Merkel widerspricht Seehofer auf großer Bühne

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Mittwoch ihre Regierungserklärung abgegeben. Darin hat sie auch einer Aussage Horst Seehofers widersprochen, wonach der Islam kein Teil Deutschlands sei.
Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eingeräumt, dass Deutschland aufgrund der Entwicklungen der vergangenen Jahre "gespalten" und die Stimmung im Land "polarisiert" sei. Die großen Herausforderungen der letzten Jahre wie die Flüchtlingskrise, die Instabilität des Euro und der Kampf gegen den Euro hätten Deutschland "in beispielloser Weise gefordert", sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag in ihrer ersten Regierungserklärung nach ihrer Wiederwahl als Regierungschefin (Die Erklärung im News-Ticker).
Allein die Tatsache, dass es nach der Bundestagswahl im September so lange wie noch nie in der Bundesrepublik bis zu einer Regierungsbildung gedauert habe, deute darauf hin, dass sich "in unserem Land offenkundig etwas verändert hat", sagte Merkel. Die Debatte über den richtigen Weg in den großen Krisen der vergangenen Jahre habe Deutschland gespalten.
Merkel rechtfertigte die Entscheidung, in den Jahren 2015 und 2016 hunderttausende Flüchtlinge besonders aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufzunehmen. "Unser Land kann stolz darauf sein", sagte sie. Merkel betonte aber auch, dass dies eine humanitäre Ausnahmesituation bleiben müsse. "Wir müssen Fluchtursachen entschieden bekämpfen."
Gesellschaftlicher Zusammenhalt zieht sich wie ein „roter Faden“ durch den Koalitionsvertrag
Deutschland stehe gut da und es gehe dem Land so gut wie seit der Wiedervereinigung nicht, sagte die Kanzlerin. Viele Menschen machten sich aber Sorgen um die Zukunft und der Ton in der Gesellschaft sei rauer geworden. In der Bevölkerung werde die Frage gestellt nach dem Funktionieren des Rechtsstaats und danach, ob die soziale Marktwirtschaft ihr Wohlstandsversprechen einhalten könne.
Diese Unsicherheiten in der Bevölkerung hätten auch die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD bei der Bundestagswahl vor einem halben Jahr "zu spüren bekommen", fügte die Kanzlerin im Hinblick auf die Stimmenverluste der Parteien der großen Koalition hinzu. In den Verhandlungen über eine Regierungsbildung habe die Parteien daher die Frage beschäftigt, "wie wir die richtigen Antworten geben können".
Daher ziehe sich die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts wie "ein roter Faden" durch den Koalitionsvertrag, sagte Merkel. Es sei das erklärte Ziel der großen Koalition, die Spaltung in der Gesellschaft zu überwinden. "Im Ergebnis wollen wir einen neuen Zusammenhalt schaffen", kündigte die Regierungschefin an. Die gute Entwicklung der deutschen Wirtschaft werde allen in Deutschland zugute kommen.
Merkel: Islam „inzwischen ein Teil Deutschlands“
Merkel ging auch auf die aktuelle Debatte über den Islam in Deutschland ein. "Es steht völlig außer Frage, dass die historische Prägung unseres Landes christlich und jüdisch ist", sagte die Kanzlerin. Richtig sei aber auch, dass die Religion der 4,5 Millionen Muslime hierzulande "inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist".
Sie wisse, "dass viele ein Problem damit haben, diesen Gedanken anzunehmen und das ist auch ihr gutes Recht", fügte die CDU-Vorsitzende hinzu. Die Bundesregierung habe eine ganz bestimmte Verantwortung, alle Diskussionen so zu führen, dass am Ende der Zusammenhalt der Gesellschaft "größer und nicht kleiner wird".
Der neue Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte in der vergangenen Woche gesagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Damit stieß er eine erneute Diskussion um den Islam an und handelte sich den Vorwurf ein, mit solchen Aussagen die Gesellschaft zu spalten.
AFP