Merkel erklärt: Darum hat sie Seehofer nicht sofort rausgeworfen

Im Asylstreit in der Union mit den Protagonisten Angela Merkel und Horst Seehofer äußert sich die Kanzlerin am Mittwoch in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“.
Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat betont, dass Asylbewerber maximal zwei Tage unter Aufsicht der Polizei in den geplanten Transitzentren an der Grenze zu Österreich bleiben sollen. „Man muss mit 48 Stunden hinkommen, das sagt das Grundgesetz“, sagte Merkel am Mittwoch in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“ (Ausstrahlung um 20.15 Uhr). Nach dieser Zeitspanne müssten die Schutzsuchendenden in normale Einrichtungen gebracht werden.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will an den Grenzübergängen zu Österreich alle Asylbewerber aufhalten, die schon in einem anderen EU-Staat registriert worden sind. Sie sollen nach seinen Vorstellungen so lange in den Transitzentren an der Grenze bleiben, bis klar ist, welcher Staat nach den sogenannten Dublin-Regeln für ihren Asylantrag zuständig ist.
Doch nicht alle scheinen in seiner Partei hinter Horst Seehofer und seinem Vorgehen zu stehen. Es macht sogar den Anschein, als ob Seehofer die CSU verärgert hat. Das kann zumindest aus Ilse Aigners Verteidigung von Seehofer bei Maischberger gelesen werden.
Merkel gegen Seehofer im Asylstreit: Kanzlerin will keine geschlossenen Lager akzeptieren
Mit der Begrenzung auf zwei Tage könnten Merkel und Seehofer versuchen, der SPD eine Brücke zu bauen. Sie hat den Transitzentren bislang nicht zugestimmt und betont, sie werde keine „geschlossenen Lager“ akzeptieren. Die Grünen sprachen von „Internierungslagern“. Entscheidend ist, wie Österreich reagieren würde, falls Deutschland Asylbewerber zurückschicken würde, ohne dass sich das zuständige Land zur Rücknahme bereiterklärt hat.
In diesen Zentren sollen Flüchtlinge bis zu 48 Stunden unter polizeilicher Aufsicht festgehalten werden können, sagte Merkel in der ARD-Sendung, die am Mittwochabend ausgestrahlt werden soll. Zudem soll es eigene Bereiche für Frauen und Kinder geben.
Merkels Asylpolitik steht auch nach ihrem Urlaub wieder stark in der Kritik.
Merkel gegen Seehofer im Asylstreit: Innenminister will Einrichtungen der Bundespolizei nutzen
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will einem Medienbericht zufolge dagegen bestehende Einrichtungen der Bundespolizei für die geplanten sogenannten Transitzentren nutzen. Seehofer habe einen entsprechenden Vorschlag am Dienstagabend in der Sitzung des Koalitionsausschusses gemacht, berichteten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland unter Berufung auf CSU-Kreise. Es müssten keine großen neuen Zentren gebaut werden. Stattdessen könnten vorhandene Liegenschaften der Bundespolizei etwa in Passau, Rosenheim oder am Münchener Flughafen als Transitzentren genutzt werden, sagte der Minister demnach.
Nach Seehofers Plänen sollen die Flüchtlinge nach Möglichkeit maximal 24 Stunden in den Einrichtungen verbleiben. Die Zentren könnten „ohne jeden Zeitverzug“ in Betrieb genommen werden, sobald entsprechende Vereinbarungen zur Rückführung von Flüchtlingen mit europäischen Nachbarländern abgeschlossen seien, hieß es demnach in den Kreisen.
