+++ „Das war nicht meine Absicht, daraus jetzt eine Diskussion zu machen - weil ich der Ansicht war, dass die beiden Inhalte, die ich geschildert habe, eigentlich selbstverständlich sind“, sagt Seehofer mit Blick auf den Koalitionsstreit über Zurückweisungen an der Grenze weiter. Es sei notwendig, mehr aufeinander zu hören, aufeinander zuzugehen, sagt Seehofer unter Verweis auf aus seiner Sicht schwindendes Verständnis der Bevölkerung für öffentliche Streitigkeiten zwischen verschiedenen Parteiflügeln.
+++ Eine Frage zur Flüchtlingspolitik: Warum Seehofer in Kauf genommen habe, vor der Landtagswahl mit harschen Ansagen zur Migration engagierte Flüchtlingshelfer, als auch kirchennahe CSU-Wähler zu verprellen, will ein Journalist wissen. Seehofer verweist auf Neuregelungen zur Zurückweisungen von Asylbewerbern mit Einreiseverbot - und den riesigen Koalitionskrach mit der CDU um Zurückweisungen bereits in anderen Ländern registrierter Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze.
„Ich würde heute nicht den politischen Inhalt infrage stellen, im Rückblick“, erklärt Seehofer. „Sondern ich würde sagen, da haben wir im Stil, in der Form Fehler gemacht. Auch in der Wortwahl. Auch ich. Da haben viele Leute gesagt: Ihr habt doch Recht, aber muss das sein?“
Seehofer fügt einen Seitenhieb auf seine Partei hinzu: „Diese beiden politischen Inhalte habe nicht nur ich vertreten, sondern mit aller Verve der gesamte Parteivorstand der CSU, einstimmig, die gesamte Landtagsfraktion der CSU, einstimmig, die gesamte Staatsregierung, einstimmig, und der Landtag mit seiner Mehrheit“, betont er.
Dann habe sich allerdings die Lage geändert: „Ich habe vielleicht zu spät erkannt, dass ich in einer Baumkrone saß und runterschaute, die Leiter war weg, die Personen waren weg, keiner kam mehr vorbei um den Baum zu gießen und es hat sich plötzlich vollkommen gedreht, bei uns in der CSU“, erklärt Seehofer. „Dass das nicht bekömmlich war, alles - das kann man nicht bestreiten.“
+++ Als einen der schwersten Momente seiner politischen Karriere nennt Seehofer die Wirtschafts- und Finanzkrise zu Beginn seiner Amtszeit als Ministerpräsident. Erinnere sich, wie Bayerns damaliger Finanzminister Fahrenschon in sein Büro gekommen sei und von der drohenden Pleite der Bayerischen Landesbank berichtet habe.
+++ „Wie wir das machen, werden wir vor dem 19. Januar nicht mitteilen“, sagt Seehofer mit Blick auf die geplante Amtsübergabe an Markus Söder. Er sei allerdings auch „erleichtert“, die Lasten des Amtes als Parteichef abzugeben. „Es gibt kein Leben ohne Wunden und Narben - wir nehmen das zwar bei einigen Menschen an, aber nur, weil wir es nicht wissen.“ Jammern und beschweren dürfe man sich deshalb aber nicht. Man wisse, worauf man sich mit einem politischen Spitzenamt einlasse.
+++ Ob er aufgrund des nahenden Abschiedes vom CSU-Vorsitz wehmütig sei, wird Seehofer gefragt. „Da durchlaufen sie verschiedene Stimmungszyklen, ist doch klar“, scherzt der langjährige Parteichef. Natürlich wachse einem in mehr als zehn Jahren die Aufgabe ans Herz. Allerdings sei ihm auch bewusst, dass er in seiner politischen Karriere viel Glück gehabt habe - insofern spiele auch Dankbarkeit eine große Rolle.
+++ Den Abzug der US-Truppen aus Syrien heißt Seehofer nicht gut. Schon zur Amtszeit von Trumps Vorgänger Obama habe er vor einer solchen Entscheidung gewarnt, sagt der Bundesinnenminister. „Es ist einfach so, ein Vakuum wird gefüllt“, betont Seehofer mit Blick auf die Kräfteverhältnisse im bürgerkriegsgebeutelten Syrien.
+++ Den Ausbau der Kräfte beim Bundesverfassungsschutz begrüßt Maaßen. Polizeipräsenz sei wichtig - insofern passe auch dieser Schritt des neuen Verfassungsschutz-Chefs Haldenwang in seine politische Philosophie. Rechtsradikalismus sei eine „wirkliche Herausforderung“ im Land.
+++ Als nächstes steht die Causa Maaßen und die Neusortierung im Bundesamt für Verfassungsschutz auf dem Plan. Er wolle, dass der Verfassungsschutz. Er wolle, „dass wir neutral sind, und auf keiner Seite blind. Das heißt: Wir schützen vor Linksradikalen wie vor Rechtsradikalen“, betont Seehofer. Mit Blick auf Maaßen erklärt Seehofer: „Ich könnte auch sagen, ein Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz gibt keine Interviews.“ So wolle er das Amt aber nicht führen. Ein Spitzenbeamter müsse in der Lage sein, auch die Außenwirkung seiner Äußerungen zu überblicken.
+++ Seehofer warnt aber vor „Alarmismus“ mit Blick auf Ausspähversuche an Flughäfen in Paris und Stuttgart. Wenn Flughäfen ausgespäht würden, sei das eine ernste Herausforderung für die Sicherheitsbehörden, sagte Seehofer am Freitag in München. Es gebe Anlass, aufmerksam zu sein und zu warnen. „Je aufmerksamer wir sind, desto mehr können wir die Menschen beruhigen.“ Aufmerksam und wachsam sein, das sei die beste Prävention gegen Terror. „Die Aufmerksamkeit ist sicher an allen Flughäfen jetzt erhöht“, erklärte Seehofer. Es gebe aber bei anderen Flughäfen neben denen im Südwesten keine weitergehenden Erkenntnisse.
+++ Der Bundesinnenminister weist auch auf die Bedeutung der inneren Sicherheit für Deutschland hin. „Es gibt immer wieder schreckliche Ereignisse wie in Straßburg, die verdeutlichen, wie wichtig diese Sache ist. Wir haben die niedrigste Kriminalitätsrate seit 30 Jahren. Aber wir haben im Bereich Terrorgefahr die höchste Gefährungsstufe.“
+++ Seehofer bedauert den
Rücktritt von US-Verteidigungsminister Matthis
. Dieser sei ein wahrer „Pro-Europäer“: „Es ist schon ein Einschnitt, wenn ein solcher ausgewiesener Freund zurücktritt, weil er in diesen Fragen offensichtlich nicht mit seinem Präsidenten übereinstimmt.“
+++ Seehofer lobt zum Eingang der Fragerunde ausgerechnet Kanzlerin Angela Merkel (CDU), mit der er lange Zeit offenkundig ein schwieriges Verhältnis hatte. Mit Blick auf Unsicherheitsfaktoren in der internationalen Politik, etwa das Wirken von US-Präsident Donald Trump, erklärt Seehofer: „Deshalb bin ich auch in diesem Punkt froh, dass wir Angela Merkel. Denn sie hat diese Reputation und diese Stärke, um all diese Dinge zusammenzuhalten.“
fn (mit dpa)