Prigoschin, Surowikin, Kadyrow – Geheimdienst deckt wohl Verschwörung auf
Der FSB hat offenbar eine Verschwörung im Kreml vereitelt. Diese könnte jetzt harte Folgen für die Verschwörer haben. Allen voran für Jewgeni Prigoschin
Moskau – Russlands Präsident Wladimir Putin nahm im Januar dieses Jahres eine personelle Veränderung in der Führung des russischen Militärs vor. Waleri Gerassimov, davor Stabschef der russischen Streitkräfte, stieg zum Oberbefehlshaber der russischen Truppen im Ukraine-Krieg auf. Sein Vorgänger Sergei Surowikin wurde zu dessen Stellvertreter degradiert. Beobachter sahen ausbleibende militärische Erfolge in der Ukraine als Grund für die Personalrochade. Der Kreml selbst lies verlauten, dass Gerassimov eine Verbesserung der „Zusammenarbeit der Truppengattungen“ bewirken solle. Neuen Informationen zufolge hatte der Wechsel jedoch einen anderen Grund: Er sollte einer geplanten Verschwörung in Putins Macht-Zirkel zuvorkommen.

Verschwörung in Putins Dunstkreis: Geheimdienst vereitelt offenbar die Pläne
Diesen Standpunkt vertritt zumindest der russische Dissident und Menschrechtsaktivist Wladimir Oseshkin in einem Interview mit dem russischen Telegram-Kanal „Можем объяснить“ (dt. „Wir können es erklären“). Osechkin betreibt das regierungskritische Portal gulagu.net und veröffentlichte bereits in der Vergangenheit vertrauliche Informationen der russischen Regierung. Seit 2015 lebt er im Exil in Paris.
Osechkins Berichten nach hatte es in der vergangenen Monaten eine gescheiterte Verschwörung im Kreml ereignet. Deren Ziel sei es gewesen, die russische Militärführung – allen voran Verteidigungsminister Sergei Schoigu – auszutauschen. Zu den Hauptverschwörern zählten demnach, neben Surowikin, auch der Chef der privaten Söldner-Armee „Gruppe Wagner“, Jewgeni Prigoschin und der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow.
Prigoschin, Kadyrow und Surowikin: Trio wollte Kontrolle über russisches Militär
Das erklärte Ziel des Trios sei es offenbar gewesen, mehr Kontrolle über die russische Militärführung zu erlangen. Prigoschin sollte Sergei Schoigu als Verteidigungsminister ablösen, für Kadyrow war ein Posten als Chef der Nationalgarde vorgesehen. Für eine solche Verschwörung würde auch die Art und Weise sprechen, wie Prigoschin und Kadyrow vom vergangenen Herbst an immer wieder öffentlich in Erscheinung traten.
Kadyrow, auch als „Putins Bluthund“ bekannt, kritisierte öffentlich die Vorgehensweisen der russischen Truppen im Ukraine-Krieg und bemängelte ausbleibende Erfolge. Der 46-Jährige zeigte sich „sehr unzufrieden“ über die damaligen Entwicklungen und forderte ein härteres Durchgreifen. Auch Prigoschin teilte wiederholt verbal gegen die russische Militärführung um Schoigu aus. „Putins Koch“ kritisierte dessen Methoden als altmodisch – auch im Vergleich zu seinen Wagner-Södnern.
FSB vereitelt wohl Verschwörung im Kreml – Verschwörern drohen nun die Konsequenzen
Die Pläne der drei Verschwörer konnten jedoch vereitelt werden, bevor sie ausgeführt wurden. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB soll bereits im Oktober von der geplanten Verschwörung erfahren und dieser entgegengewirkt haben. Wie Osechkin berichtet, war daraufhin das Vertrauen zwischen Prigoschin, Kadyrow und Surowikin nicht groß genug, um ihre Pläne durchzuführen. „Niemand von ihnen war bereit, das eigene Wohlbefinden für eine erfolgreiche Ausführung der Pläne zu riskieren“, erklärte der Dissident. Dieser mangelnde Einsatz könnte ihnen nun zum Verhängnis werden.
Infolgedessen hätten Kadyrow und Prigoschin sich verstärkt bemüht, ihre Verbundenheit zum russischen Präsidenten zu demonstrieren. Nennenswerte Erfolge konnten sie dabei – abseits von einer Hand voll persönlicher Treffen zwischen Putin und Kadyrow – jedoch nicht erzielen.
Der Tschetschenenführer dürfte von den Beteiligten noch die geringsten Konsequenzen für sein Handeln befürchten. Als Präsident der Teilrepublik verfügt er über eine nicht zu unterschätzende Machtposition. Putin braucht Kadyrow, um die Kontrolle über Tschetschenien zu behalten. Erst im Oktober wurde Kadyrow deshalb auch zum Generaloberst der russischen Armee befördert. Anders sieht es jedoch bei seinen Komplizen aus. Surowikin wurde nach seinem Fehltritt wieder in die zweite Reihe der russischen Armeeführung degradiert – nur drei Monate, nachdem er zum Kommandeur der russischen Truppen in der Ukraine befördert wurde.
Prigoschin vor „Säuberung“? „Großes Glück, wenn er das Tribunal über sich noch erleben würde“
Prigoschin hingegen könnte von allen Beteiligten den höchsten Preis zahlen müssen. In den zurückliegenden Wochen hatten sich bereits Berichte gehäuft, wonach der Machtkampf um Prigoschin im Kreml eskaliere. Osechkin berichtet, dass der FSB kompromittierendes Material über Prigoschin aus der Zeit seines Gefängnisaufenthalts in den 1980ern besitzen würde. Solange dieses Material existiere, scheint eine politische Zukunft für „Putins Koch“ undenkbar.
Osechkin prognostiziert jedoch auch weiterführende Konsequenzen. „Für Prigoschin wäre es ein großes Glück, wenn er das Tribunal über sich noch erleben würde“, so der Menschenrechtsaktivist. „Nach den Methoden zu urteilen, die Putin anwendet, erwartet ihn höchstwahrscheinlich eine Säuberung.“
Diese „Säuberung“ könnte dabei bereits angelaufen sein. Wie der US-Thinktank „Institute for the Study of War“ (ISW) berichtet, schränkt der Kreml bereits die Medienpräsenz des Wagner-Chefs massiv ein. Das ISW verweist dabei auf ein Dokument, das einem russischen Militärblogger vorliegt, und in dem Regeln für die russische Kriegsberichterstattung aufgestellt werden. Prigoschin und Wagner sollen bei dieser in Zukunft nicht mehr erwähnt werden. Der frühere Kommandeur Surowikin darf zwar noch erwähnt, jedoch nicht mehr gelobt werden. Die Authentizität dieses Dokuments könnte jedoch nicht final geprüft werden. (fd)