„Politische Mogelpackung“: FDP, Linke und Grüne ziehen wegen Wahlrechtsreform vors Bundesverfassungsgericht

Nachdem Union und SPD im Oktober sich auf ein neues Wahlrecht geeinigt haben, ziehen drei Oppositionsparteien damit nun vor Gericht. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss nun entscheiden.
- Weil der Bundestag zu groß ist, braucht es dringend eine Wahlrechtsreform.
- Die Novelle der Großen Koalition stößt bei FDP, Grünen und Linken auf Ablehnung.
- Die drei Oppositionsparteien haben den Gang zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe angekündigt.
Berlin - 709 Abgeordnete sitzen aktuell im Bundestag. So viele wie noch nie zuvor. Das führt aber zu einem Problem: Der Bundestag ist zu groß! Darin sind sich alle Politiker - egal welcher Partei sie angehören - einig. Eine Reform des Wahlrechts gestaltet sich aber schwierig. Im Oktober hatte die Große Koalition dann endlich eine Lösung gefunden: Drei Überhangsmandate werden künftig nicht mehr ausgeglichen. Das Problem: Gegen die Reform klagen jetzt FDP, Grüne und Linke!
Es sei eine „politische Mogelpackung“, das Gesetz sei „grottenschlecht“ heißt es von Oppositionspolitikern. Als einziger Ausweg bleibt der FDP, den Grünen und den Linken nur noch der gemeinsame Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Er hat jetzt die Aufgabe, eine Lösung in einer verzwickten Frage zu finden. Denn das Ziel ist bei allen Parteien weiterhin dasselbe: Eine Verschlankung des Bundestags.
Neues Wahlrecht „politische Mogelpackung“: Drei Oppositionsparteien ziehen vors Bundesverfassungsgericht
FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann verkündete den Gang nach Karlsruhe am Freitag (27.11.). Es werde eine sogenannte abstrakte Normenkontrolle angestrengt, weil die Gesetzesnovelle ihren Zwecke „objektiv nicht“ erfülle, eine weitere Vergrößerung des Bundestags zu verhindert. Er drohe „auch nach der nächsten Bundestagswahl zu wachsen und damit an Funktionstüchtigkeit und Ansehen einzubüßen“, so Buschmann.
Eigentlich sieht das Bundeswahlgesetz 598 Parlamentarier vor. Aktuell sind es eben jene 709. Ohne Änderung des Wahlrechts könnte bei der Bundestagswahl 2021 zum ersten Mal die 800er Marke geknackt werden. Der sprunghafte Anstieg hat mit den sogenannten Überhangsmandaten zu tun. Diese entstehen, wenn eine Partei bei der Wahl zum Bundestag mehr Direktmandate über die Erststimmen erhält, als ihr Sitze gemäß der Anzahl der Zweitstimmen zustehen. Die jeweilige Partei kann also mehr Mitglieder ins Parlament schicken, als ihr der Anteil an den Zweitstimmen eigentlich verspricht.
Bundesverfassungsgericht soll nun entscheiden - FDP, Grünen und Linken gehen nach Karlsruhe
Die von Union und SPD nun beschlossene Reform soll die ansteigende Zahl an Parlamentariern stoppen, jedoch nicht genug, wie FDP, Grüne und Linke finden. Der Linken-Rechtsexperte Friedrich Straetmanns sagte, die Wahlrechtsänderung sei „verfassungsrechtlich nicht haltbar“ und eine „politische Mogelpackung“, da sie nicht zur Verkleinerung des Bundestags geeignet sei. Außerdem warf Straetmanns der Union vor, sich mit der Reform einen Vorteil verschaffen zu wollen.
Der Vorschlag von Union und SPD sieht vor, dass drei Überhangsmandate künftig nicht mehr ausgeglichen werden. Das würde nach derzeitigen Umfragen der CDU/CSU Vorteile bringen. Zudem sollen weitere Überhangsmandate in begrenztem Umfang mit Listenmandaten derselben Partei in anderen Bundesländern verrechnet werden. Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, bezeichnete daher das neue Wahlrecht als „grottenschlecht“. Es handele sich um „eine Scheinreform“, die ihren Zweck nicht erfülle. Ob dies so ist, muss nun vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden werden. Er hat das nächste Wort im Streit um eine neues Wahlrecht.