Als eine brisante Nachricht plötzlich verschwand: Holt Pistorius diese Panne im neuen Amt ein?
Deutschland diskutiert: ist der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius wirklich der Richtige für das Amt? Er gilt als robust und durchsetzungsstark, doch ein Fehler hätte beinahe fatale Folgen gehabt.
München – Gerade erst ist Verteidigungsminister Boris Pistorius gestartet, doch schon könnte ihm jetzt diese Geschichte auf die Füße fallen. Es war das Jahr 2018, die Zeit kurz nach der großen Fluchtbewegung nach Deutschland. Doch die Migrationskrise war weiter allgegenwärtig, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz Bamf, sich ein paar fatale Patzer leistete. Am Ende musste Chefin Jutta Cordt ihren Hut nehmen, der damalige Innenminister Horst Seehofer hatte durchgegriffen.
Das Amt stand in der Kritik, weil die Bremer Außenstelle vielen Menschen unrechtmäßig Asyl gewährt haben soll. Boris Pistorius, damals Innenminister Niedersachsens, hatte Informationen darüber, verwertete sie jedoch aus rätselhaften Gründen nicht. Der Fall machte damals bundesweit Schlagzeilen. Kann dieser alte Vorgang den neuen Verteidigungsminister jetzt einholen? Eine aktuelle Anfrage vom Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA ließ Boris Pistorius unbeantwortet.
Heute ist Pistorius Bundesverteidigungsminister, vereidigt wurde er am Donnerstag. Kanzler Olaf Scholz hat ihn nach dem Rücktritt Christine Lambrechts (So viel Geld bekommt sie noch vom Staat) aus Niedersachsens Innenministerium losgeeist. Er gilt als robust und durchsetzungsstark. „Einer unserer Besten“, meint SPD-Kollegin Katarina Barley, FDP-Vize Wolfgang Kubicki sieht in ihm bereits „die letzte Patrone von Olaf Scholz“, und der Kanzler lobte die Wahl seines aktuell wohl wichtigsten Ministers im Ukraine-Krieg: „Boris Pistorius ist nicht nur ein Freund und guter Politiker, sondern er verfügt auch über sehr, sehr viele Erfahrungen in der Sicherheitspolitik.“ Dem Juristen soll nun die Bundeswehr-Zeitenwende mit dem 100-Milliarden-Budget gelingen.

Designierter Verteidigungsminister Pistorius: Als eine brisante Mail im Bamf-Skandal plötzlich verschwand
Eine Panne wie vor fünf Jahren in Hannover sollte sich Pistorius dabei nicht leisten. Denn Facebook- und SMS-Nachrichten, die dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA seit damals voliegen, zeigten, dass der damalige niedersächsische Innenminister Pistorius bereits im Sommer 2017 Kenntnis von den Unregelmäßigkeiten sowie von dem Betrugsverdacht gegen die damalige Leiterin der Bamf-Außenstelle Bremen hatte.
Michaela Engelmeier, zu diesem Zeitpunkt im SPD-Bundesvorstand, hatte ihn mündlich auf die Missstände im Bamf aufmerksam gemacht, weil ein ihr bekannter Bamf-Mitarbeiter von einem „Sicherheitsrisiko!!!“ in der Behörde berichtete und Alarm schlug: „Wenn das bekannt wird, muss der Innenminister (de Maizière d.Red.) gehen und Merkel hat ein dickes Problem.“ Pistorius forderte eine E-Mail des Bamf-Mitarbeiters und versprach, sich um den Sachverhalt zu kümmern. Sein Sprecher bestätigte uns gegenüber den Maileingang am 26. Juni 2017: Da sich Pistorius zu diesem Zeitpunkt jedoch im Urlaub befand, habe er diese Mail wie üblich noch am selben Abend an sein Büro weitergeleitet. „Es kann leider derzeit aufgrund von turnusmäßigen Löschungen nicht nachvollzogen werden, an welche Stelle im Ministerium diese Mail gegangen ist“, so die weitere Auskunft. Eine bittere Schlamperei.
Als ihn Engelmeier im Mai 2018, kurz nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten rund um die Asyl-Behörde, erneut darauf ansprach, erwiderte Pistorius ihrer Erinnerung nach bloß: „Nö, dabei handelt es sich nicht um den besprochenen Fall.“ An dieses Gespräch will sich Pistorius unseren Informationen nach nicht erinnern können, verkündete jedoch, dass er es als besonders ärgerlich erachte, da es sich um einen so brisanten Vorgang handele. Eine solche Panne sei seinem Büro bisher nie passiert. Auch er selbst habe die Mail nach dem Urlaub vergessen gehabt, so Pistorius.
Pistorius und die Bamf-Mail: Drei Fragen bleiben ungeklärt
Das Brisante: Die Schlamperei geschah nur wenige Monate vor der Bundestagswahl 2017, nach deren Ausgang sich Pistorius berechtigte Hoffnungen auf den Job des Bundesinnenministers hätte machen dürfen – hätte die SPD die Wahl mit ihrem Kandidaten Martin Schulz gewonnen.
Pikant auch: Laut dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Stefan Birkner habe Pistorius sich nicht darum bemüht, die E-Mails über die IT-Niedersachsen wiederherstellen zu lassen. „Es ist erstaunlich, dass das Ministerbüro offensichtlich einer kollektiven Amnesie anheimfällt. Das wirft auch die Frage auf, ob die Sicherheit des Landes bei Boris Pistorius in guten Händen ist“, sagte Birkner laut taz.
Ein dritter Punkt macht stutzig: Der Fall Bremen muss Pistorius bekannt gewesen sein. Schon im September 2016 hatte er höchst selbst einen internen Brief an den damaligen Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise geschickt. Pistorius warf „grundsätzliche Fragen der Zusammenarbeit“ mit der Bremer Außenstelle auf. Zudem betonte er die Dringlichkeit seines Anliegens. Warum er und sein Ministerium den Fall nur wenige Monate später derart unterschätzten, bleibt ein Rätsel. „Warum hätte ich so etwas ausgerechnet im Bundestagswahlkampf für mich behalten sollen?“, fragte Pistorius damals im Merkur-Gespräch. Eine Antwort darauf hat er bis zum heutigen Tag nicht gegeben. Als Bundesverteidigungsminister nimmt er auf dem Schleudersitz im Kabinett Platz, dort sollte sich eine solche Schlamperei lieber nicht wiederholen.