwa in Restaurants ein mögliches Szenario im Winter: „Das Hamburger Modell hat sich bewährt. Es hat zwei Vorteile: Die Fallzahlen lassen sich besser beherrschen, und auch ein korrekter Impfanreiz wäre gesetzt.“
Lauterbach hofft auf Meinungswandel Kimmichs
Die derzeit vor allem in England vorkommende Variante Delta Plus* macht Lauterbach aktuell weniger Sorgen. „Vorläufige Studien aus England zeigen, sie ist zehn Prozent ansteckender. Das ist keine gute Nachricht, aber auch kein Sprung mehr, wie zum Beispiel bei der Alpha- oder Delta-Variante.“
Aber: „Ohne die Impfung wären wir heute schon wieder im Lockdown“, so Lauterbach. Es sei bitter, dass man so knapp vor einer stabilisierenden Impfquote gebremst wurde. „Ansonsten wäre die Situation absolut beherrschbar“, meint der mögliche künftige Gesundheitsminister einer Ampel-Koalition*. Er hofft auf einen Stimmungswandel Kimmichs, der dann vielleicht auch noch den ein oder anderen Zweifler zum Impfen bringt. (mke) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA