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Li Keqiang ist nach Xi Jinping der zweitmächtigste Mann in der Volksrepublik China

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Li Keqiang, Ministerpräsident von China, spricht nach der Abschlusssitzung der zehntägigen Jahrestagung auf einer Pressekonferenz
Li Keqiang ist Chinas Ministerpräsident - unter Staatschef Xi Jinping der Zweitmächtigste im Land © picture alliance/Xing Guangli/xinhua/dpa

Lange Zeit galt er als Nachfolger des ehemaligen Staats- und Parteichefs Hu Jintao, dann überholte ihn Xi Jinping: Heute ist Li Keqiang Ministerpräsident.

1955 in der chinesischen Provinz Anhui geboren, scheint Li Keqiang die politische Karriere in die Wiege gelegt: Sein Vater, ein Lokalpolitiker, will ihn frühstmöglich darauf vorbereiten, die örtliche Abteilung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu leiten. Doch Li beginnt nach dem Ende seines Arbeitsdiensts in Fengyang zunächst ein Jurastudium an der renommierten Peking-Universität. Dort übernimmt Li ab 1982 führende Positionen in der Kommunistischen Jugendliga, dort lernt er auch den späteren Staats- und Parteichef Hu Jintao kennen. Unter Hu Jintao ist die Jugendliga-Faktion eine der mächtigsten Gruppen in der Partei.

1998 wird Li Keqiang Gouverneur der zentralchinesischen Provinz Henan, wo er die wirtschaftliche Entwicklung erfolgreich vorantreibt. 2007 wird er Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der KPCh, des mächtigsten politischen Gremiums im Land. Im Frühjahr 2008 übernimmt er in der Hu-Regierung den Posten des Stellvertreters von Ministerpräsident Wen Jiabao. Als Xi Jinping 2013 Staatspräsident Chinas wird, erhält Li Keqiang das Amt des Ministerpräsidenten. Er gilt als Experte für Wirtschaftsfragen und befürwortet eine Stärkung des freien Marktes. Obwohl die Beziehung zwischen Xi Jinping und Li Keqiang als problematisch gilt, wird der Ministerpräsident 2018 für weitere fünf Jahre in seinem Amt bestätigt.

Li Keqiang: Kindheit und Jugend während der Kulturrevolution Chinas

Li Keqiang wird am 1. Juli 1955 in Hefei, Hauptstadt der Provinz Anhui, zur Welt gebracht. Sein Vater ist als Lokalpolitiker tätig, weshalb Li schon früh mit der kommunistischen Politik der Volksrepublik China in Berührung kommt. Während der von Mao Zedong angezettelten Kulturrevolution wird der junge Li - wie viele Jugendliche seiner Generation - als Arbeiter aufs Land geschickt. Dort, im Landkreis Fengyang schließt er sich den Kommunisten an und wird schlussendlich sogar zum Parteileiter der örtlichen Produktionsgruppe. In Fengyang wird Li außerdem für seine „herausragenden Studien des Gedankenguts von Mao Zedong“ ausgezeichnet.

1974 schließt Li Keqiang seine Schulausbildung an einer weiterführenden Schule in Hefei ab. Das Angebot seines Vaters, ihn auf die Leitung einer örtlichen Abteilung der KPCh vorzubereiten, schlägt Li aus. Stattdessen widmet er sich zunächst einem Jurastudium an der angesehenen Peking-Universität, wo er außerdem das Amt des Präsidenten der studentischen Fachschaft bekleidet. Ab 1982 übernimmt Li führende Posten in der Kommunistischen Jugendliga der Universität. 1983 ist er bereits Mitglied im zentralen Sekretariat der Jugendliga, wo er auch erste Kontakte zum späteren Staatspräsidenten Hu Jintao knüpft. Auch während der Proteste auf dem Tiananmen-Platz im Frühsommer 1989 - an denen auch einige Studierende aus Lis Umfeld an der Peking-Universität teilnehmen - gehört Li zur politischen Führung der Jugendliga. Bis heute ist nicht bekannt, wie Li die Proteste damals betrachtete. Seine Arbeit in der Jugendliga öffnet ihm in der Folgezeit jedenfalls weitere Türen.

