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Proteste im Iran gehen weiter: Vier Tote bei Brand in Gefängnis – neue Details zum „Blutigem Freitag“

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Von: Bettina Menzel

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Trotz des gewaltsamen Vorgehens iranischer Behörde und Sicherheitskräfte gehen die Proteste im Iran weiter. Am Samstag brannte ein Gefängnis in Teheran, in dem auch Regimegegner sitzen.

Teheran - Die Protestwelle im Iran geht weiter - es ist die fünfte Woche in Folge. Demonstranten werfen den Sicherheitskräften und Behörden gewaltsames Vorgehen vor. Nach und nach kommen die Hintergründe zum „Blutigen Freitag“ ans Licht, der bislang brutalsten Niederschlagung einer Demonstration seit Beginn der Protestwelle. Indes kam es am Samstagabend im Ewin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt zu Bränden. Dort sitzen offenbar auch hunderte Menschen ein, die während der Demonstrationen für Menschen- und Bürgerrechte festgenommen worden waren.

Iran: Details über “Blutigen Freitag“ bei Protesten in Zahedan bekannt

Im ganzen Land gehen die Sicherheitskräfte offenbar brutal gegen Demonstrierende vor. Die Zerschlagung der Proteste in der Stadt Zahedan im Südosten des Iran forderte bislang die meisten Todesopfer. Der Vorfall vom 30. September war als „Blutiger Freitag“ bekannt geworden, doch aufgrund der Internetzensur im Land kamen die Details erst rund zwei Wochen später ans Licht. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sprachen von 66 bis 96 Toten innerhalb weniger Stunden, darunter offenbar auch Kinder.

Berichten zufolge war eine kleine Gruppe von Gläubigen nach dem Freitagsgebet aus der Moschee Great Mosalla in die gegenüberliegende Polizeistation gegangen, um dort zu demonstrieren. Dabei sollen die Protestierenden regierungsfeindliche Slogans skandiert und teils Steine auf die Beamten geworfen haben. Die Sicherheitskräfte begannen daraufhin offenbar wahllos in die Menge zu schießen, wie die New York Times am Freitag berichtete.

Proteste im Iran: Augenzeugen über „Blutigen Freitag“ - „Es war ein Massaker“

Die US-amerikanische Zeitung beruft sich in ihrem Bericht über den „Blutigen Freitag“ in Zahedan auf Videos sowie mehrere Augenzeugenberichte. Willkürlich sei auf unbewaffnete Menschen und in Richtung der Moschee geschossen worden, auch Hubschrauber seien zum Einsatz gekommen. „Es war ein Massaker, das ich bisher nur in Filmen gesehen hatte“, sagte ein Augenzeuge der New York Times. „Sie fingen an zu schießen, als die Leute noch ihre Köpfe zum Gebet gesenkt hatten.“ Ein von der Zeitung verifiziertes Video zeigt offenbar Scharfschützen, die vom Dach der Polizeistation in die Menge feuerten.

Die Demonstrationen im Iran waren nach dem Tod von Mahsa Amini ausgelöst worden. Die 22-Jährige war wegen eines schlecht sitzenden Kopftuchs festgenommen worden und verstarb in Haft unter noch ungeklärten Umständen. Die EU-Länder hatten sich kürzlich auf Sanktionen gegen den Iran geeinigt.

Brände in Ewin-Gefängnis in Teheran: Vier Menschen sterben, 61 verletzt

An vielen Orten im Iran gab es in dieser Woche weiter Proteste, etwa an der Schariati-Universität in der Hauptstadt Teheran. Dort riefen Frauen ohne Kopftuch etwa „Die Mullahs sollen sich verziehen!“. Auch aus Isfahan und Kermanschah wurden Demonstrationen gemeldet. Im Ewin-Gefängnis in Teheran kam es am Samstag zu mehreren Explosionen, die einen Brand auslösten. Nach offizieller iranischer Darstellung soll es sich um einen internen Konflikt in dem Gefängnis handeln. Die Angaben ließen sich jedoch nicht unabhängig überprüfen.

In dem Gefängnis sitzen zahlreiche politische Gefangene sowie Menschen, die im Zuge der aktuellen Protestwelle verhaftet worden waren. In einem von der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights am Samstagabend veröffentlichten Video waren neben Flammen und einer Rauchwolke über dem Gefängnis offenbar auch Schüsse und „Tod dem Diktator“-Rufe im Hintergrund zu hören. Vier Menschen seien bei dem Brand im Ewin-Gefängnis an Rauchvergiftungen gestorben, hieß es von iranischen Behörden am Sonntag. 61 Menschen seien verletzt worden, viele von ihnen schwer.

Proteste im Iran: Wissenschaftler sieht historische Parallele

„Sollten politische Gefangene dort umkommen, wird dies ein Vorfall von den Ausmaßen des ‚Cinema Rex‘-Brandes in Abadan im August 1978 sein, der den Sturz des Schahs beschleunigt hat“, schrieb der Wissenschaftler Roham Alvandi von der London School of Economics auf Twitter. Der damalige Brandanschlag auf ein Kino, dessen Hintergründe bis heute unklar sind, hatte Proteste gegen den Schah ausgelöst. Die USA haben sich besorgt über die dramatische Lage im Gefängnis geäußert. „Wir verfolgen die Berichte aus dem Ewin-Gefängnis mit großer Dringlichkeit“, schrieb der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, am Samstag (Ortszeit) auf Twitter und ergänzte: „Iran trägt die volle Verantwortung für die Sicherheit unserer zu Unrecht inhaftierten Bürger, die unverzüglich freigelassen werden sollten.“ (dpa/AFP/bme).

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