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Lobby sogar im CDU-Vorstand: Verein erhebt Vorwürfe - neuer Telefon-Eklat um Abgeordneten?

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Von: Florian Naumann

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Friedrich Merz (Mitte) und Thomas Bareiß (re.) bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsrats der CDU.
Friedrich Merz (Mitte) und Thomas Bareiß (re.) bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsrats der CDU. © imago stock&people/Christian Thiel

Die CDU steckt mitten in einem Lobby-Eklat. Der Verein LobbyControl vermisst den Willen zur Aufklärung - und sieht eine weitere „problematische Konstruktion“.

Berlin - Masken-Affäre, Aserbaidschan, Amthor, Schleichwerbungs-Verdacht im Landwirtschafts-Ministerium - CDU und CSU machten in den vergangenen Jahren reichlich negative Lobby-Schlagzeilen. Die jüngsten Vorwürfe könnten sogar einen kleinen Teil zum Wahldebakel in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beigetragen haben. Probleme, die die Schwesterparteien im Superwahljahr dringend in den Griff bekommen sollten.

Vorerst setzt es aber weitere Vorwürfe. Der Verein LobbyControl hat am Dienstag den Druck zumindest auf die CDU noch einmal erhöht. Er bemängelte in einer Pressekonferenz nicht nur Versäumnisse bei der Aufarbeitung der Skandale der vergangenen Jahre - anderslautenden Bekenntnissen der Partei zum Trotz. Sondern richtete den Blick auch auf eine eigentlich altbekannte Institution: Den „Wirtschaftsrat der CDU“. In einer frisch vorgestellten Studie attestieren die Lobby-Experten den Christdemokraten heikle Praktiken.

CDU in der Kritik: Wirtschafsrat ins Visier - Merz „Top-Lobbyist“ und Lobby-Vertreter mit Sitz im Parteivorstand

Der Wirtschaftsrat werde in der Öffentlichkeit oft falsch wahrgenommen, erklärte Studienautorin Christina Deckwirth: Er sei nicht etwa ein Parteigremium, sondern ganz offiziell ein „Berufsverband“, habe aber dennoch ein „Scheinimage“ als Teil der Partei. Gleichwohl habe der Rat einen Platz im CDU-Parteivorstand inne. Damit seien „Lobbyisten“ in der Parteiführung vertreten. Zwar nicht mit Stimm-, aber immerhin mit Rederecht. Das sei „ein Unding“ und eine „problematische Konstruktion“, sagte Deckwirth. Zugleich blieben aufgrund der Konstruktion die Finanzen des Wirtschaftsrates weitgehend im Dunkeln und Steuervorteile möglich.

Eine konkrete Forderung richtete Deckwirth an das bekannteste Gesicht des Wirtschaftsrates: Friedrich Merz. Als Vizepräsident des Wirtschaftsrates sei der bekannte Konservative eigentlich „Top-Lobbyist“. Merz müsse den Posten aufgeben, wenn er weiter nach Top-Positionen strebe, meinte die Politikwissenschaftlerin. Im Januar hatte Merz ein Amt in der zweiten Reihe der Parteispitze allerdings ausgeschlagen.

Ins Visier nimmt LobbyControl in der Studie auch einen unlängst in Lobby-Angelegenheiten aufgefallenen CDU-Spitzenpolitiker: Thomas Bareiß, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Energie. Bareiß habe zwar keine offizielle Funktion im Wirtschaftsrat, trete auch über den Verband aber regelmäßig als Redner bei energiepolitischen Veranstaltungen auf - und sei bis zum Amtsantritt gar Mitglied im Beirat des Lobbyverbands der Gasindustrie „Zukunft Erdgas“ gewesen.

CDU unter Beschuss: Aufregung um Wirtschaftsrat - und den Abgeordneten Joachim Pfeiffer

Problematisch ist die enge Bindung an den CDU-nahen Verband aus Sicht von LobbyControl vor allem, weil der Wirtschaftsrat keinen Querschnitt der Ökonomie im Land abbilde, sondern gerade zu Fragen des Klimawandels „besonders jene Unternehmen und Akteure“ versammle, „die Klimaschutzmaßnahmen skeptisch gegenüberstehen, weil sie selbst in der fossilen Wirtschaft verankert sind oder Klimaschutz aus ideologischen Gründen ablehnen“.

Als weiterer Problemfall taucht in dem Papier der Abgeordnete Joachim Pfeiffer auf. Er gebe seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied im baden-württembergischen Wirtschaftsrat nicht auf seiner Bundestags-Homepage an - „ein klarer Verstoß gegen die Transparenzregeln des Bundestags“. Just am Dienstag gab es auch weitere Aufregung um Pfeiffer. Journalisten der Zeit riefen bei den zwei Unternehmen des CDU-Politikers an - und kamen nach eigenen Angaben im Wahlkreis-Büro Pfeiffers heraus. Ein Anwalt Pfeiffers dementierte die Verquickung. Auf Twitter waren allerdings Screenshots als Beleg zu sehen. Auch Google und das Branchenbuch führten weiterhin identische Nummern für Unternehmen und Abgeordneten-Büro. „Die Firmen nutzen also die Infrastruktur, die mit Steuermitteln finanziert wird“, folgerte die Zeit

Video: Wie weit gehen Lobbies wirklich?

Lobby-Skandal in der CDU: „Kein Wille zur umfassenden Aufklärung“?

Mit den jüngsten Bemühungen der CDU, heikle Lobby-Verbindungen aufzuklären, ging unterdessen Imke Dierßen, politische Geschäftsführerin des Vereins, am Dienstag ins Gericht. So sei Philipp Amthor trotz seines Eklats ohne Widerspruch aus der Partei zum Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern gekürt worden. Zudem sei noch immer ungeklärt, wofür genau er Aktienoptionen vom Unternehmen Augustus Intelligence erhalten habe. Die mutmaßlich in die Afghanistan-Ränke verstrickte - um vom Bundestag mit einer Geldstrafe belegte - Abgeordnete Katrin Strenz sei von der Fraktion nicht zum Niederlegen des Mandats aufgefordert worden. Es gebe „keinen Willen zur umfassenden Aufklärung“, sagte Dierßen.

Im Streit um neue Lobbyregeln versuche die Union zudem „minimale Zugeständnisse zu machen und Regeln zu verwässern.“ Auch der Wirtschaftsrat sei „Ausdruck einer nicht hinterfragten strukturellen Nähe der Union zu Unternehmen“, betonte sie. „Wir fordern: Abgeordnete dürfen nicht gleichzeitig Lobbyisten sein“. (fn)

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