Özdemir platzt wegen Baerbock-Spitze bei Lanz der Kragen: „Wenn es danach geht ...“
Armin Laschet ist Kanzlerkandidat der Union. Was das für den Bundestagswahlkampf bedeutet, diskutiert die „Markus Lanz“-Talkrunde ebenso wie das Infektionsschutzgesetz.
Hamburg - Die „Markus Lanz“-Talkrunde befasst sich am Dienstagabend zunächst mit der Kür Armin Laschets (CDU) zum Kanzlerkandidaten der Union. Dass sich der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) durchgesetzt hat, ist jedoch nicht allen in den Schwesterparteien recht.
Ein CDU-Mitglied, das sich für Söder stark gemacht hat, ist der Landesvorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner. Er sagt über Laschet als Kanzlerkandidat: „Ich bin nicht begeistert.” Der Grund dafür ist der, den Söder-Befürworter seit Tagen wiederholen: „Wenn man sich die Umfragewerte anschaut, hat man natürlich mit Markus Söder gute Chancen.”
Laschet setzt sich durch, CDU-Mann Wegner bei „Markus Lanz“: „Es wird ein schwieriger Wahlkampf“
Weil Wegner CDU-Mitglied ist, will Talkmaster Lanz von ihm wissen, wie es sich anfühle, „dem eigenen Parteivorsitzenden in den Rücken zu fallen“. Wegner lehnt diese Ansicht ab, er finde nicht, „dass ein starker Parteivorsitzender automatisch Kanzlerkandidat sein muss“. Sein Wunsch wäre gewesen, die Basis der Partei stärker in den Prozess der Kanzlerkandidatenkür einzubinden. Cem Özdemir (Grüne) versteht dieses Bedürfnis nicht: „Ich war ja auch mal Bundesvorsitzender meiner Partei. Wenn ich als Vorstandsmitglied nicht weiß, wie die Basis tickt, hat man vielleicht sowieso den falschen Job. Da brauche ich keinen Kreisvorsitzenden, das muss ich als Bundesvorstandsmitglied wissen.”
„Markus Lanz“ - das waren seine Gäste am 20. April:
- Manuela Schwesig (SPD) - Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommern
- Cem Özdemir* (Grüne) - Bundestagsabgeordneter
- Kai Wegner (CDU) - Landesvorsitzender der CDU Berlin
- Kristina Dunz – Journalistin
- Wolfram Weimer – Publizist
Für Journalistin Kristina Dunz hat die Union bei der Kür von Armin Laschet eine denkbar schlechte Figur gemacht: „Das war heute bildhaft so zu verstehen. Die Union ruft nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel einen neuen Kanzlerkandidaten aus. Der, der es geworden ist, steht alleine in Berlin und der, der sehr enttäuscht und mit der Faust in der Tasche zurückgezogen hat, steht alleine in München. Kein Jubel, kein gemeinsames Foto, kein Gefühl von Aufbruch. Und bei den Grünen sagt der eine der anderen: Das ist jetzt deine Bühne. Das fällt so stark ab gegen die Grünen.”
K-Frage in allen Parteien geklärt, Grüne als Musterschüler
Letztere haben sich unaufgeregt und abseits der Öffentlichkeit für ihre Kandidatin Annalena Baerbock entschieden, das entgeht auch Wegner nicht: „Das was die Grünen hingelegt haben, das war ja im Prinzip so wie wir das früher gemacht haben und wir haben es so gemacht, wie die Grünen früher.” Unterm Strich sei ihm dieser Entscheidungsfindungsprozess „ein wenig zu offen” gewesen. Der Publizist Wolfram Weimer sieht darin kein Problem, im Gegenteil: „Dass es solche Auseinandersetzungen in Parteien gibt, das ist für mich Wesen der Demokratie. Also, dass Parteien über wichtige Sachfragen, wichtige Personalfragen offen streiten – ehrlich gesagt, ich hätte gerne mehr davon.”
