Droht die „chinesische Peitsche“? Klingbeil amüsiert Journalistin mit deutschem „Führungs“-Anspruch

US-Experte Peter Rough warnt Deutschland bei Maybrit Illner vor der „chinesischen Peitsche“. Nicht nur deshalb will SPD-Chef Lars Klingbeil klare Regeln.
Berlin – Maybrit Illner eröffnet ihre Diskussionsrunde am Donnerstagabend mit den Midterms in den USA. Der zugeschaltete US-Politologe Peter Rough spricht von einem „enttäuschenden Abend für die Republikaner, aber auch für ganz Amerika“. Rough steht den Republikanern nahe und fungierte als Berater des Ex-Präsidenten Donald Trump – insofern scheint die Einschätzung nachvollziehbar.
„Diese Unzufriedenheit, diese Sehnsucht nach etwas anderem, ist der eine Lichtstrahl im Dunklen für die Republikaner“, sagt Rough. Der „Lichtstrahl“ hat offenbar einen Namen: Ron DeSantis – Republikaner bis ins Mark, mit Abschlüssen aus Harvard und Yale. „Ein Trump mit Hirn“, wie er im Einspieler genannt wurde. DeSantis holte in Florida einen fulminanten Sieg mit dem besten Ergebnis für die Republikaner seit weit mehr als 100 Jahren.
„Maybrit Illner“ - diese Gäste diskutierten mit:
- Lars Klingbeil – SPD-Parteichef
- Christian Lindner – Bundesfinanzminister und FDP-Chef
- Peter Rough – US-Politologe
- Ulrike Malmendier – Mitglied des Sachverständigenrates
- Helene Bubrowski – FAZ-Journalistin
Finanzminister Christian Lindner (FDP) bewertet die Situation anders: „Die Vereinigten Staaten werden in den nächsten Jahren schwer aus- und berechenbar sein“, vermutet er. Lindner blickt mit Sorge auf die politische Gemengelage in den Staaten, wo sich Demokraten und Republikaner hart bekämpfen. „Feindschaft bis hin zu Vernichtungsfantasien in Amerika sollten für uns ein abschreckendes Beispiel sein, unsere politische Kultur zu pflegen“, mahnt der FDP-Chef.
Bubrowski kontert Klingbeil: Forderungen sind acht Jahre alt
Sein SPD-Pendant Lars Klingbeil ist sehr froh, dass „aktuell Joe Biden im Weißen Haus sitzt und nicht Donald Trump“. Keiner wisse, was in zwei Jahren passiert. „Bei der weltpolitischen Lage, dem Verhalten der USA und China, ist es umso wichtiger, dass Deutschland eine Führungsverantwortung übernimmt“, sagt Klingbeil.
Diese Aussage bringt FAZ-Journalistin Helene Bubrowski zum Lachen. Bereits 2016 sei unter der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem Bundespräsidenten Joachim Gauck genau dieses Vokabular benutzt worden sei, auch mit Blick auf die militärische Ausstattung. „Da klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander“, stellt Bubrowski fest. „Was folgt daraus?“, fragt die Juristin rhetorisch, „ein 100-Milliarden-Paket, ja.“ In ihren Augen ist das allerdings nicht genug: „Man muss die Konflikte in Europa auch lösen und sich nicht bloß beteiligen.“
Da macht Lindner große Augen. Er betont, dass die Steuerzahler in Deutschland den zweitgrößten Anteil an finanziellen Mitteln für die Ukraine bereitstellten, an Nummer eins stehe die USA. Auch der ukrainische Haushalt werde dadurch überhaupt erst am Laufen gehalten. Das Volumen werde auf drei Milliarden US-Dollar im Monat beziffert.
Rough hat klare Antwort für Habeck: „Dann muss man das eventuell regulieren“
Maybrit Illner konfrontiert Rough mit der Klage von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über US-„Mondpreise“ für LNG-Gas und mangelnde Solidarität. „Das ist letztlich ein Resultat von Angebot und Nachfrage. Wenn einem das nicht gefällt, müsste man das eventuell regulieren“, sagt Rough nüchtern.
