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Corona-Krise: Staatschef berichtet von Telefonat mit Merkel - inklusive privater Beschwerde der Kanzlerin

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Von: Marcus Giebel

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Angela Merkel muss in der Corona-Krise ein besonders dickes Fell haben. Von allen Seiten prasselt Kritik auf die Kanzlerin ein. Wie nahe ihr das geht, verdeutlicht Kanadas Premierminister Justin Trudeau.

München - Spätestens jetzt dürfte es Angela Merkel dämmern: Die letzten Monate ihrer 16-jährigen Amtszeit als Bundeskanzlerin werden die schwierigsten überhaupt. Denn in der Corona-Krise wird jedem Einzelnen Enormes abverlangt. Nicht selten bis an die Grenze der Zumutbarkeit.

Kleine und mittelständiche Unternehmen bangen um ihre Existenz. Kinder und Jugendliche müssen sich in den eigenen vier Wänden mit dem Unterrichtsstoff auseinandersetzen - und damit weit weg von Freunden. So manche Familie wird auseinandergerissen, die Mitglieder sehen sich wochenlang nicht. Freundschaften werden auf eine harte Probe gestellt, von Fernbeziehungen ganz zu schweigen.

Merkel in der Corona-Krise: Plötzlich plaudert Trudeau über „wunderbares Telefonat mit Merkel“

Die Pandemie ist für Deutschland eine Belastungsprobe. Und Merkel muss das Land durch alle Unwägbarkeiten manövrieren, die da lauern. Dabei gibt es keinen goldenen Weg. Merkel weiß das. Und das geht an die Nieren.

Wie sehr die öffentlich meist distanziert und emotionslos auftretende 66-Jährige unter dieser schweren Bürde leidet, verdeutlichte nun Justin Trudeau. Wenn auch mutmaßlich nicht mit Merkels Segen. Bei einer Ansprache an seine Nation plauderte der kanadische Premierminister plötzlich aus dem Nähkästchen. Er verriet: „Ich hatte gestern ein wunderbares Telefonat mit Angela Merkel, in dem sie sich gewissermaßen beschwerte, dass sie jeden Tag in deutschen Medien kritisiert wird, weil es nicht so gut läuft wie in Kanada.“

Justin Trudeau steht mit Handschuhen und einem Zettelstapel in der Hand vor einer Tür.
Auch in Kanada könnte die Impfkampagne besser laufen: Premierminister Justin Trudeau kann sich gut in Angela Merkel hineinversetzen. © Adrian Wyld/dpa

Merkel in der Corona-Krise: Tief blickender Satz beim Streit über Strategie bei Schulen und Kitas

Interessant: Der Auftritt hat bereits am Dienstag stattgefunden. Also muss das Gespräch der beiden Staatschefs vor dem jüngsten Corona-Gipfel im Kanzleramt stattgefunden haben. Bei dem sich Merkel vehement gegen Kritik an ihrer Politik zur Wehr setzte. Bis hin zu dem Satz, der besonders tief blicken lässt: „Ich lasse mir nicht anhängen, dass ich Kinder quäle.“ Gefallen in der mehrstündigen und anscheinend äußerst hitzig geführten Debatte um die Zukunft von Schulen und Kitas. Es verstärkt sich der Eindruck, als werde die Kanzlerin dünnhäutiger.

Doch um den Nachwuchs, der wegen der erneuten Lockdown-Verlängerung weiterhin nicht mit Gleichaltrigen spielen und die Klassenzimmer wohl erst im Frühjahr wieder von innen sehen kann, drehen sich die Berichte in TV, Radio, Internet und Zeitung längst nicht so häufig wie um den viel zu schleppend verlaufenden Impfstart. Und das bekommt Merkel besonders heftig zu spüren, denn von der Euphorie direkt nach Zulassung der ersten Vakzine ist längst nichts mehr zu spüren.

Merkel in der Corona-Krise: Ruckeliger Impfstart lässt such kleines Licht am Horizont vorerst erlischen

Was das Regieren eben noch komplizierter macht. Selbst das kleine Licht am fernen Horizont ist vorerst erloschen. Der Begriff Herdenimmunität erstmal aus dem Vokabular gestrichen. Es wird wohl noch lange Monate dauern, bis überhaupt die Risikogruppen versorgt sind. Das sorgt für Frust. Weshalb Merkel viel einstecken muss in ihrer finalen Runde, die mit der Bundestagswahl im Spätsommer enden soll.

Dabei könnte sie mit ihrer Beschwerde bei Trudeau ebenfalls eine Wunde aufgerissen haben. Denn auch in Kanada nimmt die Unzufriedenheit wegen des Mangels an Impfdosen stetig zu. Das flächenmäßig zweitgrößte Land der Welt hat angesichts von nur 38 Millionen Einwohnern den Vorteil einer äußerst geringen Bevölkerungsdichte.

Angela Merkel presst die Lippen aufeinander und schaut betreten nach unten.
Die wohl letzte große Bewährungsprobe als Kanzlerin: Angela Merkel muss derzeit für viele als Sündenbock in der Corona-Krise herhalten. © Hannibal Hanschke/afp

Merkel in der Corona-Krise: Kanada steht bei Impfungen im Verhältnis kaum besser das als Deutschland

Doch obwohl die Impfungen bereits am 9. Dezember begannen, steht Kanada derzeit im Verhältnis kaum besser da. Umgerechnet auf 100.000 Einwohner wurden bis zum 20. Januar 2021 mit 1,7 Menschen nur unwesentlich mehr geimpft als in Deutschland, das auf 1,6 kommt.

Damit liegen beide Staaten deutlich hinter Spitzenreiter Israel mit 33,9. Aber auch Großbritannien (7,5), die USA (4,8) oder europäische Staaten wie Dänemark (3,1), Spanien (2,2) sowie Italien (2,0) kommen schneller voran. Insofern sind Merkel und Trudeau Leidensgenossen. Und die sollten sich inmitten der größten Krise ja besonders verbunden fühlen. (mg)

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