„Feind heißt Putin“: Ist Kanzler Scholz im Leopard-Streit gar nicht so isoliert, wie es scheint?

Ist Scholz in Sachen Panzer wirklich der einzige Zauderer in Europa? Luxemburg verteidigt den deutschen Kanzler jetzt. Ein Überblick.
Brüssel/Berlin - In der Debatte über die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine hält sich Kanzler Olaf Scholz seit Tagen bedeckt. Forderungen von etlichen Seiten, der Lieferung im Ukraine-Krieg endlich zuzustimmen, scheinen Scholz kaltzulassen. Ein Verhalten, das ihm viel Kritik einbringt: Sogar die USA scheinen verärgert über das Zaudern des Kanzlers, die Union schäumt und FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wirft Scholz vor, „er habe versagt“.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nimmt den deutschen Kanzler nun allerdings in Schutz. Zur Kritik im In- und Ausland an Scholz sagte Asselborn am Montagabend (23. Januar) im ZDF-„heute-journal“: „Der Feind ist nicht Bundeskanzler Scholz, der Feind heißt Putin. Und darauf sollten wir uns konzentrieren.“
Kampfpanzer für die Ukraine: Ist Scholz der einzige Zauderer?
Asselborn betonte, Deutschland sei in der Kampfpanzer-Frage in der EU nicht so isoliert, wie es in deutschen Medien teilweise dargestellt werde. Es gebe auch andere „große Länder und Grenzländer“, die zögerten, diesen Schritt zu machen. Scholz habe zu der von Kiew seit Monaten geforderten Lieferung von Leopard-Panzern zwar noch nicht Ja gesagt, aber eben auch noch nicht Nein.
Hier ein Überblick über die Haltungen zu Kampfpanzern in anderen Ländern:
- Großbritannien ist bisher das einzige Land, das die Ukrainer mit Kampfpanzern westlicher Bauart ausstatte: 14 Kampfpanzer des Typs Challenger 2 werden in die Ukraine geliefert.
- Polen will 14 der 247 Leopard-2-Kampfpanzer, über das es verfügt, an die Ukraine liefern - braucht dafür aber eine Ausfuhrgenehmigung vom Herstellerland Deutschland und setzt Scholz dabei massiv unter Druck.
- Auch Finnland stellte Kiew westliche Panzer in Aussicht, darunter Leopard aus deutscher Produktion.
- Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich - ähnlich wie Scholz - noch nicht entschieden, ob er seine Leclerc-Panzer abgeben will.
- Die USA hätten zwar nichts dagegen, wenn die europäischen Verbündeten Leopard-2-Panzer liefern würden. Ihre eigenen M1 Abrams halten sie für einen Kriegseinsatz in der Ukraine aber aus verschiedenen Gründen für weniger tauglich: hoher Spritverbrauch, langer Transportweg, kompliziertere Versorgung mit Ersatzteilen. Eine Lieferung lehnen sie daher ab.
- Viele EU-Länder halten sich in der Debatte noch bedeckt: Tschechien beispielsweise hat im Zuge des sogenannten Ringtauschs zwar erst einen Leopard-Panzer von Deutschland erhalten, 13 weitere sollen noch folgen. Das Land dürfte kaum Interesse daran haben, diese nun vorzugsweise an die Ukraine abzugeben.
- Griechenland hat so viele Leopard-Panzer wie kein anderes Land Europas: rund 350 Leopard 2 und 500 Leopard 1. Die Regierung in Athen will aber keine Panzer abgeben, weil es sich vom Nato-Partner Türkei bedroht fühlt. In der Diskussion über Kampfpanzer-Lieferungen in die Ukraine hält sich Athen deswegen lieber bedeckt.
Pistorius verteidigt Scholz: Deutsche Unterstützung für Ukraine immens
Auch der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) relativierte das Zögern von Scholz, was die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine betrifft: Deutschland sei immerhin in der Spitzengruppe, was die militärische Unterstützung der Ukraine angehe. „Das geht im Augenblick angesichts der Diskussion über Panzerlieferungen und Panzereinsätze unter“, bedauerte er.
SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner verteidigte außerdem die Kommunikation von Scholz in der Debatte. „Es ist wichtig, wenn es um Krieg und Frieden geht, dass man eben nicht lautstarke Interviews gibt, sondern dass man vernünftig handelt“, sagte er in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv. Viele Diskussionen fänden zu Recht hinter verschlossenen Türen statt. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Deutschland nicht zur Kriegspartei werde, betonte Stegner. Ob dies mit einer Lieferung von Kampfpanzern geschehe, lasse sich nicht klar beantworten.

Boris Johnson wettert zu Kampfpanzern: „Nordrhein-Westfalen bewachen?“
Der britische Ex-Premier Boris Johnson plädierte dagegen mit Nachdruck an Deutschland, Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen: „Die Ukrainer brauchen Hunderte von Panzern, und sie sollten sie von Amerikanern, Deutschen, Polen und vielen anderen bekommen“, schrieb Johnson in einem Gastbeitrag für die Daily Mail. „Wo muss die westliche Welt diese Panzer denn zurzeit stationieren? Um Nordrhein-Westfalen zu bewachen? Tennessee zu schützen? Durch die Dörfer von Wiltshire zu streifen?“
Er sei stolz darauf, dass Großbritannien erneut vorangehe und 14 Kampfpanzer des Typs Challenger 2 in die Ukraine liefere. „Nun ist es Zeit für andere, sich unserem Beispiel anzuschließen.“
In deutscher Bevölkerung Lieferung von Leopard-Panzern umstritten
In der deutschen Bevölkerung ist eine mögliche Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine umstritten. Im aktuellen „Deutschlandtrend“ für das ARD-„Morgenmagazin“ sprechen sich 46 Prozent der Befragten dafür aus, fast ebenso viele sind dagegen (43 Prozent). Die verbleibenden elf Prozent können oder wollen sich nicht festlegen. Vor allem im Osten Deutschlands sind die meisten Befragten gegen die Leopard-Lieferung (32 zu 59 Prozent).
Polen stellte unterdessen nun den offiziellen Antrag bei der Bundesregierung, Panzer an die Ukraine liefern zu dürfen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte zuvor gesagt: „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine ausblutet. Die Ukraine und Europa werden diesen Krieg gewinnen - mit oder ohne Deutschland.“ Russland dagegen warnte Deutschland vor der Lieferung von Kampfpanzern und drohte mit „unausweichlichen“ Folgen. (smu mit Material von AFP und dpa)