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Schlacht um Cherson: Lockt Putin die Ukraine in die Falle?

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Von: Daniel Dillmann

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Russland evakuiert die Stadt Cherson. Doch in Kiew herrscht Skepsis über die angeblichen Rückzug Russlands aus der strategisch wichtigen Stadt.

Kiew - Die Schlacht um Cherson tobt. Die etwa 300.000 Einwohner zählende Stadt an den Ausläufern des Dnepr gilt im Ukraine-Krieg als strategisch besonders wichtig. Wer Cherson und die Region darum kontrolliert, der besitzt einen sicheren Zugang zur Krim.

Russland hatte die Halbinsel bereits zu Beginn des Ukraine-Konflikts im Jahr 2014 besetzt. Bereits in den ersten Wochen nach dem Angriff auf die Ukraine gelang es den Armeen von Russlands Präsident Wladimir Putin, die Region Cherson zu besetzen. Zehntausende Soldaten wurden in der Gegend stationiert.

Cherson evakuiert - Russland auf dem Rückzug?

Nun aber scheint es fast als ob es zur Wende im Ukraine-Krieg kommen könnte. Moskau forderte die Bevölkerung Chersons auf, die Stadt und die ganze Region, eine Fläche so groß wie Belgien, zu evakuieren. Man solle Schutz suchen auf der Krim vor den vorrückenden Truppen Kiews. Die melden seit Wochen immer mehr Gebietsgewinne im Süden der Ukraine. Zahlreiche Dörfer, Siedlungen und Brücken befänden sich wieder unter eigener Kontrolle. Russland wiederum meldet die erfolgreiche Evakuierung von 70.000 Personen. „Ich bin froh, dass alle, die die vom ukrainischen Militär beschossenen Gebiete schnell und sicher verlassen wollten, es geschafft haben“, schrieb Sergei Aksjonow, von Putin installierter „Präsident“ der Krim, im Kurznachrichtendienst Telegram.

Auch in Moskau steigt scheinbar die Panik vor einem Rückzug der eigenen Truppen aus Cherson. Die Meldungen von Kritik am Krieg im russischen Staats-TV lösen bei den ukrainischen Truppen an der Front aber nur Skepsis und nicht Hoffnung aus. „Darauf fallen wir nicht rein. Das klingt einfach zu absichtlich“, sagte ein ungenannter Soldat der Ukraine gegenüber der Nachrichtenagentur Al Jazeera.

Cherson - ein „Propagandatrick“ Russlands?

Die Zweifel am Rückzug Russlands aus der Region Cherson teilen weitere Beobachter. Es handele sich alles nur um „Vorbereitung und einen Propagandatrick“, sagte Igor Romanenko, ehemaliger stellvertretender Chef des ukrainischen Generalstabs der Streitkräfte, ebenfalls gegenüber Al Jazeera. Tatsächlich würde Wladimir Putin weitere Einheiten in die Gegend verlagern, die dortigen Stellungen befestigen und eventuell sogar einen Gegenangriff vorbereiten.

Russische Soldaten im Einsatz in der Stadt Cherson. (Archivbild)
Russische Soldaten im Einsatz in der Stadt Cherson. (Archivbild) © OLGA MALTSEVA/AFP

Selbst in Kiew scheint man sich der Sache aber bewusst. „Ihre am besten ausgebildeten Truppen sind dort. Niemand ist gegangen. Das sehen wir und deshalb glauben wir ihnen nicht“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erst am Donnerstag in einem Interview mit der italienischen Zeitung Corriere della Serra.

Ukraine-Krieg: Kiew läuft die Zeit davon

Die Lage rund um Cherson scheint daher unübersichtlich. Glaubt man Stimmen aus den von Russland besetzten Gebiete, gibt es für die ukrainische Offensive im Süden zwei ganz andere Gründe. Der Ukraine läuft die Zeit davon und ihr gehen die Ressourcen aus. Heftige Regenfälle haben die Straßen im Süden der Ukraine mit Matsch überflutet. Die andauernden Drohnenangriffe Russlands fügen der Ukraine schwere Verluste zu.

Kiew bleibt demnach nicht mehr viel Zeit, um vor dem endgültigen Wintereinbruch noch wichtige Gebietsgewinne zu erzielen. „Sie müssen sich beeilen“, weiß auch Igor Girkin, einer der militärischen Führer der mit Russland verbündeten Separatisten in der Region um Donezk. Das Timing dürfte bei der Schlacht um Cherson für die Ukraine kriegsentscheidend werden. (Daniel Dillmann)

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