Kubicki sorgt mit „Bagger“-Geständnis für Empörung – und weist Vorwürfe der „angeflirtete“ Ex-Politikerin zurück
Sexismus in der FDP? Parteivize Wolfgang Kubicki sprach bei Maischberger Klartext. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten.
Update vom 14. Oktober, 14.55 Uhr: FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat öffentliche Vorwürfe eines möglichen Machtmissbrauchs gegenüber seiner Parteikollegin Silvana Koch-Mehrin energisch zurückgewiesen. Er machte am Freitag deutlich, dass es aus seiner Sicht auch kein Fehlverhalten bei einem Treffen in Brüssel vor vielen Jahren gegeben habe.
Der FDP-Politiker teilte am Freitag der Deutschen Presse-Agentur nach Debatten in sozialen Medien mit, der Vorwurf, es habe sich um ein „Jobgespräch“ oder das „Ausnutzen einer Machtposition“ gehandelt, „ist schon deshalb daneben, weil ich keine Machtposition innehatte und keinen Job zu vergeben hatte“. Kubicki: „Ich galt zum damaligen Zeitpunkt als Paria der Partei, war Vorsitzender der Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein. Frau Koch-Mehrin war eine Hoffnungsträgerin der FDP, war Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments.“
Er sei von einer Reihe junger Politiker gebeten worden, mit Koch-Mehrin Kontakt aufzunehmen, um herauszufinden, ob sie sich diese Funktion vorstellen könne und um sie dafür öffentlich ins Spiel zu bringen. Das Vorschlagsrecht für den Generalsekretärsposten liege laut Parteisatzung aber beim Vorsitzenden. Das habe Koch-Mehrin auch gewusst.
Für Wirbel sorgten Äußerungen Kubickis in der ARD-Sendung „Maischberger“, wo er auf ein Interview aus dem Jahr 2010 angesprochen wurde (siehe Erstmeldung). Dort hatte er gesagt, er habe Koch-Mehrin „angebaggert“. Nun betonte er, es habe sich um einen Flirt gehandelt. Kubicki sagte dazu am Freitag: „Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Übergriffigkeiten – hierzu zählt auch das Ausnutzen von Machtpositionen -, die definitiv nicht in einer Partei zu tolerieren sind, und einem Flirt.“
Maischberger/ARD: Kubicki sorgt mit Flirt-Geständnis für Entsetzen – jetzt spricht die „Angeflirtete“
Update vom 14. Oktober, 9.20 Uhr: FDP-Vize Wolfgang Kubicki steht wegen Aussagen aus dem Maischberger-Talk in der Kritik. Der 70-Jährige hatte erzählt, wie er die ehemalige Bundestagsabgeordnete Silvana Koch-Mehrin (51) „angebaggert“ habe. Im ARD-Talk verteidigte er sich und meinte: „Fragen Sie mal Silvana Koch-Mehrin. Daran hat sie nichts Anstößiges gefunden.“
Die Ex-Politikerin sieht die Sache aber wohl etwas anders. „Das Problem ist ja folgendes, dass ich mir vor etwa 20 Jahren sehr gewieft, sehr schlau vorkam, dass ich gesagt habe, ich bitte meinen Mann nach ungefähr einer Stunde mal vorbeizuschauen, weil ich schon vermutete, da ist mehr im Spiel“, sagte sie im WDR. „Ich habe das gar nicht als Problem empfunden. Ich hab‘s gar nicht als Problem wahrgenommen. Das ist ja genau das Problem“. Koch-Mehrin veröffentlichte jüngst ein Buch, in dem sie offen über Sexismus in der FDP schreibt.

