Merz eskaliert bei „Markus Lanz“: CDU-Chef sieht Deutschland überbevölkert

Am Silvesterabend wurden Rettungskräfte exzessiv und systematisch von jungen Männern angegriffen. Markus Lanz diskutiert mit Friedrich Merz, wie es dazu kommen konnte.
Zehn Tage nach dem Jahreswechsel ist Friedrich Merz immer noch fassungslos, wenn er an die Bilder aus Berlin und Nordrhein-Westfalen denkt, wo Einsatzkräfte unter anderem mit Böllern beworfen wurden. „Ich finde es grauenhaft. Ich bin erschrocken über die Gewalttätigkeit gegen die Polizei, gegen Rettungskräfte, gegen Unbeteiligte, private Familien, die da betroffen waren“, so der Bundesvorsitzende der CDU bei Markus Lanz.
Der Politiker führt das völlig „inakzeptable“ Verhalten auf eine zu lasche Strafverfolgung in den betroffenen Bundesländern zurück, die die Eskalation in den Brennpunkten befeuere. Es fehle dadurch an eindeutigen Signalen. Merz schlägt danach einen Bogen zu den Klimaprotesten in Lützerath, wo sich die Polizei ebenfalls tätlichen Angriffen ausgesetzt sieht.
Auch Lützerath wird zum Thema bei Markus Lanz
Die Journalistin Eva Quadbeck sieht bei Markus Lanz die Silvesterausschreitungen hingegen auf einem höheren Niveau – in Bezug auf die Gewalt – als die Proteste in Lützerath oder am 1. Mai. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einer „neuen Dimension“, weil Menschen angegriffen wurden, die Leben retten wollten. Sie plädiert außerdem dafür, der Ursachenforschung mehr Gewicht in dieser Diskussion zu verleihen.
Lanz nimmt sich diesen Vorschlag zu Herzen und fragt nach dem Grund für die jüngsten Krawalle. Der Soziologe Aladin El-Mafaalani stellt fest, dass Vertretern des Staates heutzutage kein uneingeschränkter Respekt mehr entgegengebracht wird. Die Folge ist ein kontinuierlicher Verlust der Autorität der Ordnungskräfte.
El-Mafaalani erkennt einen Trend. Die Bürger würden Strukturen viel mehr hinterfragen, was eigentlich eine positive Entwicklung ist, die sich durch alle Bildungsschichten zieht. Ausufernde Corona-Proteste oder Schlägereien bei Fußballspielen hätten allerdings gezeigt, dass dadurch der Respekt gegenüber Polizisten teilweise massiv gesunken ist. Beleidigungen und Angriffe stehen deshalb für viele Einsatzkräfte an der Tagesordnung.

Merz pocht noch einmal darauf, bereits kleine Vergehen härter zu bestrafen. Dies würde eine Signalwirkung zur Folge haben. Quadbeck stimmt dem CDU-Chef zu. Sie hält es für angemessen, schon in der Grundschule für klare Verhältnisse zu sorgen. Problemkinder sollten bei wiederholtem Fehlverhalten beispielsweise gemeinsam mit ihren Eltern ein Hausverbot erhalten.
„Markus Lanz“: Sind die Ausschreitungen das Resultat einer gescheiterten Integrationspolitik?
Der Moderator verweist darauf, dass in Berlin zwei Drittel der Täter aus der Silvesternacht aus Syrien oder Afghanistan stammen. Ist die missglückte Integration der Auslöser für die Krawalle gewesen? El-Mafaalani beantwortet diese Frage mit einem „Ja“, weil sich viele junge Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen. Dies sei keineswegs eine Entschuldigung für ihr Verhalten, wie der Bildungsexperte betont. Es stelle jedoch eine mögliche Ursache dar.
