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„Menschen vertrauen uns nicht“: SPD hadert vor Klausurtagung - und will grün werden

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Nach der Landtagswahl in Bayern - SPD
Nach der Landtagswahl in Bayern - SPD © dpa / Carsten Koall

Von „Neuanfängen“ ist in der SPD viel die Rede - bislang hadert die Partei aber. Ein mögliches Vorbild sind offenbar die Grünen. Unterdessen geht Nahles gegen interne Kritiker in die Offensive.

Berlin/München - SPD-Vize Ralf Stegner hat seine Partei vor der anstehenden Klausurtagung vor einer neuen Personaldebatte gewarnt. Im ARD-„Morgenmagazin“ sagte er am Freitag: „Wir haben damit keine guten Erfahrungen gemacht, ständig die Spitze auszutauschen. Und ich halte auch von der Devise nichts: Wenn die Dinge gut laufen, dann waren es alle, und wenn sie schlecht laufen, war es die Chefin.“

Bisher wird Parteichefin Andrea Nahles von ihren Kollegen im Präsidium und im 45-köpfigen Vorstand nicht offen in Frage gestellt - eine klare Forderung nach einer Ablösung gab es allerdings aus Bayern, wie Merkur.de* berichtete. Nahles geht gegen ihre Kritiker in die Offensive. In der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag) forderte sie mehr Ehrlichkeit und Offenheit. Sie führe die Partei mit all ihrer „Kraft, Leidenschaft und Zuversicht“, sagte Nahles, „wenn jemand meint, es schneller oder besser zu können, soll er sich melden“.

Am Sonntagabend trifft sich das Präsidium, am Montag dann der Vorstand zu der Klausur. Entwickelt werden soll ein Zukunftskonzept, zudem sollen Leitlinien für eine bessere Arbeit und Sichtbarkeit in der Koalition beschlossen werden.

Vor der Klausurtagung: Schulze und Miersch wollen die SPD grüner machen

Oben auf der Agenda steht dabei offenbar auch das Thema Umweltschutz - möglicherweise nicht zuletzt aufgrund der Wahlerfolge der Grünen bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen. In beiden Bundesländern waren die Grünen vor der SPD gelandet. In Bayern sehr deutlich, in Hessen äußerst knapp.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze mehr Mut ihrer Partei in der Umweltpolitik. „Gerade die jungen Wähler verstehen, dass es ohne Umwelt- und Klimaschutz nicht geht“, sagte Schulze der Deutschen Presse-Agentur. Die Sozialdemokraten seien in der Umweltpolitik „lange nicht entschieden und mutig genug“ aufgetreten. „Das werden wir jetzt ändern“, kündigte sie an. „Die Partei wird sich künftig stärker zu Wort melden, wenn es um den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen geht.“ Die SPD solle als Partei wahrgenommen werden, die Umweltschutz und gute Arbeit zusammenführe.

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch hat seine Partei aufgerufen, dem Klima- und Umweltschutz wieder mehr Gewicht beizumessen. Die SPD habe diese Themen zuletzt vernachlässigt, sagte der dem linken Parteiflügel zugerechnete Fraktionsvize den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. „Ich halte das für völlig absurd." Die Sozialdemokratie habe den Eindruck erweckt, "Umweltschutz und wirtschaftliche Vernunft würden im Gegensatz stehen", beklagte Miersch. Das sei für ihn sehr schmerzlich gewesen.

SPD-Vize Kohnen macht grundsätzliches Problem aus: „Menschen vertrauen der SPD einfach nicht...“

Die bayerische SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen hat unterdessen von ihrer Partei allgemein mehr Konsequenz bei politischen Zielen und deren Umsetzung gefordert. Sehr vielen Menschen gefielen die Positionen der SPD, aber sie "vertrauen einfach nicht, dass die SPD das, was sie sagt, dann auch tut", sagte Kohnen am Freitag im Bayerischen Rundfunk. Ihre Partei habe es jahrelang versäumt, sich klar aufzustellen.

"Da müssen wir wirklich ran, in den verschiedensten Bereichen", sagte Kohnen. Angesichts dramatisch gesunkener Zustimmungswerte und drastischen Stimmenverlusten bei den jüngsten Landtagswahlen in Bayern und Hessen kommt die SPD-Spitze am Sonntag zu einer zweitägigen Krisenklausur zusammen. Dort will sie eine Gegenstrategie beraten.

Wahlschlappen und Bewegung bei der CDU: Lage bei der SPD scheint trist

Kohnen forderte unter anderem klare Zielbestimmungen bei sozialen Themen. "Wir müssen jetzt einfach klare Positionierungen dorthin treffen, was ist eigentlich der Sozialstaat." Die müsse die SPD "aber auch durchhalten und nicht auf dem halben Weg stehenbleiben oder in irgendwelchen Kompromissen unkenntlich werden", sagte sie.

Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat übrigens derzeit keinerlei Ambitionen, SPD-Vorsitzender zu werden. Er will sich nach eigener Aussage am Montag auf der Klausurtagung dafür einsetzen, den Parteitag vorzuziehen - in die erste Jahreshälfte 2019. Auf diesem Parteitag stünden dann auch Wahlen für den SPD-Vorsitz an.

Kühnert will nicht SPD-Chef werden: „Da hätte die Partei wirklich ein ganz gehöriges Problem“

„Wenn sich eine Partei dazu genötigt sähe, den Vorsitzenden ihrer Jugendorganisation an die Spitze zu nehmen, dann hat sie wirklich ein ganz gehöriges Problem“, sagte Kühnert im Radio-Programm SWR Aktuell. „Andrea Nahles ist mit Sicherheit nicht diejenige, die für den Zustand der SPD allein verantwortlich ist. Wer glaubt, man müsse sie nur austauschen, und dann wird schon alles besser werden, irrt sich ganz gewaltig“, sagte Kühnert.

Angesichts der Stimmenverluste bei den Wahlen in Hessen und Bayern und dem bundesweiten Umfrageabsturz auf 14 Prozent wächst in der SPD der Druck auf Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz, eine Wende herbeizuführen. Der Erneuerungsschwung bei der CDU durch den geplanten Rückzug Angela Merkels nach 18 Jahren von der Parteispitze lässt die Lage bei der SPD derzeit noch trister aussehen.

Bewegung gibt es unterdessen auch bei der CSU. Die Christsozialen scheinen ihren Nachfolger für Parteichef Horst Seehofer gefunden zu haben, wie Merkur.de* berichtet.

dpa/AFP/fn

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