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„CSU keine Wirtschaftspartei mehr“: Grüne legen Zahlen vor – und wollen „positives Migrationssaldo“ für Bayern

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Von: Florian Naumann

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Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze übt Kritik an Bayerns Migrations-Politik. (Archivbild)
Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze übt Kritik an Bayerns Migrations-Politik. (Archivbild) © Daniel Löb/dpa/picture-alliance

„Wohlstand erhalten“: Ein Haupt-Schlagwort im Kriegs-Winter. Die Grünen fordern dafür Hilfe für Bayerns Arbeitsmarkt – auch aus dem Ausland. Sie attackieren die CSU.

München – Das Thema Migration ist im (Kriegs-)Winter wieder in aller Munde. Meist geht es um geflüchtete und vertriebene Menschen auf dem Weg gen Mitteleuropa. Aber auch „gezielte“ Arbeits-Einwanderung beschäftigt die deutsche Politik: Die Ampel arbeitet an einem Punktesystem. Die Grünen werfen der CSU unterdessen grobe Versäumnisse in Bayern vor.

Am Montag (5. Dezember) stellte die Landtagsfraktion eine Studie vor: Das Ifo-Institut kam in seiner Expertise im Auftrag der Landtags-Grünen zu dem Schluss, dass unter anderem tausende Ausbildungsstellen im Freistaat unbesetzt sind – und das ohne Hilfe von außen wohl auch bleiben werden. „Die CSU ist keine Wirtschaftspartei mehr“ urteilte Fraktionschefin Katharina Schulze. „Ohne Zuwanderung lassen sich die 18.000 offenen Ausbildungsstellen nicht mehr besetzen!“

Bayern vor Fachkräfteproblem: Grünen-Studie für „mehr Neuzuwanderung“ – und „bessere Integration“

Die ifo-Studie zeigte zwei Groß-Erkenntnisse: Zum einen sind viele Jobs in Bayern unbesetzt. Im September waren es den Experten zufolge 162.660 Stellen. Not gibt es vor allem bei der Suche nach Azubis: Mehr als 18.000 Ausbildungsplätze seien im Jahr 2021/22 frei geblieben. Laut ifo hat sich diese Zahl in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Vor allem in der Gastronomie, im Baugewerbe und in „sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“ seien Stellen unbesetzt.

„Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung in Bayern nach der Prognose des Bayerischen Landesamtes für Statistik von 2020 bis 2040 um 5 Prozent abnehmen“, konstatierten die Experten allgemein. 77 Prozent der Ausländerinnen und Ausländer in Bayern seien aber im erwerbsfähigen Alter: „Ein besonderes Potenzial für den Arbeitsmarkt.“ Der ausländische Anteil an Bayerns Bevölkerung habe sich in den vergangenen 40 Jahren mehr als verdoppelt; München sei nach Offenbach die Großstadt mit dem zweitgrößten Ausländer-Anteil in Deutschland.

Bis 2032 nimmt die Bevölkerung zu, danach sinkt sie. (...) Nicht nur die Gesamtbevölkerung schrumpft, auch ihre Zusammensetzung wird sich drastisch verändern. Die Gruppe im erwerbsfähigen Alter sinkt rasch auf unter 8 Millionen und die älteste Gruppe steigt auf fast 4 Millionen.

Die Ifo-Studie im Auftrag der Grünen gibt einen Ausblick für Bayerns Bevölkerungsentwicklung.

Beide Punkte zusammengenommen folgern die Experten: „Es ist wichtig, das Potenzial der Zuwanderer zu nutzen, sowohl mit mehr Neuzuwanderung als auch mit besserer Integration“. Laut ifo arbeitet aber auch schon jetzt ein wachsender Teil der ausländischen Menschen in Bayern. Zuletzt waren den Daten zufolge 62 Prozent der ausländischen Menschen zwischen 15 und 65 Jahren in Arbeit. Unter den Bayern mit deutschem Pass waren es in diesem Alter rund 65 Prozent. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ausländischem Pass habe sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. 960.140 seien es mittlerweile. 15,8 Prozent der Arbeitenden im Freistaaten seien Ausländerinnen und Ausländer.

Die Anteile ausländischer Menschen in verschiedenen Sektoren der Erwerbslebens in Bayern:

Dabei geht es beileibe nicht nur um Hilfs-Jobs: „45,8 Prozent aller Ausländer*innen arbeiten als Fachkraft“, weitere 11,1 Prozent als „Expert*in“ hieß es vonseiten der ifo-Fachleute. Damit liegen diese Quoten recht hoch, aber noch niedriger als bei Deutschen in Bayern. Anders ist die Lage bei Menschen aus den „Asyl8“-Ländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Somalia und Syrien. Sie arbeiten überwiegend in Hilfstätigkeiten. Ein allgemeines Problem zugleich: Nur 14 Prozent aller „Geduldeten“ waren erwerbstätig – laut ifo-Institut auch aufgrund „erheblicher Einschränkungen mit Arbeitserlaubnisse und Wohnsitzauflage“.

Bayerns Grüne wollen mehr Ausländer in Arbeit: Söder-Schelte und 13-Punkte-Programm

Die Landtags-Grünen zogen recht weitreichende Schlüsse. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werde der deutsche Arbeitsmarkt bis 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte verlieren, hieß es. „Die Lücken werden immer größer“, sagte Integrationspolitikern Gülseren Demirel. „Dazu kommen die bürokratischen Hürden, die ideologiebehafteten Vorgaben aus dem Ministerium und die ewig gestrige Denke der Söder-Regierung. Wir brauchen endlich bayerische Schnellverfahren“, forderte sie – konkret etwa mit Blick auf Arbeits- und Ausbildungserlaubnisse, aber auch bei der Anerkennung ausländischer Ausbildungen.

Die Grünen-Fraktion stellte am Montag einen Forderungskatalog mit nicht weniger als 13 Punkten vor – wobei einige stark an die Pläne aus Robert Habecks Wirtschaftsministerium erinnerten. Eine Auswahl:

„Wir Grüne wollen, dass sich Bayern zu einem modernen Einwanderungsland entwickelt“, sagte Schulze. Ziel sei eine Migrationspolitik, die „die Auswirkungen des demographischen Wandels abmildert, den bayerischen Wohlstand erhält und für Wirtschaft wie Gesellschaft ein Gewinn ist.“

Die Landtagsfraktion der CSU hatte zuletzt hingegen zumindest vor den Staatsbürgerschaftsplänen der Ampel-Koalition gewarnt. Sie erstellte einen „Dringlichkeitsantrag“. Die Pläne gefährdeten „die erfolgreiche Integration von Migrantinnen und Migranten in Deutschland“, sagte die rechtspolitische Sprecherin Petra Guttenberger. „Wir tun in Bayern alles dafür, dass die Integration gelingt.“ Von den Wirtschaftsweisen war hingegen Lob für die Ampel zu hören. (fn)

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