1. Startseite
  2. Politik

Wird es ein Wahl-Krimi? Politik-Professor erklärt Dreikampf ums Münchner Rathaus

Erstellt:

Von: Klaus Vick

Kommentare

Kommunalwahl Bayern 2020 OB-Wahl München
Kommunalwahl Bayern 2020 findet am 15. März statt. In München wird es nach Ansicht eines Experten besonders spannend. © dpa / Diether Endlicher

Der Endspurt zur Kommunalwahl 2020 in Bayern läuft. In München ist das OB-Rennen spannend. Politik-Experte erklärt die möglichen Koalitionen und warum es wahrscheinlich eine Stichwahl geben wird.

München - Professor Martin Gross (34) ist ein versierter Kenner der Lokalpolitik. Seine Doktorarbeit verfasste er über „Koalitionsbildungsprozesse auf kommunaler Ebene“. Im Speziellen ging er dabei auf das Thema „Schwarz-Grün in deutschen Großstädten“ ein. Eine Option, die auch in München denkbar ist. Gross lehrt am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU. Unsere Redaktion sprach mit ihm über mögliche Koalitionen, das OB-Rennen in München und die Wahlbeteiligung.

Herr Professor Gross, die Beteiligung bei Kommunalwahlen war in der Vergangenheit extrem niedrig und sank 2014 in München auf ein Rekordtief von 42,0 Prozent. Woran liegt das?

Kommunalwahl 2020: „Kommunalwahlen gelten als zweitklassig“

Professor Martin Gross: Kommunalwahlen werden von vielen Bürgern als nachrangige, zweitklassige Wahlen angesehen, bei denen es nicht um die „große“ Politik geht. Es spielen gerade in kleineren Gemeinden eher sachpolitische Themen eine Rolle, die häufig wenig polarisieren und nicht zur Mobilisierung beitragen.

Die kommunale Ebene ist am nächsten bei den Menschen. Wieso trotzdem dieses Desinteresse?

Professor Martin Gross: Das ist eines der Rätsel der kommunalwissenschaftlichen Forschung. Die Menschen bringen zwar den

Martin Gross (34) lehrt am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU München.
Martin Gross (34) lehrt am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU München. © fkn

Politikern auf der kommunalen Ebene am meisten Vertrauen entgegen, gehen aber dennoch nur in geringer Zahl zur Wahl. Allerdings ist auch die zunehmende, teils erzwungene Mobilität der Menschen bei der Arbeitssuche nicht dazu geeignet, eine starke Verwurzelung mit der Gemeinde oder der Stadt herzustellen. Daher können oder wollen viele Menschen gar keinen Bezug zur Politik vor Ort entwickeln.

Bei den jüngsten Wahlen auf übergeordneter Ebene stieg die Beteiligung wieder rapide an. Auch die Politisierung junger Menschen hat zugenommen, vor allem wegen der Klimaschutzdebatte. Glauben Sie, dass dieser Effekt bei der Kommunalwahl durchschlägt?

Gross: Ja, definitiv. Wir werden einen starken Anstieg der Wahlbeteiligung erleben. Insbesondere in den größeren Städten und vor allem in München wird sich das zeigen, weil dort die Wahlbeteiligung 2014 deutlich niedriger war als in kleineren Gemeinden.

Halten Sie es für realistisch, dass die Beteiligung zumindest über 50 Prozent steigen könnte?

Gross: Davon gehe ich aus.

Ist der Dreikampf um das Oberbürgermeister-Amt ein Aspekt, der die Menschen zum Gang an die Urne motivieren könnte?

Gross: Zum ersten Mal ist nicht von vorneherein sicher, welche Kandidaten in die Stichwahl einziehen werden. Das wird insbesondere die Wähler von CSU, Grünen und SPD zur Wahlurne treiben. Dies wird sich dann auch positiv auf die Beteiligung bei der Stadtratswahl auswirken.

Nachwahlanalysen legen einen Trend offen: Gerade bei Jungwählern – und hier speziell bei Männern –ist die Beteiligung am niedrigsten. Was läuft denn da falsch?