Li Keqiang: Karriere in der Jugendliga und in Chinas Provinzpolitik

Nach seinem Examen steigt Li Keqiang in der Kommunistischen Jugendliga weiter auf - bis er 1993 Leiter der Organisation wird. Diesen Posten hat er bis 1998 inne. Während dieser Zeit promoviert der Nachwuchspolitiker außerdem in Wirtschaftswissenschaften und trägt fortan den akademischen Titel Doktor der Philosophie.

Im Alter von nur 43 Jahren wird Li Keqiang 1998 der jüngste Gouverneur einer chinesischen Provinz in der Geschichte der Volksrepublik China: Er übernimmt die politische Führung in Henan, wo er die wirtschaftliche Entwicklung vorantreibt und die Region für Investitionen von außen attraktiv machen will. Laut Mitarbeitern der damaligen Provinzverwaltung weigert sich Li konsequent, an Feierlichkeiten oder anderweitigen unpolitischen Veranstaltungen teilzunehmen - um sich vollends auf das Managen der vergleichsweise armen Provinz zu konzentrieren. Während seiner Zeit als Gouverneur steigt das Bruttosozialprodukt Henans rasant. Gegen eine durch gepanschte Blutspenden ausgelöste HIV-Epidemie in ländlichen Regionen der Provinz zeigt sich Li jedoch weitgehend machtlos.

Trotzdem wird Li Keqiang 2004 weiter befördert. Er erhält als Parteisekretär das höchste politische Amt in der Provinz Liaoning im nordöstlichen Rostgürtel Chinas. Dort wird er für das „Fünf Punkte zu einer Linie“-Projekt bekannt. Dieses soll verschiedene Häfen der alten Schwerindustrie-Region verbinden, um den Handelsverkehr zu verbessern und ausländische Investoren aus den Nachbarstaaten Südkorea und Japan anzuwerben.

Li Keqiang: Aufstieg in das Amt des Vize-Ministerpräsidenten

Durch seine enge Verbindung zum damaligen Staatspräsidenten Hu Jintao gilt Li Keqiang lange Zeit als dessen designierter Nachfolger. 2007 wird er beim 17. Parteikongress Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas. Damit erreicht er die nationale politische Bühne; sein Amt als Parteichef in Liaoning gibt er ab. Im Ständigen Ausschuss erreicht sein Konkurrent Xi Jinping jedoch einen höheren Rang als Li; es scheint damit bereits festzustehen, dass Xi - und nicht Li Keqiang - nach Hu Jintaos Amtszeitende dessen Posten als Generalsekretär der Partei und Staatspräsident der Volksrepublik übernehmen wird.

Im März 2008 ernennt die KPCh Li Keqiang zum ersten Vize-Ministerpräsidenten unter Ministerpräsident Wen Jiabao. Während seiner ersten Amtszeit ist Li für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zuständig; außerdem übernimmt er die Verantwortung für Fragen des öffentlichen Haushalts sowie für die Umwelt- und Gesundheitspolitik.

Beim Weltwirtschaftsforum 2010 in der Schweiz betritt Li Keqiang erstmals die internationale politische Bühne. Dort präsentiert er Chinas Zukunftsvision von konstantem ökonomischen Wachstum gepaart mit nachhaltiger Energiepolitik, warnt die Anwesenden jedoch auch vor den Auswirkungen von Protektionismus.

Beim 18. Parteikongress im Jahr 2012 erreicht Li Keqiang nach Xi Jinping den zweithöchsten Rang im Ständigen Ausschuss des Politbüros. Sein Aufstieg zum Ministerpräsidenten scheint damit gesichert.

