„Dann steht Putin im Baltikum“: Heusgen warnt – und erklärt Siko-Absage an Lawrow und Co.

Putin und Lawrow sind 2023 bei der Münchner Siko nicht willkommen. Konferenz-Chef Heusgen warnt eindringlich vor einem russischen „Erfolg“ in der Ukraine.
München/Leipzig – Kurz vor dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine war Wolodymyr Selenskyj noch einmal ins Ausland gereist: Zur Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) 2022. Auf Vertreter Russlands traf er dort nicht – der Kreml hatte den Siko-Veranstaltern einen Korb gegeben. Im Jahr 2023 sind Wladimir Putin, Sergej Lawrow und Co. gar nicht erst eingeladen.
München solle ihnen kein „Podium“ für Propaganda geben, argumentierte der neue Siko-Chef Christoph Heusgen am Mittwoch in einem Interview mit MDR Aktuell. Er mahnte zugleich eindringlich zur Unterstützung der Ukraine. Ausbleibende Hilfe könne in einem Angriff Russlands auf die baltischen Staaten und einem Nato-Bündnisfall kulminieren, sagte er dem Radiosender.
Münchner Siko: Heusgen warnt vor Bündnisfall im Baltikum – Putin 2023 nicht willkommen
„Putin hat klar gesagt, dass er letztlich die Sowjetunion wiederherstellen will und wenn er das tut, dann wird er über kurz oder lang, – wenn er in der Ukraine Erfolg hat – in den baltischen Staaten sein“, erklärte Heusgen. Dann wäre Deutschland „direkt gefordert“ dem Nato-Partner zu helfen. Die Ukraine verteidige auch „unsere deutsche Freiheit“, betonte der frühere Berater Angela Merkels. Zugleich stehe die Bundesrepublik aufgrund der NS-Verheerungen auf ukrainischem Gebiet in einer historischen Verantwortung.
Der Brisanz entsprechend wird der Ukraine-Krieg auch ein Hauptthema bei der Siko vom 17. bis 19. Februar im Bayerischen Hof in München sein. Allerdings ohne Vertreter der russischen Regierung. Laut Heusgen haben die Veranstalter auf eine Einladung verzichtet und stattdessen Sprecher aus Russlands Zivilgesellschaft und Opposition eingeladen. Etwa den früheren Schach-Promi Garri Kasparow oder den einstigen Oligarchen und erklärten Putin-Kritiker Michail Chodorkowski. Mit ihnen wolle man unter anderem Möglichkeiten erörtern, perspektivisch wieder zu normalen Beziehungen mit Russland zu gelangen.
Generell sei das Ziel durchaus, „dass der Gesprächsfaden wieder aufgenommen wird“, betonte Heusgen. So sei es gut, dass etwa Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit Putin spreche, um Anknüpfungspunkte auszuloten. Gleichzeitig habe man aber genau die Äußerungen aus dem Kreml verfolgt. Und festgestellt: „Da gibt es keinerlei Anzeichen von Verhandlungsbereitschaft, da gibt es keinerlei Anzeichen, dass sie von ihrem Kriegsziel abrücken, nämlich der Zerstörung der ukrainischen Identität.“
Putins „Kriegsziel“ steht: Siko zieht Konsequenzen – auch der „globale Süden“ soll mitdiskutieren
„Die Äußerungen, die wir tagtäglich aus dem Kreml hören, lassen eben nicht darauf schließen, dass nicht auch nur ein Jota von dem abgewichen wird, was Putin als Kriegsziel ausgegeben hat“, betonte Heusgen. Natürlich werde man aber ukrainische Stimmen hören und auch nach einem Jahr Ukraine-Krieg Bilanz ziehen.
Ähnlich wie Scholz‘ Bundesregierung beim G7-Gipfel will die Siko zudem inhaltliches Gewicht auf einen betont globalen Austausch legen. „Wir werden noch mehr Wert darauf legen, Staaten einzuladen aus dem sogenannten globalen Süden“, sagte Heusgen dem MDR. Es gehe in der Ukraine nicht um einen Ost-West-Konflikt, sondern um die regelbasierte Ordnung, um die UNO-Charta – und damit um ein „globales Anliegen, gegen das Putin verstößt“.
Ein offenes Geheimnis ist, dass Deutschland und die EU verstärkt um Partner im „Süden“ werben – auch, weil Russland oder auch China dort an Einfluss gewinnen wollen. Heusgen organisiert 2023 seine erste Sicherheitskonferenz. Bis 2021 war er Ständiger Vertreter Deutschland bei den Vereinten Nationen. 2022 folgte er dem langjährigen Siko-Vorsitzenden Wolfgang Ischinger nach. Unter Ischingers Ägide hatte Wladimir Putin 2007 in München eine Rede gehalten, die viele Beobachter rückblickend als Wendepunkt einordnen. (fn)