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Olympia in China liefert Zündstoff: Erste Politiker fordern Verlegung - Debatte könnte Europa bald hart treffen

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Von: Christiane Kühl

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Spaziergänger:innen vor Olympia-Logos im Pekinger Olympia-Distrikt Yanqing im Nordwesten der Stadt.
Spaziergänger:innen im Olympia-Distrikt Yanqing bei Peking vor Logos der Winterspiele - werden Boykottaufrufe die Spiele ausbremsen? © picture alliance/dpa/kyodo

2022 sind Olympische Winterspiele in Peking angesetzt. Politiker in den USA und Kanada fordern wegen der massenhaften Inhaftierung von Uiguren eine Verlegung. Die Debatte dürfte nach Europa schwappen.

Ottawa/Peking - Olympia in China 2022 - das sportliche Event könnte schon bald zum Politikum werden: In Kanada haben bereits 13 Parlamentsabgeordnete die Verlegung der Winterspiele von Peking an einen anderen Ort gefordert. Wie die kanadische Zeitung Global News am Wochenende berichtete, schrieben die Abgeordneten in einem offenen Brief, eine Teilnahme würde die Athleten „beschmutzen“.

Auch in den USA hatten sich in den vergangenen Wochen mehrere republikanische Kongressabgeordnete für eine Verlegung stark gemacht. Menschenrechtsorganisationen machen ebenfalls Druck: 180 Menschenrechtsgruppen - darunter große Organisationen wie Human Rights Watch, sowie die Tibetische Vereinigung in Deutschland und die Gruppe „Germany Stands with Hong Kong“ - forderten in einem offenen Brief an die Regierungen in aller Welt einen Boykott der Pekinger Spiele: „Alles andere würde als Bestätigung der autoritären Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas und als offensichtliche Missachtung der Bürger- und Menschenrechte angesehen.“ Der neue US-Präsident Joe Biden äußerte sich zunächst nicht selbst zu dem Thema. Auch das IOC oder die EU halten sich vorerst bedeckt.

Olympische Winterspiele in China: Gegner:innen fordern Verlegung aus Peking oder Boykott

Grund für die Proteste ist vor allem die Lage in Xinjiang im Westen Chinas. Dort sollen bis zu einer Million Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten in Lagern interniert sein. Menschenrechtsgruppen und Forscher werfen China vor, die Menschen in den Lagern gegen ihren Willen zu sozialistisch denkenden Staatsbürgern umzuerziehen und zu Zwangsarbeit etwa auf Baumwollfeldern zu verpflichten.

China wehrt sich bereits öffentlich gegen die Boykottaufrufe - ein Zeichen, dass Peking sie ernst nimmt. Außenamtssprecher Wang Wenbin nannte diese Aufrufe in der vergangenen Woche „verantwortungslos“. „Solche Aktionen werden von der internationalen Gemeinschaft nicht unterstützt und werden niemals erfolgreich sein“, sagte Wang vor Journalisten. China räumte die Existenz dieser Lager inzwischen ein, weist aber zurück, dass es sich um Umerziehungslager handelt. Vielmehr dienten die Lager zur Deradikalisierung extremistischer Muslime. Uiguren bekommen dort eine Ausbildung, die ihre Chance auf dem Arbeitsmarkt verbessere, so die offizielle Sprachregelung.

Überzeugt hat Peking mit dieser Lesart den Westen bislang kaum. Zumal es auch Berichte gibt, dass die Region Xinjiang voller Überwachungskameras ist. Auch gibt es einzelne Berichte über Folterungen oder Zwangssterilisationen uigurischer Frauen in der Region. Die Einordnung der Berichte hat Auswirkungen auf die Politik. Sind es Unterdrückungsmaßnahmen gegen Andersdenkende in einem zunehmend autoritären Staat, ist es eine erzwungene Assimilation - wie sie China in seiner langen Geschichte immer wieder in eroberten Grenzregionen betrieb - oder gar ein Genozid? So hatte der ehemalige Außenminister Mike Pompeo an seinem letzten Tag im Amt die Lage in Xinjiang bezeichnet. Sein Nachfolger Anthony Blinken stimmte dieser Einschätzung während seiner Anhörung im Senat zu. Andere Kritiker sprechen eher von „kulturellem Genozid“, also einer geplanten Auslöschung der kulturellen Identität - nicht des Lebens - der Uiguren.

