1. Startseite
  2. Politik

EVP-Chef Weber sieht „Russland auf dem Weg, den Krieg zu verlieren“ und warnt vor Putin-Logik

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Marcus Mäckler, Mike Schier, Christian Deutschländer

Kommentare

Russlands Krieg gegen die Ukraine spitzt sich zu. Manfred Weber, Fraktions- und Parteichef der Europäischen Volkspartei in Brüssel, im Interview über die Folgen für Europa.

München - Wladimir Putin eskaliert den Krieg in der Ukraine – weil seine Armee in die Defensive geraten ist. Mit Manfred Weber, Fraktions- und Parteichef der Europäischen Volkspartei in Brüssel, sprachen wir über die Folgen für Europa. Der stellvertretende CSU-Vorsitzende fordert von der Bundesregierung, Führung zu übernehmen und Panzerlieferungen zu organisieren.

Manfred Weber von der CSU, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament.
Manfred Weber von der CSU, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament. © IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON

Herr Weber, in Teilen der Ukraine haben die „Referenden“ begonnen. Welche Folgen befürchten Sie?

Jeder weiß, dass da eine reine Show praktiziert wird. Es wird keine internationale Anerkennung geben. Diese angeblichen Referenden zeigen nur die Schwäche Russlands. Die militärische Offensive der Ukraine wirkt, deshalb verfällt Wladimir Putin jetzt in Hektik und Panik.

Sehen Sie auch die Teilmobilmachung als Zeichen der Schwäche Putins?

Definitiv. Er hatte versucht, den Russen das Gefühl zu geben, der Konflikt sei weit weg und eine auf die Ukraine begrenzte Operation. Jetzt kommt der Krieg brutal bei den Menschen an. Russland ist auf dem Weg, diesen Krieg zu verlieren.

Für einen Ex-KGBler ist Zurückziehen eigentlich keine Option, oder?

Ein geschwächter Putin ist natürlich auch gefährlich. Aber wir dürfen uns nicht von seiner Logik treiben lassen. Seine Drohungen dürfen nicht unser Handeln bestimmen. Für uns geht es um die Frage: In welcher Welt wollen wir künftig leben? Eine imperiale Weltordnung will keiner. Deshalb müssen wir überlegen, wie wir die Ukraine jetzt noch stärker unterstützen.

Mit Sanktionen?

Die EU hat schon sieben Pakete beschlossen, jetzt folgt ein achtes. Aber die EU-Kommission muss besser überprüfen, wie die Beschlüsse von allen Staaten umgesetzt werden. Da sehe ich noch Handlungsbedarf. Gerade bei der Frage, ob die Staaten entschlossen genug gegen die Oligarchen im System Putin vorgehen. Die russische Elite muss spüren, dass es ans Eingemachte geht. Die Durchsuchungen am Tegernsee waren da ein gutes Zeichen.

Teilmobilmachung in Russland: Hunderttausende Russen werden von Putin zu den Waffen gerufen, und zwar ab sofort. Ein Google-Trend spiegelt die Verzweiflung.

Weber im Interview über Putin: Was den Westen jetzt schwächen würde

Sie sagen: Wir dürfen uns nicht von Putins Logik leiten lassen. Der SPD-Vorsitzende Klingbeil spricht vom Dritten Weltkrieg. . .

Wir müssen sachlich und seriös bleiben. Jeder, der die Rhetorik von Putin übernimmt, schwächt die westliche Staatengemeinschaft.

Auch Herr Klingbeil?

Ich bleibe bei meiner Aussage. Die Charta der Vereinten Nationen sieht ausdrücklich das Recht zur Selbstverteidigung vor. Wer das unterstützt, ist keine Kriegspartei. Nochmal: Wenn Putins Vorgehen Erfolg hat, ändert sich die Weltordnung – Imperialisten und Autokraten wären im Aufwind, auch in China und Afrika.

Sie fordern für die Ukraine schon länger mehr Waffen – auch Panzer. Der Kanzler ist eher zurückhaltend.

Ohne westliche Waffenlieferungen hätte Putin längst gewonnen. Im Moment gilt leider die militärische Logik: Wer diesen Krieg beenden will, muss die Ukraine stärken. Deshalb würde ich mir wünschen, dass die Bundesregierung die Koordinierung mit unseren Nachbarn in die Hand nimmt. Die Panzer sind für die Ukraine wichtig. Berlin muss gemeinsam mit Paris die Führung übernehmen.

Entschuldigung, kann es nicht sein, dass Scholz mit seiner Zurückhaltung eher die Mehrheitsmeinung der Deutschen trifft?

Ich bin für Umsicht und kühlen Kopf. Es ist sehr schwierig, Waffenlieferungen in Kriegskonflikte den Bürgern zu vermitteln. Aber wir leben in Zeiten, in denen Politik Orientierung geben muss. Das war in den letzten Monaten zu wenig der Fall. Alles geschah immer erst auf Druck.

Weber sicher: Europäischer Zusammenhalt übersteht Italien-Wahlen

Wenn man Ungarn beiseite lässt, stand die EU bislang sehr geschlossen. In Italien wird am Sonntag gewählt. Haben Sie Sorge, dass danach die europäische Front bröckelt?

Wir haben seit dem 24. Februar in ganz Europa einen Kiew-Moment gespürt. Die Menschen haben gemerkt: Hier geht es um etwas Fundamentales. Ich habe keine Zweifel, dass diese Einigkeit auch nach der Italien-Wahl fortbesteht. Putin ist ein Kriegsverbrecher – und die Bürger Europas wissen das.

Sie selbst als EVP-Chef unterstützen am Sonntag Silvio Berlusconi, der ein rechtes Bündnis will. Ein interessanter Ansatz für jemanden, der in Deutschland die Zusammenarbeit mit der AfD strikt ablehnt.

Die Forza Italia von Silvio Berlusconi ist eine zutiefst pro-europäische Kraft. Antonio Tajani war Präsident des Europäischen Parlaments und EU-Kommissar und ist nun im Wahlkampf neben Berlusconi das zweite Gesicht der Partei. Ich warne davor, dass wir die italienische Wahl zu einseitig betrachten. Die italienische Demokratie funktioniert – jetzt lassen wir die Italiener erst mal wählen.

Aber macht es Ihnen kein Kopfzerbrechen, dass wohl eine Post-Faschistin Ministerpräsidentin wird?

Die Bürger sind offensichtlich der Meinung, dass die Linke versagt hat. Die italienische Politik ist durchaus speziell. Aber es ist ein starker Staat mit starken Institutionen. Ich rate allen zu etwas Gelassenheit.

Stichwort AfD: Droht angesichts von Inflation und Energie auch in Deutschland ein Rechtsruck?

Ich sorge mich eher vor Radikalisierung – auch die Linke ruft ja zu Massenprotesten auf. Die politische Mitte muss ehrlich sagen: Der Krieg kostet – vielen Ukrainern das Leben, die Heimat oder die Normalität und uns Deutsche etwa einen höheren Energiepreis. Er wird nicht spurlos an uns vorbei gehen. Deshalb muss ein wohlhabendes Land seine Bürger und seine Wirtschaft jetzt unterstützen.

Interview: M. Schier, C. Deutschländer, M. Mäckler

Auch interessant

Kommentare