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Reform der Organspende: Pro und Contra zur Widerspruchslösung von Spahn

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Von: Wolfgang Hauskrecht, Bernd Kreuels

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Kommt es zur Widerspruchslösung? Der Bundestag stimmt über die Organspende-Reform ab.
Kommt es zur Widerspruchslösung? Der Bundestag stimmt über die Organspende-Reform ab. © dpa / Soeren Stache

Wie entscheidet der Bundestag über die Widerspruchslösung. Die Abstimmung über die Organspende-Reform wird mit Spannung erwartet. Unser Pro und Contra zum Thema.

München - An diesem Donnerstag (16. Januar) entscheidet der Bundestag über die Reform der Organspende. Die Abgeordneten haben die Wahl zwischen der Widerspruchslösung und der Entscheidungslösung. Für erstere tritt Jens Spahn ein. Doch was spricht für die Option des Gesundheitsministers? Unser Pro und Contra.

Organspende - Pro Widerspruchslösung: Ein Nein ist jedem zumutbar

Es ist ein trauriges Bild, das Deutschland bei Organspenden abgibt. In Westeuropa hält man die rote Laterne mit gerade mal 11,5 Spendern pro eine Million Einwohner. 3113 Organe wurden 2018 gespendet - 9397 Deutsche stehen auf der Warteliste. 719 von ihnen warten auf ein Herz. Die Wartezeit auf eine Niere beträgt aktuell fast zehn Jahre. Die Folge: Rund 1000 Menschen sterben jedes Jahr, weil kein rettendes Organ in Sicht ist.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass 80 Prozent der Deutschen eigentlich spendebereit sind - aber nur etwa jeder Dritte hat einen Organspendeausweis. Bedeutet: Unser aktuelles Spendesystem ist nicht sonderlich effektiv. Zu wenige Menschen beschäftigen sich mit dem Thema, solange sie nicht selbst betroffen sind. Mit der Widerspruchslösung würde das anders. Nach wie vor muss niemand spenden, er kann jederzeit auf einfache Weise widersprechen.

Organspende - Pro Widerspruchslösung: Viele Nicht-Spender wären dazu bereit

Ein einfaches Nein,

Findet das aktuelle Spendesystem „nicht sonderlich effektiv“: Wolfgang Hauskrecht unterstutzt die Widerspruchslösung.
Findet das aktuelle Spendesystem „nicht sonderlich effektiv“: Wolfgang Hauskrecht unterstutzt die Widerspruchslösung. © Andreas J. Focke

ist das zu viel verlangt? Nein, ist es nicht. Wer gerne ein Spenderorgan hätte, sollte auch bereit sein, eines zu geben. Das ist nur solidarisch. Und wer Organspenden grundsätzlich ablehnt, kann ja ebenfalls widersprechen.

Menschen könnten zu Spendern werden, die das gar nicht wollen, lautet ein Argument gegen die Widerspruchslösung. Ja, könnte sein, wenn jemand das Thema weiter verdrängt. Derzeit sind aber weit mehr Deutsche Nicht-Spender, die eigentlich dazu bereit wären. In dieser Abwägung sollte man sich für eine Lösung entscheiden, die Leben rettet.

Wolfgang Hauskrecht

Organspende - Contra Widerspruchslösung: Ein bewusstes Ja des Spenders

Jeder, der in Not gerät - und wem steht das Wasser nicht mal in der ein oder anderen Weise bis zum Halse? -, wünscht sich nichts sehnlicher als das Angebot von Solidarität. Gerne nimmt man sie an, die freiwillige Bereitschaft des Gebers vorausgesetzt. Eine solche Hilfe kann in Worten voller Empathie oder buchstäblich der Rettung vorm Ertrinken bestehen. Besonders selbstlos ist es, einem unbekannten Leidenden das Leben zu retten, indem man Leber oder Lunge spendet.

Für eine so extrem intime Entscheidung muss natürlich ein bewusstes Ja des Spenders vorliegen. Weitestmögliche Selbstbestimmung ist schließlich ein Menschenrecht. So will jeder gefragt werden, wenn es im Internet bloß um die Freigabe privater Fotodateien vom letzten Strandurlaub geht. Und beim Schnitzelessen möchte sich ebenfalls keiner - wie jüngst geschehen - von Politikern etwas diktieren lassen. Um wie viel mehr gilt das für die Weitergabe des noch warmen Herzens oder der Nieren nach dem (Hirn-)Tod?

Organspende - Contra Widerspruchslösung: Am Lebensende nicht das Ersatzteillager für andere sein

Das Prinzip „Schweigen bedeutet Zustimmung“

Kann mit dem Prinzip „Schweigen bedeutet Zustimmung“ nichts anfangen: Bernd Kreuels spricht sich gegen die Widerspruchslösung aus.
Kann mit dem Prinzip „Schweigen bedeutet Zustimmung“ nichts anfangen: Bernd Kreuels spricht sich gegen die Widerspruchslösung aus. © Klaus Haag

mag bei Stammtischdiskussionen Usus sein, hier reicht es nicht aus. Moralisches Handeln ist löblich und das Fehlen von dringend benötigten Spenderorganen oft dramatisch. Trotzdem darf Vater Staat nie selbstherrlich und übergriffig vorschreiben, dass ausdrücklich widersprechen muss, wer sich zur Spende nicht entscheiden kann. Das wäre legitim, wenn man am Lebensende vor allem als Ersatzteillager für andere angesehen würde. Das kann aber niemand ernsthaft wollen.

Bernd Kreuels

Eine Fachärztin erklärt im Interview, wann ein Organspender wirklich als tot angesehen wird. Ein ungewöhnlicher Notruf führte dazu, dass Polizisten bei einer Nierentransplantation halfen. Nachdem ein Siebenjähriger vergeblich auf ein Spenderherz gewartet hatte, starb er in der Silvesternacht.

Update vom 16. Januar 2019: Der Bundestag entscheidet darüber, wie die Organspende zukünftig gesetztlich geregelt wird. Die Fraktionsdisziplin wurde für diese Entscheidung bei den Parteien ausgesetzt.

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