Maischberger-Kritik an Scholz-Kabinett und Steinmeier: „Warum keine große Ansprache?“
Erstmeldung vom 13. Oktober: Eine Klimaaktivistin ist plötzlich pro Atomkraft – mit Greta Thunberg, die jüngst weltweit für Aufsehen sorgte, eröffnete Sandra Maischberger ihren Talk. ZDF-Korrespondent Theo Koll nimmt Thunbergs Ball auf: „Es ist eine zynische Entwicklung, aber ich stimme ihr zu.“ Und Alexander Kissler von der NZZ hat Hoffnung: „Wenn sie dazu in der Lage ist, diesen Irrsinn zu stoppen, dann müsste ich sagen: Danke, Greta.“
Weniger gut kommen an diesem Abend die führenden Köpfe der Ampel-Koalition weg. Bei FDP-Chef Lindner sieht Kissler „einen letzten, verzweifelten Versuch, noch so etwas wie ein liberales Restprofil zu retten“. Die FDP befinde sich in einer existenzbedrohenden Situation, die das Potential habe, „diese Ampel zu ihrem vorzeitigen Ende zu führen.“
So viel Mut und Klarheit traut Moderatorin Eva Schulz den Liberalen gar nicht zu, „schon gar nicht Christian Lindner“. Koll vermisst ebenfalls Klarheit und sieht ein „emotionales Vakuum“ in der gesamten Regierung, bis hin zum Staatsoberhaupt. Sowohl vom Kanzler wie auch vom Bundespräsidenten gebe es keine bedeutsame Rede zur Zeit. „Warum haben wir keine große Ansprache des Bundespräsidenten?“, fragt Koll. „Wann haben wir jemals so viele Krisen gleichzeitig gehabt?“
Mit Sandra Maischberger diskutierten diese Gäste
- Alexander Kissler (Journalist, NZZ)
- Theo Koll (Journalist, ZDF)
- Wolfgang Kubicki (FDP-Vizeparteivorsitzender)
- Eva Schulz (Moderatorin, funk)
- Greta Thunberg (Klimaaktivistin, vorab aufgezeichnetes Interview)
Zum Niedergang der FDP rund um die nächste verlorene Landtagswahl nimmt deren stellvertretender Parteichef Wolfgang Kubicki Stellung. „Wir müssen akzeptieren, dass eine Vielzahl unserer Wähler mit der Partei fremdeln“, sagt er. „Mittlerweile entsteht der Eindruck, dass es diesen gemeinsamen Spirit nicht mehr gibt.“ Aber der Zusammenhalt dürfe nicht leiden, denn „dann gibt es keine gemeinsamen Projekte mehr, die man den Menschen als Erfolg verkaufen kann“.
Maischberger: Kubicki zu Sexismus-Vorwürfen in der FDP - „Flirten ist immer noch denkbar“
Anschließend ging es bei Maischberger auch um Sexismus in der FDP. Anlass ist ein Buch der früheren Bundestagsabgeordnete Silvana Koch-Mehrin, in der sie das „Klima in der Partei“ anprangert. Koch-Mehrin zog sich 2014 aus der Politik zurück. Kubicki meinte, „das (Sexismus) kann es heute immer noch geben“, aber in der neuen FDP um Parteichef Christian Lindner habe sich vieles gebessert.
Maischberger konfrontierte Kubicki mit Aussagen aus 2010, in denen er sagt, Koch-Mehrin „ein einziges Mal angebaggert“ zu haben. „Wir saßen in einem Café in Brüssel, weil ich irgendwie auf die Idee gekommen war, sie zu fragen, ob sie FDP-Generalsekretärin werden will.“ Kubicki sei gegangen, als Koch-Mehrins Freund dazugekommen war: „So ist das gelegentlich“, sagte er nun im ARD-Talk. „Man flirtet und stellt fest, also nicht der Flirt kommt zurück, aber da steht urplötzlich der Partner da.“
Maischberger hakt nach: „Angebaggert, weil ich auf die Idee kam, dass sie FDP-Generalsekretärin werden kann?“ Kubicki meinte daraufhin, „Flirten ist immer noch denkbar, hoffe ich jedenfalls.“ Das sei flirten, will Maischberger wissen. „In Schleswig-Holstein heißt Anbaggern Flirten und nicht anfassen.“ Auf Twitter sorgte diese Aussage teils für Kritik. „Wow, creepy“ urteilte etwa die Autorin Katharina Nocun. „Gänsehaut“, schrieb Schleswig-Holsteins neue Familienministerin Aminata Toure. „Das ist einfach nur disgusting (widerlich).“
Es geht nicht um das Wohlbefinden der Grünen, sondern um das Wohl der Menschen
In der Frage einer Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke ist Kubicki eindeutig: Er halte nichts davon, Daten zu setzen. Man müsse sich am Bedarf orientieren. „Brauchen wir den Strom dringend für unsere Versorgung, dann bleiben die am Netz.“ Es gehe schließlich nicht „um das Wohlbefinden der Grünen, sondern um das Wohl der Menschen“.
Wirtschaftsminister Robert Habeck solle die stabile Stromversorgung mit seinem eigenen Amt und seiner Partei verknüpfen. „Wenn du mir jetzt erklären würdest, du verbürgst dich persönlich dafür, dass wir im Winter keine Probleme bekommen, und wenn das dann doch passiert, dann trittst du nicht nur zurück, sondern dann lösen sich die Grünen auf, darauf würde ich mich einlassen“, sagt Kubicki. Denn dies sei „zum Vorteil für das Land, weil die Grünen dann nicht mehr politisch aktiv wären“.