Die Moderatorin schwenkt nun auf ein anderes Thema um. Die USA haben ein 430-Milliarden-Euro-Paket aufgesetzt, „um europäische Unternehmen abzuwerben“, wie Illner sagt. Lindner empfindet dieses Subventionspaket als „protektionistische Handelsbarriere, die allerdings eher gegen China gerichtet ist als gegen die Europäische Union“.
„Illner“: Lindner hat Verständnis für abwandernde Unternehmen
Illner entgegnet, dass beispielsweise Tesla öffentlich überlege, die Batterieproduktion nach Amerika zu verlegen. Lindner schüttelt den Kopf: „Ich kann es keinem privaten Investor verübeln, wenn er den für ihn attraktivsten Standort wählt.“ Deutschland müsse dabei auf sich selbst schauen und Maßnahmen in die Wege leiten, um sich als Industriestandort zu stärken. „Einfachere Planungs- und Genehmigungsverfahren, Einwanderungsgesetze, Steuergesetze, digitale Verwaltung“, zählt Lindner auf.

Dabei stellt die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier klar, dass „Deutschland nicht so locker flockig Subventionen vergeben kann wie die USA“. Aufgrund der EU-Mitgliedschaft müssen die entsprechenden Regeln eingehalten werden. „Man muss jedes Mal nach Brüssel gehen und schauen, ob das durchsetzbar ist“, sagt sie.
Nach einer Dreiviertelstunde abstrakter Diskussion, wird es dann nochmal konkret: Es geht um den Verkauf eines Teiles des Hamburger Hafens an das chinesische Unternehmen Cosco. „Interessant, dass so eine kleine Beteiligung zu so einer großen Diskussion geführt hat, wo doch andere Häfen in Europa komplett in chinesischer Hand sind“, wundert sich Malmendier. Das sei aber der Situation der Stunde geschuldet: „Wir hatten alle solche Flashbacks, dass dort schon wieder eine Abhängigkeit entstehen könnte.“ Die Debatte sei allerdings gut und zeige, dass man aus der Vergangenheit gelernt habe.
Klingbeil froh über Diskussion wegen Chinesen-Einstieg in Hamburg
Dem pflichtet Klingbeil bei: Es sei richtig gewesen, dass am Beispiel Hamburger Hafen die Debatte gestartet ist, nun müsse es aber auch zu klaren Beschlüssen kommen. „Es braucht klare Strategien, klare Festlegungen, in welchen Bereichen die Chinesen draußen bleiben“, zeigt der SPD-Chef klare Kante.
Das Schlusswort bekommt Rough, der vor jahrzehntelangem Streit zwischen China und USA warnt. „In Peking wird Zuckerbrot gebacken für die Deutschen. Und das mag vielleicht verlockend klingen, aber dann kommt irgendwann eben auch die chinesische Peitsche“, sagt der Republikaner. Das habe man in den USA schon gespürt. „Man denke an die Filmindustrie oder an die NBA, die üben jetzt schon Selbstzensur, weil sie Angst haben, dass sie den chinesischen Markt verlieren“, beschreibt Rough. Er spricht von einer „dunklen Zukunft“ – dem von ihm eingangs der Sendung beschriebenen „Lichtstrahl“ zum Trotz.
Maybrit Illner – Fazit der Sendung:
Aus europäischer Sicht sind die Midterms in den USA glimpflich ausgegangen. Auch wenn Peter Rough darlegt, warum das Ergebnis erschütternd sein soll. Trotzdem fährt keiner der Gäste eine Kampflinie gegen den Republikaner, sodass die Gespräche lange Zeit nebenherlaufen, aber nicht konfrontativ sind. Erst als es um China geht, nimmt die Diskussion an Fahrt auf. Dabei überrascht der sonst sehr diplomatische Lars Klingbeil mit seiner klaren Haltung zum Einstieg chinesischer Unternehmen auf deutschem Boden. (Christoph Heuser)