Die Botschaft müsse lauten: „Bleibt ruhig und liefert Panzer“, sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis. Er appellierte damit auch an Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will der Ukraine die geforderten Kampf- oder Schützenpanzer bisher nicht liefern. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wollte seine Nato-Kollegen bei einem Abendessen zu weiteren Hilfen drängen.
Zurückhaltend äußerte sich Baerbock in Bukarest zu der polnischen Forderung, die Bundesregierung solle ein Patriot-Luftabwehrsystem an die Ukraine liefern statt an Warschau. Die Nato müsse sicherstellen, dass sie „in ihrem eigenen Bündnisgebiet“ ausreichend Material habe, betonte Baerbock. Dabei müsse die Militärallianz „abgewogen alle notwendigen Schritte gemeinsam gehen“.
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte in dieser Frage das Gespräch mit den Nato-Partnern gesucht, nachdem Polen das deutsche Angebot abgelehnt habe. Die Bundesregierung wollte damit die Ostflanke der Nato nach den jüngsten Raketeneinschlägen in Polen schützen, hinter denen die Nato ukrainische Querschläger vermutet.
Die USA wollten weitere „substanzielle“ Hilfen für die Ukraine ankündigen, wie Regierungsvertreter in Washington sagten. Außenminister Antony Blinken nannte die Schwarzmeer-Region in Bukarest „von entscheidender strategischer Bedeutung für uns und die Nato“. Russland habe „Teile des Schwarzen Meeres in eine Kriegszone verwandelt“, kritisierte er.
Die USA sehen den Angaben zufolge Energiehilfen von 1,1 Milliarden Dollar (knapp 1,1 Milliarden Euro) für die Ukraine und die benachbarte Republik Moldau vor. Baerbock verwies auf die jüngste deutsche Zusage von 150 Millionen Euro für die Ukraine. Generatoren, Winterdecken und Krankenwagen würden auf den Weg gebracht. Stoltenberg erwartet weitere Zusagen von den Mitgliedsländern, etwa für Minenräumer und Drohnen-Störsysteme.
Baerbock leitet am Rande der Nato-Tagung ein Treffen sieben großer Industriestaaten (G7) mit bis zu 20 Partnerländern zum Wiederaufbau der ukrainischen Energie-Infrastruktur, die durch die jüngsten russischen Angriffe massiv gestört ist.
Die Nato-Außenminister tagten im monumentalen Bukarester Parlaments-Palast, den der frühere rumänische Machthaber Nicolae Ceausescu in den 1980er Jahren als Zeichen seiner Macht errichten ließ. Dies ist auch für die Nato ein hoch symbolischer Ort: Dort sagte die Militärallianz der Ukraine und Georgien 2008 erstmals die Mitgliedschaft zu, verknüpfte dies aber nicht mit einem konkreten Datum.
Neben Polen und den Baltenstaaten forderte in Bukarest nun auch Tschechien einen „neuen Ansatz“ für einen Beitritt der Ukraine. Er unterstütze die Forderung Kiews voll und ganz, sagte der tschechische Außenminister Jan Lipavsky.
Beim Nato-Gipfel 2008 hatten die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere die von US-Präsident George W. Bush geforderte Aufnahme der Ukraine und Georgiens verhindert. Grund waren Befürchtungen vor einem Konflikt mit Russland. lob/ju
Ein monströser Bau im Zuckerbäcker-Stil, Marmortreppen und Kristallleuchter sowie endlose Gänge die zu tausend Zimmern und 400 Sälen führen: Im Protz-Palast des früheren rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu in Bukarest tagen noch bis Mittwoch die Außenminister der 30 Nato-Länder. Der Ort ist für die Nato hoch symbolisch. Dort sagten die Staats- und Regierungschefs der Ukraine 2008 die Mitgliedschaft in der Militärallianz zu.
