Auffällig ist, dass es mehrere Kritik-Herde gibt: die Wirtschaftspolitiker aller Ebenen, das ist erwartbar angesichts harter Lockdown-Beschlüsse; dazu ein paar notorisch Unzufriedene. Es gärt aber auch in der Kommunalpolitik, die den Druck der Bürger direkt spürt. Etliche Bürgermeister und Landräte auch aus Oberbayern gehen Söder derzeit von der Fahne – oft argumentativ, seltener radikalisiert.
Der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer zum Beispiel rät dringend zu Lockerungen auf Kreisebene bei Inzidenzen unter 35. Sonst würden „immer mehr Menschen nicht mehr gewillt sein, den Kurs mitzugehen, weil sie feststellen: Obwohl die Zahlen sinken, passiert nichts.“ Sein Stellvertreter, ebenfalls CSU, fordert Schulöffnungen und wirft Söder öffentlich vor, „Kinder zu verachten“. Der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß kritisiert die neue Zielmarke von 35 und die Haushalt-plus-eins-Kontaktlimits. Die Menschen seien „mürbe“, sagt er. Die CSU München fordert mehr Lockerungen. Und mehrere Kreisvorsitzende der Jungen Union, früher nahe am Söder-Jubelclub, verbreiten im Netz offen Kritik. Einige berichten hinterher, von Söders Vertrauten schnell harsche SMS bekommen zu haben. Dämpfend wirkt das aber offenkundig nicht mehr. Auch Umfragewerte für Söder sinken.
„Wir haben den Scheitelpunkt überschritten“, sagt ein langjähriger Funktionär. Die Zahl der Austritte steige in mehreren Kreisen seit zwei Monaten spürbar, vor allem im Umfeld des Einzelhandels. Offizielle Zahlen reichen bisher nur bis Ende 2020 und sind moderater: minus zwei Prozent auf 137.010 landesweit, weil zuvor viele Menschen auch wegen Söders Kurs in die CSU eintraten.
Ilse Aigner, die Chefin der Oberbayern-CSU, spricht von einem Marathon bei Corona*. „Auf den letzten fünf Kilometern geht irgendwann die Luft aus, von Kilometer zu Kilometer wird die Gefühlslage schwieriger.“ Aigner hatte vehement von Söder eine Öffnungsperspektive eingefordert und damit seinen Unmut erregt. Sie lobt nun auch klar seine jüngste Regierungserklärung („empathisch“) mit seinen Öffnungs-Andeutungen und der Entschuldigung bei der Kulturszene.
Was nun? In ähnlich heikler Lage pflegten Söders Vorgänger stets Basiskonferenzen einzuberufen, stundenlange Dialogtouren durch alle Landesteile. Auch hier das Passau-Problem: Präsenztermine sind ja verboten.
Vorwürfe der Missachtung von Kinderbedürfnissen gibt es unterdessen auch an die Adresse Kanzlerin Angela Merkel, wie hamburg24.de* berichtet. Das Corona-Geschehen in Bayern können Sie stets in unserem aktuellen News-Ticker verfolgen.*Merkur.de und hamburg24.de Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.