Nato-Gipfel richtet deutlichen Worte an Peking - Aber Merkel will China-Gefahr nicht überbewerten

Erstmals nimmt die Nato China in eine Gipfelerklärung auf. Die Allianz will China künftig in Verteidigungsplanung einbeziehen. Als Feind sieht das Bündnis die Volksrepublik aber nicht.
Brüssel/München - Der Umgang mit China dominiert derzeit die westlichen Bündnisse. Nachdem die G7-Staaten am Wochenende bereits ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm für ärmere Länder als Antwort auf Pekings Neue Seidenstraße beschlossen und erstmals chinakritische Passagen in ihre Abschlusserklärung aufnahmen, steht das Land nun auch beim heutigen Nato-Gipfel auf der Agenda. Nachdem die Allianz unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump praktisch lahmgelegt war, will die Nato nun wieder aktiver auftreten - und sich auch zunehmend global ausrichten. Die Nato sieht demnach neben Russland zunehmend auch China als strategischen Rivalen und versucht, den globalen Einfluss der aufsteigenden Großmacht unter Kontrolle zu halten.
Nato-Gipfel: Mitglieds-Staaten fordern von China Transparenz bei ihrem Atomarsenal
Bei ihrem Gipfeltreffen am Montag mahnten die 30 Mitgliedsstaaten die Regierung in Peking zum Dialog und forderten Transparenz mit Blick auf das wachsende Atomarsenal der Volksrepublik. Das Bündnis werde China künftig „mit Blick auf die Verteidigung der Sicherheitsinteressen des Bündnisses einbeziehen“, hieß es in der Abschlusserklärung des Gipfels. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellte allerdings klar: „Wir treten nicht in einen neuen Kalten Krieg ein, und China ist nicht unser Gegner und nicht unser Feind.“
In der Abschlusserklärung ruft die Nato China zudem auf, seine „internationalen Verpflichtungen einzuhalten“ und der „Rolle als Großmacht“ gerecht zu werden. Zudem soll Volksrepublik hinsichtlich seiner rapide wachsenden nuklearen Fähigkeiten Transparenz schaffen und vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist in der Erklärung außerdem die Sorge über den Ausbau des chinesischen Atomwaffenarsenals, der regelmäßige Einsatz von Desinformationen, ein Mangel an Transparenz, aber auch Verstöße gegen aus Nato-Sicht grundlegende Werte. Zugleich betonte die Nato, dass sie nach Möglichkeit einen konstruktiven Dialog mit China aufrechterhalten will und auch für eine Zusammenarbeit in Bereichen wie Klimaschutz offen ist.
Merkel bei Nato-Gipfel: Gefahr durch China nicht überbewerten
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die geplante Überarbeitung des Nato-Strategiekonzepts als wichtigen Beitrag zum künftigen Umgang mit Russland und China. Es soll 2022 fertig sein - Im bisherigen Strategiekonzept von 2010 wird China in keinem Wort erwähnt. Wie schon beim G7-Gipfel in Großbritannien agierte die Kanzlerin auch bei der Nato wieder als Fürsprecherin eines fortgesetzten Dialogs mit China: „China ist Rivale in vielen Fragen. Und China ist gleichzeitig auch Partner für viele Fragen.“ Merkel warb in Brüssel dafür, die „richtige Balance“ zu finden. Mögliche Bedrohungen durch China solle man nicht negieren, aber auch nicht überbewerten, sagte die CDU-Politikerin. Sie machte zudem deutlich, dass ihre Hauptsorge nicht China, sondern Russland gilt - zumal Moskau die Nato nicht als Partner, sondern als Gegner sehe.
Treibende Kraft hinter der neuen härteren Linie der Nato gegenüber der Volksrepublik ist daher wie schon bei den G7 US-Präsident Joe Biden. In Bidens nationalen Sicherheitsstrategie heißt es, China sei „der einzige Konkurrent, der potenziell in der Lage ist, seine wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht so zu kombinieren, dass es eine nachhaltige Herausforderung für ein stabiles und offenes internationales System“ darstellen könne. Auch Nato-Chef Stoltenberg hatte vor dem Gipfel immer wieder betont, dass China verfüge bereits heute über die größte Marine und über den zweitgrößten Verteidigungshaushalt der Welt nach den USA verfüge. „China teilt nicht unsere Werte“, sagte Stoltenberg zudem kürzlich dem kanadischen TV-Sender CBC.
China: Kritik an Abschlusserklärung des G7-Treffens vom Sonntag
China kritisierte unterdessen das chinakritische Abschlusskommunique der G7 vom Sonntag. Es enthülle „weiter die finsteren Absichten der USA und einiger anderer Länder“, sagte ein Sprecher der chinesischen Botschaft in London. In der Pandemie, der Wirtschaftskrise und dem Klimawandel sei Kooperation nötig. „Aber der Gipfel zeigt der Welt die Praxis ‚kleiner Zirkel‘ und der Block- und Machtpolitik, die künstlich Konfrontation und Spaltung schaffen.“ China sei ein „friedliebendes Land“, das Kooperation befürworte. Es sei aber auch seinen Prinzipien treu. Nach Ansicht von Experten sieht Peking die Bildung von Allianzen und Kooperationen von Staatengruppen mit einer gewissen Beunruhigung. Unter anderem ruft China die EU deshalb immer wieder zu einer strategischen Unabhängigkeit auf. Die EU arbeitet derzeit an einer neuen China-Strategie. Am morgigen Dienstag findet der EU-USA-Gipfel statt - es ist zu erwarten, dass China auch dort wieder zur Sprache kommt. (ck, mit dpa und AFP)