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Einblick in den Kanzler-Airbus: Mit Riesling und „Rossini“ – so reist Olaf Scholz nach New York

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Von: Christian Deutschländer

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Unterwegs im Kanzler-Tross: Olaf Scholz Reisen sind immer sicher, selten spontan und eng getaktet. Alle 20 Minuten trifft der Bundeskanzler einen neuen Präsidenten.

New York – Die Maschine ist gelandet, da nähert sich ein riesiger blinkender Wurm. Eine Kolonne aus 18 Autos, zuckendes Blau- und Rotlicht, umkreist den Airbus, hält links vorn unter der Flugzeugtür. Leibwächter schälen sich aus den Limousinen, bereit zum Empfang. Der Staatsgast kann jetzt rauskommen, bitte.

Es gibt diskretere Arten, in einem anderen Land anzukommen. Für Olaf Scholz wird es langsam zur Gewohnheit. Gelassen, ein leichtes Lächeln, schreitet er die Gangway in New York runter, keine großen Gesten. Auf Kanzler-Reisen – wie dieser zur UN-Generaldebatte – ist das die Art des Empfangs: Protokoll als Wertschätzung, viel Gewese. Und vor allem: minutiöse Planung, über Wochen hinweg.

Olaf Scholz hat im Airbus ein eigenes Abteil

Jeder Moment einer Auslandsreise des Bundeskanzlers ist genau vorberechnet, manchmal vor Ort vom Vorauskommando durchgespielt. Es beginnt beim Anflug, nein: davor. Die Regierungsmaschine, ein weißer Airbus 340-300 der Luftwaffe, steht auf dem militärischen Teil des neuen Berliner Murks-Flughafens bereit. Gut gesichert, auch gegen Corona. In die Nähe darf eh nur, wer aktuell PCR-getestet ist, dann noch ein Schnelltest unter Aufsicht vor dem Check-in. An Bord herrscht Maskenpflicht, seit es neulich hässliche Schlagzeilen vom Oben-ohne-Flug nach Kanada gab.

Der Kanzler hat ein eigenes Abteil vorne rechts im Airbus mit bequemen beigen Sesseln, dann ein Besprechungszimmer. Der Rest gruppiert sich nach Wichtigkeit. Fünf Reihen Business-Stühle für die engen Mitarbeiter, dann 13 Reihen Economy, unter anderem für 20 mitreisende Journalisten. Auch da sind die Abstände aber erträglicher als im Malle-Bomber. Auf dem kleinen Bildschirm laufen zumindest 19 Filme, von „Rossini“ bis „Batman“. Der Riesling an Bord heißt „Dem Himmel so nah“. Und irgendwann, 34.000 Fuß über dem Atlantik, kommt auch der Kanzler nach hinten, hemdsärmelig. Plaudern, oder wie Journalisten das nennen: Hintergrundgespräch.

Scholz‘ Reisen sind bis auf den letzten Meter durchgeplant

Viel an der Reiseplanung ist Routine, Standard für erfahrene Protokollbeamte. Auch in New York, eine der aufwendigeren Kanzler-Reisen. Im Hintergrund, von den meisten in der 60-köpfigen Delegation unbemerkt, werden Visa der Reisepässe kontrolliert, Koffer verladen und wie von Zauberhand ins richtige Hotelzimmer gestellt. Tage vorher ist schon geregelt, welche Kilometer der Kanzler fährt, welche Meter er läuft. Falls er fährt, ist die Wagenfolge in der Kolonne genau eingeteilt. In New York heißt das: US-Polizei vorne und hinten, dazwischen Kanzlerlimousine, Bodyguardfahrzeuge S1 bis S3, Begleitautos für Mitarbeiter, Diplomaten, Presse-Minibus, Reservewagen, Gepäckvan. Keine Kompromisse bei der Sicherheit, auch im Hotel. Liegt der Kanzler in Zimmer 4001, ist Zimmer 4002 für einen Beamten des Bundeskriminalamts reserviert, und ein paar weitere auf diesem Flur auch.

Unwägbarkeiten? Ein Ausbruch aus dem Protokoll? Auf dieser Ebene selten. Der frühere Entwicklungsminister Gerd Müller, CSU, war auf seinen Afrikatouren dafür gefürchtet. Ließ plötzlich seine Kolonne an einer Riesenmüllkippe anhalten, um durch den Dreck zu stapfen und mit Müllsammlern zu sprechen.

Trotz enger Taktung nimmt sich Scholz ein paar Minuten für sich

Beim Kanzler geht so was kaum. Zu eng getaktet (Scholz trifft die Präsidenten mitunter im 20-Minuten-Takt), jede falsche Geste kann zur Staatsaffäre werden. Wobei es auch noch extremer geht: Am Wochenende wird er in drei Golfstaaten reisen, Flüge und allerlei Könige, Kronprinzen, Emire binnen 36 Stunden.

In New York lässt sich Scholz nicht anmerken, ob er jetzt gerne mit Umaro Mokhtar Sissoco Embalo, dem Präsidenten von Guinea-Bissau speed-datet. Oder lieber durch die Stadt schlendern würde. Aber ein bisschen Freiraum boxt er sich trotzdem raus, ohne dass es die meisten im Begleittross merken: Im Morgengrauen joggt er eine Runde durch den Central Park.

Christian Deutschländer

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