Doch im Wahlkampf setzt der Herausforderer trotzdem voll auf Regierungskritik – zielt dabei aber nicht so sehr auf Hannover, sondern vor allem auf Berlin. Die Landtagswahl sei „auch eine Abstimmung über die Bundesregierung“, betont Althusmann. Und tatsächlich sind das Krisenmanagement der Ampel, das Hin und Her um die Gasumlage oder der Streit um den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken die Themen, um die sich der niedersächsische Wahlkampf dreht – Landespolitik findet eher am Rande statt. „So einen Wahlkampf habe ich noch nie erlebt“, sagt Weil.
Auch in Berlin wird die Niedersachsen-Wahl als wichtiger Gradmesser gesehen. Die Entscheidungsträger scheinen sich über ihren Einfluss auf das Ergebnis zu sorgen. Die Folge sind gegenseitige Blockaden in der ohnehin knirschenden Ampel-Koalition.
Dass die zuletzt bei mehreren Landtagswahlen und in Bundesumfragen deutlich schwächelnde FDP bei der Schuldenbremse bisher nicht nachgeben will, dürfte zum Beispiel auch damit zu tun haben, dass die Liberalen ihren Markenkern vor der knappen Wahl nicht weiter schwächen wollen. Schließlich werden sie schon für die verunglückten Gasumlage-Pläne in Mithaftung genommen. Dass es in Deutschland noch Corona-Maßnahmen gibt, nehmen der FDP einige Anhänger ebenfalls übel.
Auch die Grünen fürchten offenbar einen Imageschaden durch die Ampel, der auf die Landtagswahl durchschlagen könnte. So soll der niedersächsische Landesverband keinen geringen Anteil daran haben, dass die grünen Ampel-Politiker beim Weiterbetrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke bis zuletzt eher wenig Bereitschaft zur Bewegung zeigten.
Und die SPD kann es sich kaum leisten, dass Weil sein Amt verliert – es wäre nach den Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW die dritte Niederlage in diesem Jahr. Auch die Kanzlerpartei ist also darauf bedacht, vor der Entscheidung in Niedersachsen tunlichst keine Wähler zu verärgern – und gibt sich neuerdings zunehmend Mühe, sich von den Gasumlage-Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu distanzieren.
In Hannover hingegen stehen die Grünen hoch im Kurs. Im Vergleich zu ihrem Ergebnis von 2017 (8,7 Prozent) hat die Partei deutlich zugelegt – und Weil hat sie zu seinem Wunschpartner für eine neue Koalition erklärt. Auch Althusmann schmeichelt im Tagesspiegel den Grünen, wenn es um eigene Bündnispläne geht. Die seien „eine eigenständige, nicht zu unterschätzende Partei“. Und auch er habe schließlich Ambitionen beim Ausbau der erneuerbaren Energien und zudem eine paritätisch besetzte CDU- Landesliste.
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