Merkel gegen Seehofer im Asylstreit: Grundlage für weitere Zusammenarbeit gegeben
Auf die Frage, ob aus der „Flüchtlingskanzlerin“ jetzt eine „Abschottungskanzlerin“ geworden sei, antwortete Merkel: „Nein, ein klares Nein.“ Trotz der Uneinigkeiten im Asylstreit mit Horst Seehofer sieht die Kanzlerin die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit ihrem Innenminister gegeben. „Warum schmeißen sie den Mann (Horst Seehofer; Anm. d. Red.) nicht einfach raus“, ist die erste Frage. Sie gebe als Bundeskanzlerin laut Grundgesetz die Richtlinien der Politik vor und trage dafür auch die Verantwortung, sagte Merkel am Mittwoch in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“ auf die Frage, ob sie sich das Verhalten Seehofers bieten lassen könne. „Entscheidungsrelevant ist einzig und allein, ob wir gemeinsam innerhalb dieser Richtlinien arbeiten. Das tun wir. Und deshalb ist Horst Seehofer Bundesinnenminister.“
Entscheidend sei, ob die Regierung auf dieser Grundlage handlungsfähig sei, sagte Merkel. „Da sage ich ein klares Ja. Und jetzt arbeiten wir an der Lösung der Probleme.“ Es habe mit Seehofer einen Streit in der Sache gegeben. Dabei sei es ihr um den Grundsatz gegangen, dass die geplanten Zurückweisungen von Migranten an der deutschen Grenze nicht einseitig, nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter vollzogen würden, betonte die Kanzlerin.
Merkel gegen Seehofer im Asylstreit: Heftige und emotionale Auseinandersetzung
Es sei jetzt besonders wichtig, wieder zur Sacharbeit zurückzukehren: „Ich glaube schon, dass wir jetzt dringend im Blick auch auf die Menschen, die uns gewählt haben, zur Arbeit zurückkehren müssen“, sagte die CDU-Chefin am Mittwoch in der ARD-Sendung. Auf die Frage, ob die Zusammenarbeit durch die ganze Legislaturperiode trage, ergänzte sie: „Ich gehe ganz fest davon aus und werde meinen Teil dafür tun, dass wir unsere Regierungsarbeit gut machen. Und nicht nur jetzt, sondern auch in den nächsten Jahren.“
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Kontroversen gehörten zu einer aus drei Parteien bestehenden Regierung dazu, sagte Merkel. „Diesmal war es eine heftige Auseinandersetzung über ein Thema, das auch sehr emotional ist“, räumte sie aber ein. Auf die Frage, ob sie einen Bruch mit der CSU ausschließe, sagte die CDU-Chefin: „Es geht nicht um Nibelungentreue, es geht darum, dass wir der Meinung sind, dass wir über viele Jahrzehnte eine Schicksalsgemeinschaft geworden sind.“ Kontroversen werde es immer wieder geben. „Aber jeder weiß um den hohen Rang dieser Gemeinschaft
Merkel gegen Seehofer im Asylstreit: Gehen CDU und CSU getrennte Wege?
Zu einer Umfrage, nach der eine Mehrheit der Bürger der Meinung sei, dass CDU und CSU getrennte Wege gegen sollten, sagte Merkel: „Das finde ich nicht.“ Es sei kein Streit nur zwischen CDU und CSU gewesen, die unterschiedlichen Auffassungen gingen auch durch die CDU alleine. Auch innerhalb der SPD gebe es unterschiedliche Meinungen. „Und deshalb heißt es, sich zusammen zu tun und jetzt diese Probleme zu lösen.“ Dafür gebe es nun einen guten Ausgangspunkt.
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Auf die Frage, welche Auswirkungen der Streit mit CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer auf sie persönlich gehabt habe, antwortete die Kanzlerin: „Ich denke dann natürlich in solchen Stunden darüber nach, wie finden wir eine Lösung, die auch meinen Prinzipien, meinen Werten gerecht wird.“ Sie habe sich auch immer wieder gefragt, ob es richtig und wichtig sei, dass sie auf den Prinzipien des nicht einseitigen Vorgehens beharrt habe. Sie habe diese Frage mit Ja beantwortet, sagte Merkel.
Merkel gegen Seehofer im Asylstreit: Das sagt sie zu Seehofers Masterplan
„Es wird ja den Masterplan von Horst Seehofer geben, wo er alle Dinge, die ihm als Innenminister aufgefallen sind, und bei denen ich auch absolut zustimme, die noch verändert werden müssen, aufgeführt hat. Das beginnt bei der Bekämpfung von Fluchtursachen, bei der Entwicklungshilfe, bei Partnerschaften mit Afrika, bei einem Marshall-Plan mit Afrika und endet bei Verwaltungsgerichtsverfahren in Deutschland, die für die Menschen - aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger - so lange dauern, dass sie es nicht verstehen können.“
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dpa/AfP/sdm