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Nach tödlicher Messerattacke von Brokstedt: Ruf nach mehr Polizisten im Zug

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Von: Marcus Mäckler

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Der tödliche Messerangriff von Brokstedt wirft Fragen nach der Sicherheit in Zügen und Bahnhöfen auf. Die Polizei-Gewerkschaften sehen dringenden Handlungsbedarf.

München – Man kann so ein diffuses Gefühl nur schwer in Worte fassen, Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, versucht es dennoch. Am Freitag besucht sie die Gewerbliche Schule in Neumünster, spricht mit Lehrern und Mitschülern der beiden jungen Menschen, die bei dem Angriff in einem Regionalzug getötet wurden. Sie habe eine Schulgemeinschaft erlebt, die zusammensteht, sagt die CDU-Politikerin hinterher. Aber auch „ein Gefühl der Angst und Verunsicherung“ – weit über die Schule hinaus.

In Bayern ist die Art von Verunsicherung durchaus bekannt, ähnliche Taten gab es hier auch schon. Im November 2021 etwa, als ein 27-Jähriger in einem ICE nach Nürnberg vier Menschen mit einem Messer verletzte. Oder 2016, als ein 17-Jähriger Passagiere eines Regionalzugs bei Würzburg mit einer Axt angriff. Die Frage damals wie heute: Sind Bahnhöfe und Züge sicher genug?

Nach Messerangriff in Brokstedt: Polizei-Gewerkschaften sehen dringenden Handlungsbedarf

Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Heiko Teggatz, sieht Handlungsbedarf. „Um solche Taten zu verhindern, brauchen wir dringend mehr Polizeistreifen in den Zügen“, sagte er unserer Zeitung. Heißt konkret: Drei Beamte, einer davon idealerweise mit Bodycam, die auf ausgewählten Strecken durch die Abteile gehen. Im Moment passiere das leider nur sehr selten. „Mit unserem jetzigen Personal können wir das einfach nicht stemmen.“

Deshalb braucht es aus Sicht der Gewerkschaft mehr Sicherheitskräfte. Schon für 2022 habe man 3.500 zusätzliche Planstellen allein für den Bahnbereich gefordert, sagt Teggatz. Bewilligt wurden 1.000. Das sei deutlich zu wenig. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert deutlich mehr Personal.

Polizei-Präsenz in Zügen und an Bahnhöfen: keine konsequente Lösung laut Kritikern

Nach Angaben der Deutschen Bahn sind deutschlandweit rund 5.500 Beamte der Bundespolizei regelmäßig an Bahnhöfen und in Zügen im Einsatz, außerdem rund 4.300 Sicherheitskräfte. Zahlen für das bayerische Bahngebiet konnte ein DB-Sprecher auf Anfrage nicht nennen. Er betonte aber, das Unternehmen gebe jedes Jahr mehr als 180 Millionen Euro aus, um „die Sicherheit bestmöglich zu gewährleisten“.

Zwei Polizeibeamte am Bahnhof spiegeln sich in der Scheibe eines Zugs.
Die Polizei sucht nach zwei unbekannten Männern, nachdem diese einen Zugbegleiter auf der Fahrt von Gießen nach Wetzlar angegriffen haben. (Symbolbild) © Bundespolizei

Ob mehr Beamte in Bahnhöfen und Zügen Taten wie die von Brokstedt verhindern könnten, ist umstritten. Kritiker argumentieren, dann müsse man konsequenterweise auch in Kaufhäusern oder beliebig vielen anderen Orten Streifen einsetzen, solche Angriffe könnten überall passieren. Auch hier hat Bayern traurigerweise Erfahrung: Im Juni 2021 erstach ein Angreifer in einem Würzburger Kaufhaus drei Frauen.

Konsequenzen nach Messerattacke von Brokstedt? Bayerisches Innenministerium schweigt

Das bayerische Innenministerium wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Angriff im Regionalzug und möglichen Konsequenzen äußern. Irene Mihalic, Innenpolitikerin der Grünen und selbst Polizistin, sagte unserer Zeitung: „An zentralen Orten wie Bahnhöfen muss die polizeiliche Präsenz so gut es geht gewährleistet sein.“ In den letzten Jahren seien Dienststellen oft nicht ausreichend besetzt gewesen, deshalb müsse man sich die Personalsituation „sehr genau anschauen“. Absolute Sicherheit vor solchen Angriffen gebe es aber leider nicht.

Der mutmaßliche Täter Ibrahim A. schweigt indes; der Polizei ist der staatenlose Palästinenser durch eine ganze Reihe anderer Vergehen bekannt. Dazu zählt auch der Messerangriff auf einen Mann vor einer Hamburger Obdachlosenunterkunft im Januar 2022. Nach einem Jahr U-Haft kam er frei, was selbst seinen Anwalt Björn Seelbach wundert. Dem „Spiegel“ sagte er, aus seiner Sicht wäre es besser gewesen, man hätte seinen Mandanten auf die Entlassung vorbereiten können.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) teilt die Verwunderung. „Wie konnte das passieren, dass er trotz so vieler Vorstrafen nicht länger in einer Justizvollzugsanstalt war?“, fragte sie bei einem Besuch in Brokstedt. Eine Nachfrage in ihrer Partei könnte lohnen: Das Justizministerium ist seit zehn Jahren in SPD-Hand.

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