„Markus Lanz“ - das waren seine Gäste am 10. Januar
- Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender
- Eva Quadbeck, Chefredakteurin vom „RedaktionsNetzwerk Deutschland“
- Aladin El-Mafaalani, Soziologe und Bildungsexperte
- Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
Friedrich Merz drückt sich wiederum weniger zurückhaltend aus. „Wir haben es hier mit einem veritablen Problem mangelnder Integration junger Menschen zu tun, überwiegend mit Migrationshintergrund, überwiegend aus der arabischen Welt.“ Er wolle auf keinen Fall alle Migranten über einen Kamm scheren. Viele Migranten hätten sich hervorragend eingegliedert und müssten sich nun für die jüngsten Vorkommnisse schämen.
Friedrich Merz sieht in Migration den Grund für die Silvester-Krawalle
Einwanderer aus dem arabischen Raum lehnen es laut Merz aber häufig ab, die hiesigen Werte und Regeln zu respektieren. El-Mafaalani widerspricht. Darüber hinaus untergrabe die Namensabfrage, die die CDU nach der Silvesternacht getätigt hat, den Gedanken der Integration, weil er den Betroffenen aufzeigt, dass sie wegen ihrer Herkunft niemals dazugehören werden.
Marcel Fratzscher sucht die Ursache für die Ausschreitungen sowieso nicht nur bei der Migration. „Es hat etwas mit dem Umfeld zu tun, in dem die Menschen leben. Es hat etwas mit Chancen zu tun. Es hat etwas mit Zukunftsperspektiven zu tun“, so der Ökonom. Junge Menschen ohne Schulabschluss oder Ausbildung fühlten sich häufig vom Staat im Stich gelassen, weshalb sie den staatlichen Organisationen weniger Vertrauen entgegenbrächten.
Migration soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken
Fratzscher bewertet die Migration in der zunehmenden Debatte um den Fachkräftemangel in Deutschland überdies als Chance und viel weniger als Problem. Schon jetzt würden laut seiner Aussage knapp zwei Millionen Arbeitnehmer fehlen, Tendenz steigend. Aus diesem Grund müsse die Bundesrepublik für ausländische Fachkräfte attraktiver werden.
Merz widerspricht entschieden. In seinen Augen ist Deutschland jetzt schon überbevölkert: 84 Millionen Menschen lebten im Land, obwohl der vorhandene Platz nach seinen Berechnungen nur für 80 Millionen Bürger ausreicht. Ferner müssen stärker Kontrollen bei der Einreise erfolgen, denn: „Zuwanderung in die Sozialsysteme haben wir heute schon genug“, behauptet Merz.
Nachdem Fratzscher Merz daran erinnert, dass der demografische Wandel zu einem Bevölkerungsrückgang führen wird, räumt El-Mafaalani schließlich mit der Illusion vom perfekt ausgebildeten Migranten auf. Viele in Deutschland gesuchte Ausbildungen gebe es im Ausland gar nicht. Die Lösung des Soziologen sieht wie folgt aus: Zugewanderte Erwachsene müssen angelernt werden, während ihre Kinder in den Schulen ausreichend Zugang zu Bildung erhalten. Nur so könne Integration positive Resultate hervorbringen.
„Markus Lanz“ – Das Fazit der Sendung
Bei der Ursachenforschung für die Silvesterausschreitungen rückten zwei Gründe in den Fokus. Zunächst wurde dem Staat mangelnde Autorität attestiert. Die Gäste stimmten darin überein, dass die Verantwortlichen in Zukunft härtere Strafen für Verbrechen aussprechen müssen. Nur so könne der aktuelle Negativtrend gestoppt werden.
Weniger Einigkeit herrschte beim Thema Integration. In der Diskussion trat Friedrich Merz mehrfach als Mahner auf, der die Gefahren der (ungebremsten) Migration in den Vordergrund rückte. Die weiteren Anwesenden untermauerten hingegen den Wert der Zuwanderer, die allerdings wesentlich mehr Unterstützung vom Staat benötigen, um sich ausreichend anzupassen. (Kevin Richau)