In der aktuellen Politik sieht Kubicki einen Irrsinn: „Die Menschen leiden heute. Habeck sagt, wir haben kein Stromproblem, aber gleichzeitig sollen die Werbeanlagen um 22 Uhr abgeschaltet werden, und die Leute sollen sich Notstromaggregate kaufen.“ Wenn Teile der Wirtschaft nicht mehr produzieren könnten, dann gebe es auch keine Windkrafträder und keine neuen Spritzen mehr.
Kubicki: „Raketen aus Kaliningrad brauchen zwei Minuten und zehn Sekunden nach Berlin“
Die Gaspipeline Nord Stream 2 aufzudrehen oder Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern, kommt für Kubicki allerdings nicht in Frage. „So lange in der Ukraine kein Frieden hergestellt ist, so lange gibt es überhaupt keine Kompromisslösung.“ Und die ständigen Forderungen seiner Partei-Kollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nach schweren Waffen? Er sei da „eher bei Olaf Scholz“, sagt Kubicki. Die Gefahr sei einfach zu groß. „Raketen aus Kaliningrad brauchen zwei Minuten und zehn Sekunden nach Berlin. Da könnte ich noch nicht mal eine Flasche Wein aufmachen.“ Zu glauben, die Russen würden das nicht machen, sei „verhängnisvoll“. Kritisch sieht der auch die Versorgungssituation der Bundeswehr. Sie habe Munition nur für einen einzigen Tag. „Da beginnt der Begriff ‘Blitzkrieg‘ mit einer völlig neuen Definition belegt zu werden“, ätzt Kubicki.
Auf seine beleidigenden Äußerungen gegenüber Gesundheitsminister Karl Lauterbach und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan angesprochen, betont er, Worte wie „Spacken“ oder „kleine Kanalratte“ seien im Kern eigentlich eher anerkennend gemeint. Es sei „ein Stilmittel, um ein Problem deutlicher zu machen.“ Und bei Ratten denke er an den Film Ratatouille.
Greta Thunberg: Hoffnung in die Grünen? „Nicht wirklich“
Woran Greta Thunberg denkt, will Sandra Maischberger in einem Interview wissen, das sie bereits Anfang Oktober geführt hat und einspielen lässt. Die Klimaaktivistin verlässt bald die Schule. „Schulstreik geht dann nicht mehr, das fühlt sich komisch an“, sagt sie bedauernd. Sie will unbedingt erstmal studieren und weiß noch nicht, welchen Beruf sie irgendwann ergreifen wird. „Mich hat der Aktivismus gerettet“, sagt sie. „Es hat sich bedeutsam angefühlt“. Dass sie „als kleines Mädchen eine weltweite Bewegung ausgelöst“ hat, empfinde sie allerdings selbst eher als „Klischee“. Es wirke auf sie „wie die Handlung in einem schlechten Film“.
Zu den Atomkraftwerken sagt sie ihren erstaunlichen und in den vergangenen Tagen oft vorab zitierten Satz: „Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden.“ Es sei eben ein Problem, „wie groß die Lücke bei den erneuerbaren Energien noch immer ist“. Ob sie denn Hoffnung in die Grünen in Deutschland habe, will Maischberger wissen. Die Antwort ist knapp: „Nicht wirklich.“

Wichtig, so Thunberg, seien die Medien, das habe sich bei Corona gezeigt. „Wenn die Politik die Unterstützung der Medien nicht gehabt hätte, dann wären die Politiker damit nicht durchgekommen.“ Um die Ziele der Klimabewegung zu erreichen, „müssten Staaten ihre Produktivität allerdings ziemlich weit zurückfahren“, gibt Maischberger zu bedenken. Thunberg stimmt zu: „Das wäre katastrophal“. Und was ist die Lösung, will die Moderatorin wissen. „Gute Frage“, sagt Thunberg, „Ich wünschte, jemand hätte eine.“
Ihre persönliche Perspektive sieht Thunberg in der Politik, ohne jedoch Politikerin werden zu wollen. „Klimaaktivistin ein Leben lang?“, fragt Maischberger. Thunberg stimmt zu. „Selbst wenn ich Köchin werde, was nicht passieren wird, könnte ich noch Klimaaktivistin sein.“
Fazit des Talks bei Sandra Maischberger:
Dass die Klimaaktivistin Greta Thunberg plötzlich dafür ist, Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen, führte in kürzester Zeit zu weltweiter Aufregung und überstrahlte auch diesen Abend. Bei Maischberger wirkte die Schwedin teilweise resigniert und erschöpft. NZZ-Korrespondent Alexander Kissler glänzte mit vielen starken und klaren Statements. (Michael Görmann)