1. Startseite
  2. Politik

Neu-Partei AfD: "Brauchen den Euro nicht"

Erstellt:

Kommentare

null
„Wir brauchen den Euro nicht“: Bernd Lucke will zur Bundestagswahl antreten. © dpa

München - Die nächste Partei versucht ihr Glück: In Berlin formiert sich eine Anti-Euro-Partei. Unter den Helfern finden sich mehrere alte Bekannte aus München. Sie versuchten schon einmal eine Neugründung.

Das alte Interconti hat prominentere Gäste erlebt als diese. Es hat Alfred Hitchcock beherbergt und Marlene Dietrich, Michael Jackson kam mal und wollte Disney-Videos gucken. Henry Kissinger passte mit seinem 6,5-Meter-Cadillac nicht in die Garage und parkte im Ballsaal. Und jetzt? Am Sonntag reisen ein paar ältere Herren an. Im Interconti Berlin lädt ihre wenige Wochen alte Partei AfD zum ersten Parteitag. Vielleicht wird das aber wichtiger als all die alten Promi-Gäste zusammen.

Unter dem Schlagwort „Alternative für Deutschland“ planen sie einen stramm euroskeptischen Kurs. Krisenländer sollen die Eurozone verlassen. Die anderen Staaten sollen prüfen, ob auch sie wieder nationale Scheine drucken. „Deutschland braucht den Euro nicht“, wird ein Slogan der „AfD“ bei der Bundestagswahl im Herbst lauten.

1500 Mitglieder und Gäste sollen ins Interconti strömen – mehr passen nicht in den Saal. Sie sollen der AfD eine Satzung geben, eine Strategie, einen Vorstand. Als Parteichef will sich einer der Gründer ins Spiel bringen, der Hamburger Ökonomie-Professor Bernd Lucke, 50.

Die Republik schaut neugierig nach Berlin. Die AfD verursacht Unruhe im Parteienspektrum. Zu hunderten sind Mitglieder in den vergangenen Wochen übergelaufen. Unter den über 7000 Mitgliedern, meist ältere Akademiker, sind laut der Zeitung „Welt“ 600 Ehemalige aus der CDU, 130 aus der CSU, von FDP und SPD kamen je gut 300, knapp 100 von den Piraten und 67 von den Grünen. Hart trifft es zudem die Freien Wähler: Unter lautem Protest verließen mehrere Gruppen die Aiwanger-Truppe, darunter sogar Landesvorsitzende.

Ein Sammelbecken Unzufriedener, die sich über die angeblich „alternativlose“ Euro-Politik ärgern – genauer lässt sich die AfD bisher kaum einordnen. In linken Internet-Foren wird die neue Partei als rechtsextrem bezeichnet, von der NPD wird sie gelobt – Lucke mag indes nicht mal das Etikett „rechtspopulistisch“ akzeptieren. Wer also wird die Klientel sein am Sonntag? Lucke, selbst bis 2011 in der CDU, sagt, er habe bisher keine Anzeichen für rechtsradikale Umtriebe.

Anfällig dafür sind neue Parteien. In Hamburg positionierte sich die „Schill“-Partei um einen harten Richter klar als rechtspopulistische Protestgruppe. Ähnlich agierte der „Bund freier Büger“ (BfB) in den 90ern in Bayern. Ungebetene Gäste sogar aus der Radikalen-Szene tauchten bei öffentlichen Terminen der Freien Wähler mehrfach auf.

Personell gibt es große Parallelen zum „BfB“. Die Professoren Schachtschneider und Starbatty waren dort, sie beraten nun die AfD. Spekuliert wird auch über einen gemeinsamen Finanzier, Milliardär August von Finck. Der Schweizer stammt aus München, seine Ahnen gründeten hier Konzerne und Banken, er spendet mittelbar großzügig an Parteien. Offizielle Dokumente belegen AfD-Spenden bisher nicht. Beim Bundestag, der alles über 50 000 Euro veröffentlicht, muss sich die AfD erst künftig offenbaren.

Es ist übrigens nicht die einzige Spur nach Bayern. Die PR-Agentin Dagmar Metzger, die früher für Aiwangers Auftritte warb und die „Münchner Wirtschaftsgespräche“ betreut, engagiert sich nun in der Führung der AfD. Der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim, der bei den Wirtschaftsgesprächen auftreten durfte, gibt just in diesen Tagen ein Buch heraus, das bayerische Politiker generell als „Selbstbediener“ brandmarken soll. „Der Hauptkriegsschauplatz ist nicht Berlin, sondern München“, wird in der wahlkämpfenden CSU beobachtet. Von außen betrachtet, entsteht der Eindruck eines Netzwerks, das von Partei zu Partei weiterzieht und eine Basis für die Anti-Euro-Kampagne sucht.

Ein Selbstläufer sind Parteigründungen nämlich nicht. Schill: Partei aufgelöst, Gründer soll in Rio leben. BfB: Seit 2000 bedeutungslos, Gründer aus der Öffentlichkeit verschwunden. Als Einzige schafften es Grüne und Linke, sich bundesweit dauerhaft zu halten. Die Piraten sind nach wildem Hoch auf dem Abstieg, streiten intern wüst.

Bierunion und Sexpartei: Die irrsten Parteien

Der AfD werde es ähnlich gehen, prophezeit Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. „Sobald man sich auf verschiedenen Feldern programmatisch positioniert, kommt Streit und Uneinigkeit“, sagte sie der „tz“. Zudem fehle ein „Kopf, der die Leute emotional mitnimmt“.

Im Interconti zeigt sich nun, wie scharf der Anti-Euro-Kampf wird. Immerhin: Der Eigenbeitrag zum Mittagessen ist in der gültigen Währung zu leisten: 30 Euro

Von Christian Deutschländer

Auch interessant

Kommentare