Annalena Baerbock fehlt es an Erfahrung? Cem Özdemir regt sich bei „Markus Lanz“ auf: „Das steht den Leuten bis hier“
Weimer macht dennoch einen Haken bei Baerbock aus, von dem später auch Talkmaster Lanz zu Özdemir sagt: „Das wird Ihnen doch immer wieder auf die Füße fallen.” Gemeint ist die Tatsache, dass die Kanzlerkandidatin der Grünen noch nie ein politisches Amt bekleidet hat, „nicht mal Oberbürgermeisterin” sei sie gewesen, wie Weimer feststellt. Bislang habe man sie wohlwollend beäugt, „das hat sich gestern geändert. Jetzt geht es darum, ob sie Kanzlerin kann“. Für ihn habe die Kandidatur diese „zentrale Schwäche: Sie wirkt wie Autofahren ohne Fahrstunden und Führerschein“.
Cem Özdemir platzt bei diesem Argument der Kragen: „Wenn es nach dem Erfahrungsargument geht, würde ich sagen: Der Scheuer ist ein großartiger Verkehrsminister, weil er es schon ewig macht. Ohne irgendeine Gegenleistung. Eine halbe Milliarde Euro Schwachsinns-Maut, von der mein elfjähriges Kind hätte wissen können, dass es verfassungswidrig ist. Seine Beamten haben es ihm gesagt, der Bundestag hat es ihm gesagt, unser wissenschaftlicher Dienst. Er hat es trotzdem gemacht, er musste nicht einmal zurücktreten. Diese Art von Erfahrung haben die Leute hier. Wir wollen frischen Wind, wir wollen Digitalisierung, wir wollen Klimaschutz. Das ist der Grund, warum wir gerade so erfolgreich sind und solange die anderen so weitermachen, wird sich nichts daran ändern.”
Corona-Maßnahmen in Mecklenburg-Vorpommern – Manuela Schwesig bei „Markus Lanz“: „Setzen um, was wir beschlossen haben“
Die gegen Ende der Talkrunde per Video zugeschaltete Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD), nutzt ihren Auftritt, um gegen die Union auszuteilen. Der Machtkampf zwischen Laschet und Söder sei „ein Schaulaufen“ gewesen, das auch die Ministerpräsidentenkonferenzen (MPK) zuweilen beeinträchtigt habe. Sie wehrt sich zwar gegen Lanz’ Ansicht, die MPK sei als Format gescheitert, „aber ich muss schon sagen, dass wir in der MPK immer wieder erlebt haben, dass es einen Machtkampf gab, wo man sich gefragt hat: Geht es um die Sache oder geht es um das Schaulaufen der beiden Kandidaten.”
Vom bundesweiten Infektionsschutzgesetz zeigt sie sich wenig beeindruckt: „Wenn ich jetzt das Bundesinfektionsschutzgesetz sehe, was es ja besser machen sollte, kann ich nur sagen: 14 Tage mit Ergebnissen, die weit hinter dem, was wir in Mecklenburg-Vorpommern für die Pandemie beschlossen haben, innerhalb von drei Tagen, mit der Opposition zusammen, dann kann ich nur ein Fragezeichen dran machen, ob der Weg der bessere ist.” Zustimmung findet sie hierfür sowohl von Özdemir („Jetzt kriegen wir ein Gesetz, das wird uns geradewegs nach Karlsruhe führen.”), als auch von Weimer („Dieses Gesetz braucht kein Mensch.”).
„Markus Lanz” - das Fazit der Sendung
Markus Lanz versucht zum Einstieg der Sendung, den CDU-Politiker Kai Wegner zu provozieren, hat damit allerdings wenig Erfolg. Wegner lächelt die Spitzen weg und zeigt sich kampflustig, immerhin will er Bürgermeister Berlins werden. Cem Özdemir (Grüne) macht ihm unterdessen vor, wie das mit der Unterstützung des eigenen Kanzlerkandidaten funktioniert. Er redet Annalena Baerbock stark, ohne ihren Widersacher Robert Habeck, der in einem Interview vom schmerzhaftesten Tag seiner Karriere spricht, dadurch kleinzumachen. Manuela Schwesig (SPD) hat auch einen Kanzlerkandidaten zu unterstützen - Olaf Scholz (SPD). Um das zu tun, geht sie für einen Moment sogar auf Konfrontation zu Özdemir, schließlich sei Scholz der erfahrenste der Kandidaten. Die beiden Journalisten Katarina Dunz und Wolfram Weimer tragen mit der ein oder anderen Spitzfindigkeit dazu bei, dass die Politiker engagiert für ihre Positionen und Kandidaten eintreten. *24hamburg.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA