Maischberger unterstellt Wissing Hintergedanken beim „Deutschlandticket“ – der widerspricht nicht

Bei Sandra Maischberger geht es um Verkehrswende, Bahn und CO2. Volker Wissing gerät mehrfach in Bedrängnis – und muss einmal Gelächter über sich ergehen lassen.
Berlin – Sandra Maischberger konfrontiert Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gleich mal mit der Verspätungsquote der Deutschen Bahn: „Nur 63 Prozent“ aller Zugfahrten seien im vergangenen Jahr pünktlich gewesen, sagt die Moderatorin in ihrem ARD-Talk vom Mittwoch. Zum Vergleich: In der Schweiz sind es 90 Prozent.
Wissing ist vorbereitet und gelobt Besserung. Er listet bereits geplante Baumaßnahmen auf. Darunter Erneuerungen kompletter Bahntrassen, die Wissing durch „Korridorsanierung“ – sprich: kurzzeitige Vollsperrungen – und „Umleitungsstreckenertüchtigung“ schnellstmöglich durchziehen will. Trotz der „Misere“ an einigen Stellen will der Liberale klarstellen, dass die Bahn „ein sehr gutes Verkehrsmittel und zu empfehlen“ ist. Er lobt auch die Zusammenarbeit mit dem Management, das ihm fast täglich von den Fortschritten der AG in Bundesbesitz berichte.
Bahn-Problem? Wissing sieht bei Maischberger eine „sehr ausgelastete“ Infrastruktur
Wissing warnt aber auch: Es gebe in Deutschland eine sehr „ausgelastete Infrastruktur“, die in der Vorgängerregierung „nicht ausreichend angepasst worden“ sei. Für seine Legislatur verspricht Wissing „vorausschauende Infrastrukturpolitik“.
Maischberger ist das zu schwammig, sie verlangt eine konkrete zeitliche Ansage: Wann sei die Bahn der Pünktlichkeit wiederhergestellt, möchte sie wissen und fordert ein Datum ein. Wissing windet sich, verweist erneut auf seine baulichen Maßnahmen. Schließlich sagt er: „2030“ – in sieben Jahren. Maischberger zieht die Augenbrauen hoch…
„Maischberger“ - diese Gäste diskutierten mit:
- Volker Wissing (FDP) - Bundesverkehrsminister
- Dr. Eckart von Hirschhausen - Mediziner, Klimaaktivist, Kabarettist, Buchautor
Als Experten:
- Petra Gerster - ehemalige „heute“-Moderatorin
- Jörg Thadeusz - Journalist und TV-Moderator, unter anderem beim RBB
- Ulrike Herrmann - taz-Wirtschaftskorrespondentin
Auch beim nächsten Thema lässt Maischberger den Verkehrsminister auflaufen. Als Wissing freudestrahlend sein „Deutschlandticket“ für das Frühjahr ankündigt, das so heiße, „weil man damit in ganz Deutschland fahren kann“, kratzt Maischberger den Lack ab: „Sie nennen es eben nicht ‚49-Euro-Ticket‘“, betont sie, und hält nicht hinterm Berg mit ihrem Verdacht: So könne man „jedes Jahr die Preise erhöhen. Am Ende ist es vielleicht ein ‚89-Euro-Ticket‘?!“ Wissing schaut überrumpelt und lässt den Teuerungsverdacht im Raum stehen.
Habeck und Wissing im Fernduell: Atomausstieg und Tempolimit zeigen Streitpunkte der Koalition
Dass es im Gebälk zwischen Grünen und FDP auch in Sachen Verkehrspolitik knarzt, soll ein Einspieler verdeutlichen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kritisiert Wissing darin mit deutlichen Worten: Statt ein „schlüssiges Verkehrskonzept“ vorzulegen, so Habeck, schlage „der Kollege Wissing immer Expertengruppen“ vor. Wissing bleibt äußerlich ruhig und teilt prompt in die andere Richtung aus: „Das ist ein bisschen merkwürdig“, merkt er an. Man habe im Kabinett vereinbart, dass Habecks Ministerium ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“ vorlege, doch „das hat er nicht geschafft“.
