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Umfrage-Klatsche für Putins Krieg: Daten aus russischer Geheimdienst-Erhebung sickern durch

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Von: Marcus Giebel

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Wladimir Putin sitzt an einem Tisch und liest ein Blatt Papier
Unerfreuliche Umfrageergebnisse: Ob Wladimir Putin wirklich interessiert, wie die russischen Bürger zum Ukraine-Krieg stehen? © IMAGO / SNA

Wladimir Putin konnte sich bei seinen Kriegs-Plänen in der Ukraine des Rückhalts in der Bevölkerung sicher sein. Doch der bröckelt offenbar deutlich. Nur: Kümmert den Kreml-Chef das überhaupt?

München - Das Ende des Ukraine-Kriegs scheint gerade vor Beginn des Winters noch fern. Doch es wird von immer mehr Menschen herbeigesehnt. Anscheinend auch in Russland - was Wladimir Putin gar nicht schmecken dürfte. Das in Lettland ansässige russische Nachrichtenportal Meduza berichtet von einer Umfrage im Auftrag des Kreml, bei der sich 55 Prozent der Beteiligten für Friedensgespräche mit der Ukraine ausgesprochen hätten.

Demnach seien lediglich 25 Prozent für eine Fortsetzung der Kampfhandlungen. Die vom föderalen Sicherheitsdienst FSB abgehaltene Befragung sei im Kreml eigentlich nur für den internen Gebrauch bestimmt gewesen. Bei einer vergleichbaren Umfrage im Juli hätten noch lediglich 30 Prozent den Frieden gewählt.

Ukraine-Krieg: Schon in russischer Umfrage im Oktober mehr als die Hälfte für Friedensgespräche

Seither mussten die russischen Truppen jedoch viele Rückschläge einstecken, mussten beträchtliche Teile der zu Beginn der Invasion eroberten Gebiete in der Ukraine aufgeben. Auch die plötzliche Teilmobilisierung nach fast einem halben Jahr Krieg dürfte vielen Russen die Augen geöffnet haben.

Meduza berichtet auch von einer Umfrage des Levada-Zentrums, dem einzigen unabhängigen Meinungsforschungsinstitut in Russland. Darin seien schon im Oktober 57 Prozent der Teilnehmer „für“ oder „eher für“ Friedensgespräche gewesen, lediglich 27 Prozent „für“ oder „eher für“ das Festhalten am Krieg.

Polizisten zerren eine Frau über einen Fußweg
Gefahr für die innere Sicherheit? Gemeinsam zerren vier Polizeikräfte eine junge Demonstrantin durch Moskau. © IMAGO / ITAR-TASS

Putin und der Ukraine-Krieg: Russen fürchten sich wohl vor eigener Beteiligung

Allerdings muss bei der zunehmenden Abneigung der Russen gegen den Krieg offenbar unterschieden werden. So sträuben sich die Bürger dem Levada-Leiter Denis Volkov zufolge davor, selbst an der sogenannten militärischen Spezialoperation teilnehmen zu müssen. Die Unterstützung der Feindseligkeiten gegenüber dem Nachbarstaat sei dagegen weiter groß.

Lange Zeit hätten die Russen die Invasion als eine Entscheidung des Staats empfunden, die sie nicht direkt betraf. Vielmehr gingen sie davon aus, künftig besser leben zu können, ohne selbst wirklich dazu beitragen zu müssen. Nun habe sich das Blatt aber gewendet, weil Putin immer mehr Männer an die Front schicken muss, um den Kollaps auf dem Schlachtfeld zu verhindern.

Doch nach wie vor würden die meisten Russen den Behörden die Entscheidung über Friedensverhandlungen überlassen. Mutmaßlich auch, weil viele es gar nicht gewohnt sind, ihrer Meinung gegenüber dem Staatsapparat nachhaltig Ausdruck zu verleihen.

Russland und der Ukraine-Krieg: „Protestpotenzial ist bereits sehr hoch“

Dennoch kann diese Entwicklung für Putin und seine Vertrauten noch zum Problem werden. Daher sollen die Behörden planen, die Zahl der veröffentlichen Umfragen zur Meinung der Bürger zum Krieg einzuschränken. Dies will Meduza von zwei Quellen erfahren haben, die der Präsidialverwaltung nahestehen.

Zitiert wird auch der Soziologe Grigorij Judin, der von einer „apathischen“ Unzufriedenheit mit dem Kriegsverkauf spricht. Er sieht dennoch die Gefahr von öffentlichen Protesten, wie es sie bereits in den Tagen der Teilmobilisierung vereinzelt gab: „Das Protestpotenzial in Russland ist bereits sehr hoch. Wenn sich Gelegenheiten ergeben, wird es Proteste geben. Es ist möglich, dass es nicht mehr lange dauern wird.“

Wie Meduza aus kremlnahen Quellen erfahren haben will, gehen die Behörden jedoch nicht von zeitnahen Massenprotesten wegen des Kriegs aus. Allerdings seien sie auch der Meinung, die Stimmung sollte nicht zusätzlich aufgeheizt werden. So seien staatliche und kremlnahe Medien dazu angehalten worden, sich bei der Berichterstattung auf positive Aspekte zu konzentrieren.

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Putins Pläne in der Ukraine: Kreml-Chef könnte neue Mobilisierung im Winter vorbereiten

Die Bürger sollen also bei Laune gehalten werden und sich nicht in Putins Pläne einmischen. Ohnehin glaubt der politische Analyst Wladimir Gelman nicht, dass Umfrageergebnisse Einfluss auf ein mögliches Ende der Kampfhandlungen haben werden. Friedensgespräche würden allein vom Verlauf des Kriegs abhängen, wobei er auch das Gefühl habe, Moskau sei gegenüber der Ukraine „zu keinerlei Zugeständnissen bereit“.

Dies bestätigt auch Meduza. Demnach versuche Putin mit Andeutungen für Verhandlungen lediglich, Zeit für die Vorbereitung einer neuen Offensive zu gewinnen. Laut dem Kreml nahestehenden Quelle habe der russische Präsident seine Pläne keinesfalls aufgegeben. Zudem sei eine weitere Mobilisierung im Winter eine Option. Von einem möglichen Frieden also offenbar keine Spur. Putin scheint sich von seinem Weg nicht abbringen zu lassen - koste es die beiden direkt beteiligten Länder, was es wolle. (mg)

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