Herr Ude, die Altersgrenze fällt – da können Sie ja 2026 wieder antreten.
Ude: (lacht) Nein, nein. Ich hätte auch 2014 nicht mehr kandidiert. 20 Jahre in so einem Amt sind eine sehr intensive Zeit, in der alles andere zurückstehen muss – dann ist es auch genug. Das bezieht sich aber auf die Amtsdauer und nicht auf das Lebensalter. In zwei Jahrzehnten hatte man alle Chancen, seine Anliegen zu verwirklichen.
Hören wir da Sympathie für eine Begrenzung der Amtsdauer? Auch auf Bundesebene gab es in den Spätphasen von Kohl oder Merkel ja Ermüdung.
Ude: Aber dann kann die Wählerschaft ihre Kritik an der Ermüdung an der Wahlurne selbst zum Ausdruck bringen. Eine Begrenzung auf acht oder zehn Jahre halte ich für sehr willkürlich. So etwas werden Sie auch in kaum einem Unternehmen finden.
Auch Söder rückt von der Idee ab, nur zwei Amtszeiten bleiben zu wollen.
Ude: Das zeigt nur, wie beliebig er mit dem Thema umgeht, nur an der aktuellen, eigenen Interessenlage orientiert. Ich finde nicht, dass man mit diesem Thema spielen sollte.
Gegen die Altersgrenze waren Sie schon immer.
Ude: Sie ist einfach willkürlich, wenn sie nur in der Kommunalpolitik gilt, nicht aber für Bundes- oder Landespolitiker. Man hätte das schon vor 2014 abschaffen sollen. Wobei: Dass die Staatsregierung daran festhielt, war ein schönes Kompliment, weil sich die CSU eine andere Art der Beendigung meiner Amtszeit gar nicht vorstellen konnte.
Am Mindestalter von 40 für Ministerpräsidenten hält die CSU weiter fest. Katharina Schulze (37) dürfte also auch bei einem Wahlsieg nicht regieren.
Ude: Das ist völlig anachronistisch. Die ganze Welt weint jetzt um die zurückgetretene Ministerpräsidentin von Neuseeland, die mit 37 Jahren angetreten war – was sie bei uns nicht gedurft hätte. Das sind Wertvorstellungen von menschlichen Reifeprozessen, die aus dem vergangenen Jahrhundert stammen.
Zurück nach München: Es wirkt so, als wolle Söder mit der Abschaffung der Grenze für Dieter Reiter (64) vor allem eine grüne Oberbürgermeisterin Habenschaden verhindern.
Ude: Wie gesagt: Ich halte es für sehr kurzsichtig, wenn so grundsätzliche Fragen von derart kurzfristigen Überlegungen abhängig gemacht werden. Und ich sehe es auch nicht als selbstverständlich, dass das eine grüne Oberbürgermeisterin verhindert.
Aber Reiter hat einen ähnlichen Amtsbonus wie Sie früher.
Ude: Man muss aber auch die Stärke der Parteien anschauen. In Bayern befindet sich die SPD auf Platz 5, in München auf Platz 3. Das sollte man nicht vernachlässigen, wenn man zu einer realistischen Lage-Einschätzung kommen will.
Dann sprechen wir über die SPD: Sie haben in unserer Zeitung eine vor Sarkasmus triefende Kolumne über die Bayern-SPD geschrieben. Die fand das vermutlich nicht lustig?
Ude: Es fand aber auch niemand lustig, wie die SPD in Bayern das Jahr 2022 beendet und das Jahr 2023 begonnen hat. Wenn man in der Verantwortung steht, das Erbe der Partei nicht zu verludern, dann darf man so nicht vorgehen.
Sie meinen den Streit zwischen den Jusos und dem zurückgetretenen Generalsekretär Arif Tasdelen. Hätte Landeschef Florian von Brunn damit anders umgehen können?
Ude: Ich glaube, er hat sich wahnsinnig geärgert. Fragen Sie lieber die Jungsozialisten, ob sie an ihrem Erfolgskurs, der die SPD auf Platz 5 gebracht hat, festhalten oder ob sie nicht doch mal dazulernen wollen. Immerhin: Die Nachbesetzungen mit den beiden Generalsekretären waren nach diesem unseligen Vorgang glückliche Entscheidungen. Ich halte viel von Ruth Müller und Nasser Ahmed.
Im Herbst wird auch die Bundespolitik eine Rolle spielen. Olaf Scholz ringt mit sich wegen Panzerlieferungen. Zu Recht?
Ude: Ich halte die Vorgehensweise von Olaf Scholz für ausgesprochen verantwortungsbewusst. Das ist ein Glücksfall! Ich staune über viele Pressekommentare und das Geschnatter in den Talkshows. Da wird über Fragen von Krieg und Frieden in einer unvorstellbaren Leichtigkeit geurteilt. Da bin ich ausgesprochen froh, dass der Kanzler nicht auf Showeffekte abzielt. Der Westen muss so koordiniert und geeint wie möglich vorgehen.
Wie fällt Ihre Bilanz der Ampel-Regierung nach einem Jahr generell aus?
Ude: Eine normale Bilanz kann man in einer so außerordentlichen Zeit gar nicht ziehen. In meinem gesamten Leben gab es keine vergleichbare Ausnahmezeit – weltweite Pandemie, Krieg in Europa, Energiekrise, Klimawandel, Inflation, wachsende Probleme mit Lieferketten. Da darf man von der Regierung keine Wohltaten wie in „fetten Jahren“ erwarten, Ich bin froh, dass sie besonnen vorgeht. . .
. . . was die Opposition natürlich anders sieht.
Ude: Ich wundere mich über die Frechheit, einen Verkehrsminister Scheuer gehabt zu haben und heute an Minister höchste Ansprüche zu stellen. Die Union war auch 16 Jahre für die Bundeswehr zuständig – da kann man nicht alle Defizite den heutigen Amtsinhabern in die Schuhe schieben.