Gross: Im letzten Jahrzehnt war es so, dass gerade die Jungwähler ein geringeres politisches Interesse aufwiesen. Wenn überhaupt, dann interessierten sie sich für nationale und europäische Themen. Dies ändert sich durch die angesprochene Politisierung der Jugend. Mit dem Thema Klimawandel wird auch die starke Verbindung zwischen internationalen Vorschlägen und konkreten politischen Maßnahmen vor Ort viel stärker in den Blick genommen.

Sie haben eine Doktorarbeit über Koalitionsbildungsprozesse auf kommunaler Ebene geschrieben. Der Titel: „Schwarz-Grün in deutschen Großstädten.“ Auch für München ein vorstellbares Modell?

Gross: Unbedingt! Es ist meine feste Überzeugung, dass sich eine Großstadt wie München am besten mit einer stabilen, auf Dauer angelegten Koalition im Stadtrat regieren lässt. Ob das nun eine Zweierkoalition aus CSU und Grünen ist oder doch vielleicht aufgrund des Wahlergebnisses eine Dreierkoalition, bleibt abzuwarten. Die Parteien im Stadtrat werden aber auf jeden Fall versuchen, die Partei des Oberbürgermeisters mit in die Koalition aufzunehmen, da dies das tägliche politische Arbeiten im Zusammenspiel zwischen Stadtrat, OB und Verwaltung sehr erleichtert.

Die Grünen waren in München bei den Landtags- und Europawahlen klar stärkste Kraft. Ein Höhenflug, den sie auf kommunaler Ebene noch bestätigen müssen. Klappt das?

Gross: Ich glaube, sie werden bei der Stadtratswahl deutliche Stimmengewinne verbuchen können. Inwieweit sie eine Chance haben, die Oberbürgermeisterin zu stellen, hängt auch davon ab, ob Katrin Habenschaden* es in die Stichwahl schafft und ob sie dann gegen Dieter Reiter von der SPD antritt – und dann weniger Unterstützung vom linken Lager bekommt. Oder gegen Kristina Frank* von der CSU – und ob dann die SPD ihren Wählerinnen und Wählern empfiehlt, die Kandidatin der Grünen zu wählen.

Viele Beobachter glauben, dass es in München für zwei Parteien gar nicht mehr zu einer Mehrheit reichen wird. Wie ist Ihre Einschätzung?

Gross: Das hängt davon ab, wie sehr auch das Rennen um das OB-Amt am Ende polarisieren wird. Gelingt es Dieter Reiter*, nicht nur für sich, sondern auch für die SPD bei den Stadtratswahlen viele Stimmen zu erringen, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass es für eine schwarz-grüne oder grün-schwarze Koalition im Stadtrat reicht, eher gering. Es könnte dann doch noch einmal für eine Fortsetzung der CSU-SPD-Koalition reichen.

Zu erwarten ist auch eine große Zersplitterung des Münchner Stadtrats mit vielen Gruppierungen. Eine gute oder schlechte Entwicklung?

Gross: Ich sehe dies kritisch, da es die Arbeitsfähigkeit des Stadtrats und der Ausschüsse einschränkt, wenn eindeutige Mehrheitsverhältnisse unwahrscheinlicher werden. Zwar werden ohne eine Sperrklausel im Prinzip eine größere Anzahl an politischen Interessen im Stadtrat vertreten. Allerdings ist eher fraglich, wie die kleinen politischen Gruppierungen, die nur über einen oder zwei Sitze verfügen, überhaupt etwas in der Kommunalpolitik erreichen können.

Zum Abschluss: Woraus bezieht die Wahl am 15. März ihr Spannungsmoment?

Gross: Die beiden spannendsten Fragen sind: Gelingt es den Grünen die stärkste Kraft im Stadtrat zu werden? Und welche beiden Personen ziehen in die OB-Stichwahl ein? Denn einen Sieg eines Kandidaten oder einer Kandidatin mit einer absoluten Mehrheit am 15. März halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Das Interview führte Klaus Vick

Übrigens: Am 29. März finden Stichwahlen dann statt.

„Dieter Reiter darf sich nicht zu sicher sein“, meint Merkur-Redakteur Klaus Vick in seinem Kommentar zur OB-Wahl 2020 in München. Darum könnte es für Reiter eng werden. 

Auch interessant

Kommentare