Maischberger sieht das anders: Habeck warte seit November auf die „Vorschläge“ aus dem Verkehrsministerium, wendet sie ein. Wissing streitet das ab, die seien bereits eingereicht, so der Minister – verschweigt allerdings, dass auch der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung sein Klima-Sofortprogramm erheblich kritisiert hatte. Maischberger gibt auf: „Wir lassen jetzt mal das Parteihickhack“, sagt sie und packt dann doch den nächsten Streitpunkt aufs Tableau: Atomausstieg.
Wissing bleibt sachlich: Bei der Frage müsse „zwischen Klimaschutz und Versorgungssicherheit“ entschieden werden, analysiert der Minister. Zweiteres gehe vor, denn Versorgungssicherheit sei „unverzichtbar“. Doch um sie zu gewährleisten, werde nun Kohle verstromt und damit „gigantische Mengen an CO2“. Wissing schlägt vor, stattdessen „die Kernenergie so lange nutzen, bis man eine CO₂-emissionsfreie Alternative hat“.
Wissing spricht sich bei Maischberger gegen Tempolimit aus
Bissiger wird es beim nächsten Thema: Tempolimit. taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann aus Maischbergers Experten-Runde kritisiert die Haltung der Ampel-Koalition dazu. „Die Mehrheit der Deutschen will ein Tempolimit“, meint die Journalistin ohne Nennung der Quelle. Hermann befindet: „Der Mehrheitswille“ werde ignoriert.
FDP-Mann Wissing macht keinen Hehl aus seiner Abneigung für eine flächendeckende Einführung von Tempo 100. Da gebe es viel bessere Maßnahmen, so der Minister. Maischberger ist nicht überzeugt. Deutschland habe erneut seine selbst gesetzten Klimaziele nicht eingehalten, mahnt die Moderatorin. Auch Wissing bestätigt, „270 Millionen Tonnen“ Klimagase müssten eingespart werden. Maischberger schaut den Minister skeptisch an und fragt nachdrücklich: Welche Maßnahmen ergreife das Ministerium konkret, um nicht erneut in die roten Klimazahlen zu rutschen?
Wissing ringt bei „Maischberger“ um CO2-Antworten – und erntet Gelächter
Wissing rattert wie ein Schuljunge das Auswendiggelernte runter: Ausbau und Erneuerung von Rad- und Fußwegen, die Einführung eines „Deutschlandtickts zum attraktiven Preis“, Ausbau der Ladesäulen für Elektroautos, Förderung von Wasserstoff-Brennstoffzellen und synthetischen Brennstoffen …
Maischberger ist das nicht konkret genug: „Wieviel Tonnen sparen Sie damit dieses Jahr ein“, will sie mehrfach wissen, doch Wissing weicht beharrlich aus. „So viel wie möglich“, antwortet er schließlich. Als das Publikum ihn für diese Antwort auslacht, setzt er hinterher: Bis 2030, so Wissing, werde man 270 Millionen Tonnen einsparen. Maischberger ist weniger begeistert: „Wir freuen uns auf ein Wiedersehen“, kündigt sie an, wenn die konkreten Zahlen vorlegen. Es klingt fast wie eine Drohung.
Fazit des „Maischberger. Die Woche“-Talks
Verkehrsminister Wissing hatte keinen leichten Stand in der Sendung, blieb trotz der harten Nachfragen souverän. Was in der Sendung unterging: Dass Klimaschutz ein dringliches Thema ist, haben wohl die meisten bereits verstanden. Schwieriger ist allerdings die Antwort auf die Frage: Wie der Wunsch nach Wohlstand damit vereinbar ist. (Verena Schulemann)