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Fall Nawalny: Scheitert jetzt die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2?

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Von: Marcus Mäckler

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Aufgrund der sich im Bau befindlichen Pipeline Nord Stream 2 herrschen internationale Spannungen
Aufgrund der sich im Bau befindlichen Pipeline Nord Stream 2 herrschen internationale Spannungen. © John MACDOUGALL / AFP

Trotz internationaler Verwerfungen hielt die Bundesregierung eisern am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 fest. Ändert der Fall Nawalny die Sichtweise? Um was es wirklich geht.

Berlin/Washington – Gewöhnlich macht man in Sassnitz keine Weltpolitik, deshalb war der Brief, der vor einigen Wochen auf dem Tisch von Bürgermeister Frank Kracht (Linke) landete, eine neue Erfahrung. Drei US-Senatoren, darunter der Texaner Ted Cruz, drohten darin mit „vernichtenden rechtlichen und wirtschaftlichen Sanktionen“, sollte der Hafen des kleinen Rügener Badeorts weiterhin Rohre für den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 verschiffen. Starker Tobak. Kracht erklärte, er sehe sich ernsthaft bedroht.

Nord Stream 2: USA torpedieren neue Ostsee-Pipeline europäischer Energiekonzerne

Es blieb zwar bei der reinen Gebärde, aber der Brief zeigte noch mal, wie emotional gerade die USA auf Nord Stream 2 blicken. Sie machen seit Langem Druck auf Deutschland. Ende 2019 verhängten sie dann Sanktionen gegen beteiligte Firmen, die dazu führten, dass die Arbeiten an der Pipeline zum Erliegen kamen. Dabei ist sie fast fertig. Von den 1200 Rohrkilometern fehlen nur noch 150.

Die Pipeline ist seit Langem ein Politikum, obwohl sie erst mal nur eines soll: russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland bringen (siehe Grafik). Zusammen mit Nord Stream 1 könnte sie jährlich 110 Milliarden Kubikmeter befördern. Alleiniger Eigentümer ist der russische Staatskonzern Gazprom, der die Hälfte der Kosten von 9,5 Milliarden Euro trägt. Deswegen wurde auch schon Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder scharf von den USA angegriffen. Die andere Hälfte finanzieren fünf Unternehmen: Uniper und Wintershall Dea aus Deutschland, OMV aus Österreich, die britische Royal Dutch Shell und Engie aus Frankreich.

Lange sprachen Angela Merkel* und die Bundesregierung von einem rein wirtschaftlichen Projekt, das helfen solle, die Energiewende zu bewältigen. Auch angesichts der US-Sanktionen hielt sie eisern am Bau fest. Zwar ist die Kanzlerin inzwischen dazu übergegangen, die „politischen Implikationen“ des Projekts einzugestehen. Für Kritiker bleibt das aber eine Untertreibung.

Gegenwind für Ostsee-Pipeline: USA fürchten um Absatzmarkt, weitere Länder um Sicherheit

Gerade die Amerikaner werfen Deutschland vor, sich mit Nord Stream 2 in eine unheilvolle Abhängigkeit von Russland zu bringen. Immer wieder bringt die US-Seite das Thema aufs Tableau. In Erinnerung sind etwa die wütenden Einlassungen von Ex-Botschafter Richard Grenell oder auch der Auftritt von US-Vize-Präsident Mike Pence bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2019. Die USA, sagte er drohend, könnten „die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen“. Dass die USA in Europa einen Absatzmarkt für ihr Fracking-Gas sehen, spielt dabei eine nicht unwichtige Rolle.

Auch osteuropäische Staaten sind skeptisch, fürchten um ihre Sicherheit und um den Wegfall von Einnahmen. Die Ukraine etwa, durch die ebenfalls russisches Gas nach Europa fließt, nimmt jährlich rund zwei Milliarden Euro an Transitgebühren ein – ein großer Brocken im Staatshaushalt. Experten fürchten, Russlands Präsident Wladimir Putin wolle die Ukraine-Pipeline langfristig durch Nord Stream 2 ersetzen und das Land damit weiter schwächen. Allerdings hat er – auch wegen der sanktionsbedingten Verzögerung des Ostsee-Projekts – inzwischen einen Transitvertrag mit der Ukraine unterzeichnet.

Gefährdet Nawalny Nord Stream 2? Ein wichtiges Projekt für Deutschland

Die künftigen Transport-Kapazitäten sind entsprechend groß. Ob Deutschland und Europa so große Mengen an Gas überhaupt brauchen, ist umstritten. Klar ist, dass der Absatz Russland nutzt, das bereits jetzt 60 Prozent seiner Staatseinnahmen aus Energieexporten generiert.

Nord Stream ist bereits seit 2011 in Betrieb. Nord Stream 2 wird derzeit in der Ostsee gebaut
Nord Stream ist bereits seit 2011 in Betrieb. Nord Stream 2 wird derzeit in der Ostsee gebaut. © FKN

Auch für den Nordosten Deutschlands ist Nord Stream 2 ein Wirtschaftsfaktor, weshalb Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am Donnerstag davon abriet, die Fertigstellung vom Fall Nawalny abhängig zu machen. Verzögern wird sie sich in jedem Fall. Vor 2021, heißt es, werde sicher kein Gas durch die Pipeline fließen.

Alexej Nawalny wurde nach Angaben seiner behandelnden Ärzte mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet. Schon mehreren Kreml-Kritikern sind ähnliche Umstände widerfahren*. Ein Überblick.*Merkur.de ist ein Angebot des Ippen Digital Netzwerks

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