„Die Nato begrüßt die euro-atlantischen Bestrebungen der Ukraine und Georgiens, der Nato beizutreten. Wir haben heute vereinbart, dass diese Länder Mitglieder der Nato werden“, hieß es vor fast 15 Jahren in der Abschlusserklärung des Bukarester Nato-Gipfels.
Erfüllt ist das Versprechen bis heute nicht. Allerdings unterstützen die Bündnisländer Kiew im russischen Angriffskrieg in „beispielloser Weise“, wie Generalsekretär Jens Stoltenberg nun in Bukarest betonte.
In der rumänischen Hauptstadt stellten die USA, Deutschland und andere Verbündete weitere Hilfen in Aussicht, um die Ukraine über den Winter zu bringen. Dazu zählt laut Stoltenberg „nicht-tödliche“ Unterstützung mit Winterkleidung, Medikamenten, Minenräumgeräten oder Drohnen-Störsystemen. Aber auch die ukrainische Luftabwehr müsse weiter gestärkt werden, sagte der Generalsekretär.
„250 Kilometer von hier beginnt der russische Terror“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit Blick auf den Tagungsort. Sie wollte am Rande des Nato-Treffens in Bukarest mit den Außenministern der sieben großen Industrieländer (G7) und bis zu 20 Partnerländern beraten. Dabei ging es um Hilfen zum Wiederaufbau der Energie-Infrastruktur der Ukraine, die durch die jüngste Angriffsserie schwer in Mitleidenschaft gezogen ist. Deutschland will nach Baerbocks Worten unter anderem Generatoren und Krankenwagen liefern.
Mit diesen und den umfangreichen militärischen Hilfen hätten die Nato-Länder seit dem russischen Angriff vor gut neun Monaten demonstriert, dass „die Tür der Nato offen steht“ für die Ukraine, sagte Stoltenberg in Bukarest - „nicht nur in Worten, sondern auch in Taten“.
Osteuropäischen Bündnisländern wie Polen und den Baltenstaaten reicht dies nicht aus: Sie wollen den Beitrittsprozess der Ukraine beschleunigen und damit die Forderung von Präsident Wolodymyr Selenskyj erfüllen. Einen „neuen Ansatz“ für einen Beitritt der Ukraine forderte in Bukarest auch Tschechien.
In Osteuropa gibt es viele, die den Gipfelkompromiss der Nato von 2008 für einen historischen Fehler halten. Damals bremste Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemeinsam mit Frankreich und anderen Ländern US-Präsident George W. Bush aus, der die Allianz zu einer sofortigen Aufnahme der Ukraine wie Georgiens drängte. Auch der heutige Nato-Generalsekretär Stoltenberg zählte als norwegischer Regierungschef zu den Kritikern der Mitgliedschaft.
Ein Aufnahmeversprechen ohne Zieldatum kam bei dem Gipfel heraus. „Russland ist ein Partner“, konnte daraufhin Merkel zum Abschluss des Bukarester Gipfels verkünden, an dem der russische Präsident Wladimir Putin sogar noch persönlich teilnahm.
Hätte die Nato die Ukraine und Georgien schon damals aufgenommen, hätte Putin beide Länder niemals überfallen, glauben Merkel-Kritiker unter anderem in Osteuropa. Bereits im Sommer 2008 marschierten russische Truppen in Georgien ein, 2014 annektierte Russland die ukrainische Krim-Halbinsel, im Februar dieses Jahres folgte die Invasion in der Ukraine.
Einer Nato-Mitgliedschaft dürfte die Ukraine in Bukarest nicht näher kommen, auch wenn Außenminister Dmytro Kuleba persönlich zu einem Abendessen anreist. Denn Deutschland, aber auch die USA unter Präsident Joe Biden, haben kein Interesse daran, die Nato in den Krieg mit Russland hineinziehen zu lassen. Eine Mitgliedschaft der Ukraine jetzt voranzutreiben wäre völlig „unverantwortlich“, hieß es in Bukarest. lob/ju