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Migration als Waffe: Illegale Grenzübertritte im Osten alarmieren EU - auch Deutschland in Sorge

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Von: Markus Hofstetter

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Immer Migranten kommen illegal über die Grenze von Belarus in die EU. Auch Deutschland ist nun darüber besorgt. Ein schnelles Ende ist nicht in Sicht.

Vilnius - Die EU erhebt wegen stark steigender Migrantenzahlen an der litauischen EU-Außengrenze schwere Vorwürfe gegen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko und will die Schutzmaßnahmen verstärken. Womit es die EU zu tun habe, sei nicht in erster Linie eine Migrationskrise, sondern ein „Akt der Aggression“ des Lukaschenko-Regimes, sagte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson laut dpa in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Dies sei „absolut inakzeptabel“.

Johansson war nach Litauen gereist, um sich ein Bild von der Lage zu machen und mit Regierungsvertretern die nächsten Schritte zu besprechen. An der fast 680 Kilometer langen Grenze Litauens zu Belarus wurden zuletzt allein im Juli über 2000 illegale Grenzübertritte von Menschen aus Ländern wie dem Irak oder afrikanischen Staaten registriert. Im gesamten vergangenen Jahr waren es nur 81 gewesen.

Ylva Johansson, EU-Innenkommissarin, spricht bei einer Pressekonferenz in der Hafenstadt Mytilini auf Lesbos. (29. März 2021)
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nennt die Migrationskrise an der Grenze zwischen Litauen und Belarus einen „Akt der Aggression“ des Lukaschenko-Regimes (Archivfoto) © Eurokinissi via Zuma Wire/dpa/picture alliance

Belarus nutzt Migration als Waffe: Auch Berlin ist besorgt

Nach Erkenntnissen der EU wird der Anstieg der Zahlen gezielt von der belarussischen Regierung herbeigeführt. So hatte Lukaschenko in der Vergangenheit offen damit gedroht, als Reaktion auf die gegen sein Land verhängten EU-Sanktionen Menschen aus Ländern wie dem Irak, Afghanistan oder Syrien passieren zu lassen.

Auch in Deutschland herrscht wegen der Entwicklungen mittlerweile Besorgnis. Denn es wird befürchtet, dass etliche der in Litauen ankommenden Menschen versuchen könnten, weiter in den Westen zu gelangen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und sein österreichischer Kollege Karl Nehammer sprachen sich deswegen Ende der vergangenen Woche dafür aus, Litauen umfassend auch beim Grenzschutz zu unterstützen. „Es wäre fatal, wenn wir die Förderung nur auf die Versorgung und Unterbringung der bereits im Lande befindlichen Migranten beschränken“, kommentierten sie.

Belarus nutzt Migration als Waffe: Die meisten Migranten wollen nach Deutschland

Recherchen litauischer Medien bestätigen die Befürchtungen in Berlin. Demnach zieht es die meisten Migranten nach Deutschland. Laut einem Bericht des Internetportals 15min.lt kostet die mit einem legalen Flug nach Minsk beginnende Reise aus dem Irak in die Bundesrepublik insgesamt rund 3000 Dollar (etwa 2500 Euro).

Es ist nicht absehbar, dass die Lage schnell unter Kontrolle gebracht werden kann. Litauen hat zwar jüngst seine Asylregelungen verschärft und mit der Errichtung eines Zauns an der Grenze begonnen. Doch weil Stacheldraht fehlt, geriet der Bau der Grenzbarriere zuletzt ins Stocken. Die Kosten für die Grenzsicherung wurden von Litauens Innenministerin Agne Bilotaite zuletzt mit bis zu einer halben Milliarde Euro angegeben.

Belarus nutzt Migration als Waffe: Die Grenze soll mit verstärkten „physischen Barrieren“ geschützt werden

Die EU will deshalb Litauen stärker unterstützen. Johansson machte am Montag bei einem Grenzbesuch deutlich, dass sie auch die Notwendigkeit sehe, die litauische EU-Außengrenze mit verstärkten „physischen Barrieren“ zu schützen. Zugleich verwies sie darauf, dass die EU in vielen anderen Bereichen bereits helfe. So unterstützen ihren Angaben zufolge künftig mehr als 100 Grenzschützer der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Arbeit der lokalen Kräfte.

Johansson räumte am Montag in ihrer Pressekonferenz mit der litauischen Regierungschefin Ingrida Simonyte allerdings ein, dass die bisherigen Maßnahmen noch nicht viel gebracht haben. Die Situation verschlechtere sich, sagte sie.

Belarus nutzt Migration als Waffe: EU verhängt bereits Sanktionen gegen Belarus

Bereits am Freitag hatte die EU den Verantwortlichen in Belarus zudem mit Sanktionen gedroht. „Die EU und ihre Mitgliedstaaten verurteilen die Instrumentalisierung von Migranten und Flüchtlingen durch das weißrussische Regime“, heißt es in einer vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell veröffentlichten Erklärung. Man werde die Möglichkeit restriktiver Maßnahmen gegen Schleuser und anderweitig am Menschenhandel Beteiligte prüfen.

Mit den bereits existierenden Sanktionen gegen Belarus hat die EU auf die Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition in dem Land reagiert. Darunter fällt auch die aus EU-Sicht illegale Festnahme des regierungskritischen Bloggers Roman Protassewitsch. Behörden in Belarus hatten eine Passagiermaschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius in Litauen zu einer Zwischenlandung in Minsk gezwungen, um ihn zu verhaften.

Die weitreichendsten Strafmaßnahmen sind bislang Wirtschaftssanktionen, die sich vor allem gegen Staatsunternehmen richten. Betroffen sind unter anderem Firmen, die mit Erdölerzeugnissen, Kalidüngemitteln und Waren zur Herstellung von Tabakprodukten Geld verdienen.

Belarus nutzt Migration als Waffe: Die Situation verschlechtert sich

Lukaschenko hatte mit Blick auf die Sanktionen gesagt: „Wir haben uns darauf vorbereitet, wir wussten, was uns bedroht.“ Und er drohte zugleich: „Wir müssen diesen Dreckskerlen auf der anderen Seite der Grenze zeigen, dass ihre Sanktionen ihre eigene Ohnmacht sind.“

Litauen ist international einer der größten Fürsprecher der Demokratiebewegung im Nachbarland und seit längerem ein Zufluchtsort der belarussischen Opposition. Das Land hat viele Oppositionelle aufgenommen, darunter Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. (mhof/dpa)

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