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Frankreichs Ex-Präsident: „Putin ist nicht verrückt, aber radikal rational“

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Von: Christian Stör

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Der französische Präsident Francois Hollande (links) schüttelt seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Ende einer Pressekonferenz im Kreml in Moskau am 26. November 2015 die Hand.
François Hollande (links) hat in den Jahren seiner Amtszeit oft den direkten Kontakt zu Wladimir Putin gesucht, so z.B. auch am 26. November 2015 im Kreml. © STEPHANE DE SAKUTIN/afp

Putin sei kein Verrückter, sagt François Hollande. Der russische Präsident wolle den Ukraine-Krieg zu vorteilhaften Bedingungen für Russland beenden.

Paris/Moskau - Wie tickt Wladimir Putin? Das ist eine Frage, die sich die Menschen in Europa schon seit Jahren stellen, spätestens aber seit dem Einmarsch russischer Truppen ins Nachbarland Ukraine im Februar 2022. Einer, der es vielleicht wissen könnte, hat darauf nun eine Antwort gegeben.

„Er ist ein radikal rationaler Mensch oder rational radikal, wie Sie wollen“, sagte der frühere französische Präsident François Hollande der US-Zeitung Politico. Von der These, Wladimir Putin sei ein irrationaler politischer Akteur oder ein Verrückter, hält Hollande jedenfalls nichts: „Er hat seine Gründe, und in diesem Zusammenhang ist er bereit, Gewalt anzuwenden.“

Der frühere französische Präsident, der von 2012 bis 2017 im Amt war, hat viel Erfahrung mit Putin. Besonders eng war der Kontakt im Jahr 2014, nachdem Russland die Halbinsel Krim annektiert und pro-russische Separatisten in der Donbass-Region unterstützt hatte. Damals führte Hollande zusammen mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel Verhandlungen mit Putin im sogenannten Normandie-Format. Beide waren maßgeblich am Minsker Abkommen von 2015 beteiligt – der Friedensplan wurde aber nie vollständig umgesetzt. Russland und die Ukraine gaben sich gegenseitig die Schuld dafür.

Wie wird sich Putin im Ukraine-Krieg weiter verhalten?

Auf die Frage, ob er glaube, dass Putin versuchen werde, den Krieg über die Ukraine hinaus auszudehnen, antwortete Hollande, dass der russische Präsident in der Lage sei, den Einsatz von Gewalt oder Machtdynamiken als Mittel zum Handeln zu verstehen. Knapp ein Jahr nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs versuche Putin deshalb, „das Erreichte (vor Ort) zu konsolidieren“.

Putin baue darauf, dass die europäische Unterstützung für die Ukraine allmählich schwinden werde und er dann in der bestmöglichen Position sei, um Friedensverhandlungen aufnehmen und den Ukraine-Konflikt zu vorteilhaften Bedingungen beenden zu können.

In diesem Zusammenhang fürchtet Hollande jedoch, dass die Rolle der Vermittlung anders als 2014 diesmal eventuell nicht Deutschland und Frankreich zufallen werde, sondern außereuropäischen Mächten wie China oder der Türkei – „eine Entwicklung, die niemanden beruhigen kann“.

Dialog mit Putin im Ukraine-Krieg kein Zeichen von Schwäche

Hollande verteidigte auch die Reaktion von Paris und Berlin auf den Ukraine-Krieg und bestritt, dass ihre gelegentlichen Dialogversuche mit Putin oder ihre Vorsicht vor Waffenlieferungen an die Ukraine ein Zeichen von Schwäche seien. Die deutlich entschlossenere Linie der nord- und osteuropäischen Länder ist laut Hollande Ausdruck einer Abhängigkeit von den USA: „Diese Länder, im Wesentlichen die baltischen und skandinavischen Länder, sind mit den Vereinigten Staaten verbunden. Sie sehen die US-Unterstützung als Schutzschild.“

Das sei jedoch ein riskantes Verhalten, da die USA in Zukunft einen Präsidenten oder Kongress haben könnten, die weniger geneigt sein könnten, direkt in die europäische Dynamik einzugreifen. „Wir müssen unsere europäischen Partner davon überzeugen, dass die EU aus politischen Prinzipien und Werten besteht. Davon sollten wir nicht abweichen, aber die Partnerschaft kann auch solide und wertvolle Sicherheitsgarantien bieten.“ (cs)

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