Li Keqiang: Seit 2013 Ministerpräsident der Volksrepublik China

Im März 2013 wird Li Keqiang wie erwartet vom Nationalen Volkskongress zum Ministerpräsidenten der Volksrepublik China ernannt. Er dient damit der Regierung unter Generalsekretär Xi Jinping, der fortan auch das Amt des Staatspräsidenten bekleidet. Bei seiner Antrittsrede fordert Li eine Intensivierung der Sparpolitik, eine gleichmäßigere Einkommensverteilung im Land sowie eine verstärkte Aufmerksamkeit für wirtschaftliche Fragen. Seit seinem Amtsantritt ist Li Keqiang als Verfechter von datenbasierter Wirtschaftspolitik bekannt. Schon früh erwägt er Alternativen zum traditionellen Bruttosozialprodukt. So erklärt er in seiner Zeit in Liaoning dem damaligen US-Botschafter, dass er den offiziellen Wachstumsdaten nicht vertraue - sondern stattdessen auf Indikatoren schaue wie Energieverbrauch, Schienenfrachtverkehr oder Bankkredite. Ein Memo des Gesprächs gelangt durch WikiLeaks an die Öffentlichkeit. Es ist die Geburtsstunde des so genannten inoffiziellen „Keqiang Index“, den auch das britische Magazin Economist zuweilen verwendet.

Bereits kurz nach dem Regierungswechsel 2013 kündigt die neue chinesische Führung umfassende Wirtschaftsreformen an, die Li Keqiang entscheidend mit beeinflusst. Die Reformen zielen insbesondere darauf ab, den Einfluss der Regierung auf die freien Märkte abzubauen, um eine gleichmäßigere Verteilung von Ressourcen zu erreichen. Hierbei zeigt sich Li als Kritiker unnötiger bürokratischer Vorgänge. Seine zahlreichen Anekdoten über die oftmals ineffektive Arbeitsweise chinesischer Beamter werden später zu Internet-Hits.

Li Keqiang: Besonderheiten seiner Amtszeit und Wahrnehmung seiner Politik

2011, damals ist Li Keqiang noch Vize-Premierminister, endet eine Reise nach Hongkong in einem Eklat: Bei einem Besuch der dortigen Universität wird der Campus von der Hongkonger Polizei vollständig abgeriegelt. Außerdem werden Studierende, die versuchen mit Li zu sprechen, von Polizisten attackiert. In den Folgetagen protestieren Studierende, Lehrende und Journalist:innen gegen das brutale Vorgehen der Beamten, durch das sie ihre Grundrechte verletzt sehen. Die angespannten Beziehungen zwischen der chinesischen Regierung und der Bevölkerung von Hongkong werden erneut strapaziert.

2012 trifft sich Li Keqiang mit dem offen homosexuellen ehemaligen Polizisten und Geschäftsmann Ma Baoli. Im Gespräch thematisieren die beiden Männer Maßnahmen zur Eindämmung der HIV-Infektionen in China. Außerdem werden mögliche Gesetze zur Antidiskriminierung der chinesischen LGBTQ*-Bevölkerung besprochen. Die Zusammenkunft gilt als Zeichen einer vorsichtigen Öffnung der Regierung, nachdem chinesische Unternehmen bereits seit Jahren die Marktkraft der LGBTQ*-Community für sich nutzen.

Bereits seit Li Keqiangs Amtsantritt häufen sich Spekulationen, dass die Regierung unter Xi Jinping den Ministerpräsidenten systematisch marginalisiert. Xi gründet diverse hochrangige Arbeitsgruppen auch im Bereich Wirtschaft - und setzt sich zumeist selbst an deren Spitze. 2018 wird Li Keqiang vom Nationalen Volkskongress dennoch in seinem Amt bestätigt.

Li Keqiang: Familie und Privatleben

Li Keqiang ist mit Cheng Hong verheiratet. Cheng ist als Professorin für Englisch an der Hauptstadt-Universität für Wirtschaft und Handel in Peking tätig. Das Paar hat eine Tochter, die ein Studium in den USA absolviert. Ebenso wie Li selbst war auch sein Schwiegervater als führender Politiker in der Kommunistischen Jugendliga tätig gewesen.

Li Keqiang spricht im Gegensatz zu vielen anderen chinesischen Politikern Englisch und ist teilweise in der Lage, politische Konversationen ohne Übersetzer zu führen.

Berichten zufolge erkrankte Li Keqiang an Hepatitis B, als er als junger Mann während der von Mao Zedong 1966 losgetretenen Kulturrevolution als Landarbeiter tätig war. Aufgrund dessen leidet er an einer eingeschränkten Leberfunktion, die wiederum ein Nierenleiden zur Folge hat. Aus diesem Grund trinkt Li keinen Alkohol.

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