Ausgerechnet vor brisantem Habeck-Treffen: Söders Windkraft „auf dem Nullpunkt“

Das dürfte weder Habeck noch Söder gefallen: Kurz vor dem Treffen in München verstärken neue Zahlen zu Bayerns Windkraft die Diskrepanzen zwischen CSU und Grünen.
München - Robert Habeck will mehr erneuerbare Energien in Deutschland. Allen voran mehr Windkraft. Deshalb geht der Grünen-Politiker auf Deutschlandreise - er will mit den Landesregierungen seine Mission besprechen. Am Donnerstag (20. Januar) startet Habecks Unterfangen. Der Vizekanzler reist nach Bayern. Das ist kein Zufall.
Schließlich spielt die Windenergie im Freistaat seit Jahren keine große Rolle. Das zeigen aktuelle Zahlen. Die Kritik von Grünen und SPD an der bayerischen Landesregierung wird damit größer. Doch die CSU bleibt wohl bei ihrem Kurs. Ob sich Habeck und Söder annähern, scheint fraglich.
Habeck-Treffen in München: Ausbau von Bayerns Windkraft erreicht neuen Tiefpunkt
Bayerns Windkraftbilanz sieht ziemlich düster aus: Der Ausbau hat vergangenes Jahr einen neuen Tiefpunkt erreicht. Zwar wurden in den ersten drei Quartalen immerhin noch sechs neue Anlagen genehmigt, im gleichen Zeitraum wurden aber erstmals seit Einführung der umstrittenen 10H-Abstandsregel keine neue Genehmigungsanträge für neue Windräder gestellt. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor. Zum Vergleich: 2012 wurden 271 Genehmigungsanträge gestellt, 2013 waren es 400, 2014 waren es 220 und 2020 lediglich 3.
Bayern hat mit der 10-H-Regel die bundesweit strengsten Bestimmungen. Ein Windrad braucht einen Abstand von mindestens 10 Mal seiner Höhe zur nächsten Siedlung. In der Regel sind das bei einer Höhe von durchschnittlich 200 Metern zwei Kilometer, wodurch der Bau von Windrädern stark erschwert wird. Der frühere CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer hat die Regel 2014 eingeführt.
10h-Regel: Söder und die CSU gehen auf Konfrontation - „daran wird nicht gerüttelt“
Die Grünen wollen die 10-H-Regel seit Jahren kippen. „Bei der Windkraft sind wir in Bayern jetzt auf dem Nullpunkt angelangt“, sagt der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Martin Stümpfig, der dpa. Die Windkraft müsse nun „endlich durch Abschaffung von 10H zum Leben erweckt werden.“
Die CSU sieht die Sache ganz anders. Wenige Stunden nach Habecks Klimavorstoß in der verangenen Woche meldete sich Generalsekretär Markus Blume zu Wort. „An der 10-H-Regel wird nicht gerüttelt. Die bayerische Regelung zur Windkraft sichert Akzeptanz und sorgt für Bürgerbeteiligung.“ Der Regierungspartner ist gesprächsbereiter. Die Freien Wähler könnten sich einen Ausbau der Windenergie unter bestimmten Voraussetzungen vorstellen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger denkt über mehr Windkraft in Wäldern nach. Freie-Wähler-Umweltminister Thorsten Glauber plädierte schon im Mai für eine Abkehr von 10-H. Doch das geht nicht ohne den mächtigeren Regierungspartner - und der bleibt wohl hart.
Söder will Habeck Energieplan vorstellen - und verteidigt Bayerns Energiepolitik
Ministerpräsident Markus Söder zeigte sich im Interview mit dem Münchner Merkur skeptisch was eine Abkehr von 10-H betrifft. „Zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft sind ungefähr 200.000 Fußballfelder in allen Teilen Bayerns. Gerade in Oberbayern würde das Landschaftsbild von solchen Dimensionen massiv beeinträchtigt werden.“ Habeck hatte gefordert, man brauche deutschlandweit zwei Prozent der Fläche für neue Windkraftanlagen.
Der Franke verteidigt seine Energiepolitik. „Bayern ist bei jeder erneuerbaren Energie an der Spitze – bis auf den Wind“, argumentierte der CSU-Chef. Dies liege „an der Topographie“, nicht an fehlendem politischen Willen oder 10-H . Söder werde Habeck seinen Energieplan vorstellen. „Im Kern heißt das: Stärken stärken, nicht alles gleichmachen und Bayern nicht nur durch eine norddeutsche Brille betrachten. Unsere Potenziale sind Sonne, Wasser und Geothermie.“
Windkraft in Bayern: SPD fordert Regierungserklärung von Söder
Die Grünen ärgern sich über diese Argumentation. „Das funktioniert nicht“, meinte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann im Interview mit dem Münchner Merkur. „Selbst mein sechsjähriger Sohn versteht, dass um 18 Uhr abends die Sonne untergeht, der Wind am S-Bahnhof aber auch im Dunkeln noch um die Ecke pfeift. Wir brauchen beides, weil es nur so rund um die Uhr saubere Energie gibt. Wind und Sonne ergänzen sich wunderbar.“
Gegenwind kommt auch von der Bayern-SPD. Die Oppositionspartei fordert von Söder sogar eine Regierungserklärung zur Energieversorgung des Freistaats. „Ministerpräsident Markus Söder und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger müssen die Frage beantworten, wie in Bayern Wirtschaft und Verbraucher mit klimaneutraler Energie zu bezahlbaren Preisen versorgt werden sollen“, sagte SPD-Fraktions- und Landeschef Florian von Brunn der dpa. Die SPD ist für die Abschaffung der 10-H-Regel, notfalls auch über eine Änderung des Bundesrechts. Hartmann meint: „Ich würde mir wünschen, dass Markus Söder vorher nachgibt. Aber wie ich ihn kenne, wird es wohl Berlin korrigieren müssen.“ (as)