China regiert mit harter Hand in Xinjiang: Wie entscheidet Joe Biden beim Thema Olympia in Peking?

Auch wenn Letzteres die Sache wohl eher trifft, ist das Wort in der Welt. Und das macht die Lage für Joe Biden in einer ohnehin komplizierter gewordenen Welt nicht einfacher. Nach einem Bericht der Washington Post unter Berufung auf einen Diplomaten laufen auf der Arbeitsebene hinter den Kulissen Gespräche mit den Verbündeten im Westen, wie man angesichts des Völkermord-Vorwurfs mit den Spielen umgehen solle. Das Thema könnte zu einem „frühen Brennpunkt der entstehenden China-Politik der Regierung werden“, so die Washington Post. „Wir werden eng mit Verbündeten und Partnern auf allen Ebenen zusammenarbeiten, um unsere gemeinsamen Anliegen zu definieren und unseren gemeinsamen Ansatz für China festzulegen“, teilte das Weiße Haus mit. Die Debatte dürfte also demnächst nach Europa herüber schwappen.

Aufstieg Chinas: Außenpolitik für US-Präsident Joe Biden von Anfang an kompliziert

China ist einer der Hauptgründe dafür, dass Biden keine außenpolitische Schonfrist bekommt. Schon in seiner ersten Amtswoche musste er in die schwelenden Konflikte in Ostasien eingreifen; ein noch von Trump entsandter US-Flugzeugträger befindet sich im südchinesischen Meer. China ist eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, die sich - anders als in der Vergangenheit von vielen erhofft - nicht mit zunehmendem Wohlstand demokratisiert. Im Gegenteil, China wird mit wachsender Wirtschaftsmacht zum ökonomischen und geopolitischen Konkurrenten der USA.

Peking stellt das Prinzip universeller Demokratisierung in Frage - die Zusammenarbeit mit anderen demokratischen Staaten wie der EU ist für Biden daher Kampf um Erhalt und Stärkung der Demokratie sehr wichtig. In Bereichen wie etwa dem Klimaschutz müssen die USA - ebenso wie die EU - aber zwingend mit China zusammenarbeiten, um überhaupt etwas erreichen zu können.

Mitglieder des chinesischen Olympia-Komitees inspizieren die Skipisten am Nationalen Alpinen Skizentrum nordwestlich von Peking.
Blick auf die präparierten Skipisten am Nationalen Alpinen Skizentrum nordwestlich von Peking. Ob dort in einem Jahr internationale Athleten starten werden? © Mark Schiefelbein/picture alliance/dpa/AP

Die Debatte um Olympia zeigt derweil auch, wohin es führt, wenn sich westliche demokratische Staaten von der Ausrichtung der Spiele zurückziehen. Peking bekam die Spiele zugesprochen, nachdem mehrere europäische Kandidaten, darunter Oslo, Stockholm und München, ihre Bewerbung aus politischen und finanziellen Gründen zurückgezogen hatten. Bürgerentscheide in Bayern lehnten 2013 die Austragung der Spiele in München, Garmisch-Partenkirchen und zwei weiteren Landkreisen ab. Beijing gewann dann die Wahl mit 44 zu 40 Stimmen gegen Almaty im ebenfalls autoritär regierten Kasachstan.

Olympische Spiele: Unsicherheit auch wegen des Coronavirus

Eine weitere Unsicherheit für die kommenden Olympischen Spiele - nicht nur jene in Peking, sondern auch die auf dieses Jahr verschobenen Sommerspiele in Tokio - ist das Coronavirus. Ob Großveranstaltungen wie diese überhaupt in nächster Zeit stattfinden können, wird stark von der globalen Entwicklung der Pandemie abhängen.

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