„Putin kann nicht gewinnen“: Finnlands Präsident ist „beunruhigt“ – und erinnert an den „Winterkrieg“

Finnlands Präsident Sauli Niinistö gilt als eine Art Putin-Versteher. Die Lage im Ukraine-Krieg „beunruhigt“ ihn. Er berichtet aber auch von „Ruhe“ an der Grenze.
Helsinki/München – Früher haben sie zusammen Eishockey gespielt – mittlerweile hat auch zwischen Finnlands Präsident Sauli Niinistö und Kremlchef Wladimir Putin eher eine diplomatische Eiszeit Einzug gehalten. Niinistö hat nun in einem Interview seine Sicht auf Russlands Lage im Ukraine-Krieg erläutert.
Der Konservative schilderte dabei eine ungewohnt ruhige Lage an der finnisch-russischen Grenze. Niinistö gab sich aber dennoch „beunruhigt“ über den Stand der Dinge bei Russlands Angriff auf die Ukraine. Die Entwicklungen seien sogar bedenklicher als ursprünglich angenommen, sagte Finnlands Staatsoberhaupt der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter.
Putin „all in“: „Aber er kann nicht gewinnen“ – Finnlands Präsident „beunruhigt“
„Es ist viel schlimmer, als ich es mir hätte vorstellen können“, sagte Niinistö in dem am Samstag veröffentlichten Interview. „Zunächst hatte es ausgesehen, als sei Putin eine schwere Fehleinschätzung unterlaufen, als ob er dachte, es reiche eine massive Bedrohung gegen die Ukraine.“ Die jüngste Entwicklungen deuteten aber auf andere Hintergründe: Mittlerweile laufe „ein Krieg gegen die ukrainische Gesellschaft“, ein Ende sei nicht in Sicht.
Niinistö zeigte sich vor allem bestürzt über Putins Rhetorik nach der völkerrechtswidrigen Annexion mehrerer ukrainischer Gebiete. Der Kremlchef habe die Region als „ewigen“ Teil Russlands bezeichnet. Damit sei Putin „all in“ gegangen. „Mich beunruhigt immer noch, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der alles auf eine Karte setzt, ohne gewinnen zu können“, erläuterte der Finne. „Und was bedeutet es, wenn man verliert, wenn man um alles gespielt hat?“
Putins Ukraine-Krieg: Parallelen zu Stalin? Finnlands Präsident gibt Ukraine vorsichtigen Fingerzeig
Helsinkis Staatschef zog Parallelen zu Sowjet-Diktator Josef Stalin und dessen erfolglosem „Winterkrieg“ in Finnland aus. Autoritäre Herrscher hätten es schwer zu verstehen, dass „freie demokratische Länder Prinzipien und einen eigenen starken Willen haben“, urteilte Niinistö.
Einen konkreten Ausweg aus der Lage sah er in dem Gespräch mit Dagens Nyheter nicht – aber den Bedarf nach einem aus ukrainischer Sicht „rechtmäßigen Frieden“. Sowie nach einer Lösung, die in Russland keine „Rachgelüste“ schüre. Für Finnland sei es 1944 schwer gewesen, große Teile Kareliens an die Sowjetunion abzugeben, trotz großen Willens zum Frieden, sagte Niinistö vorsichtig. Die Ukraine müsse eine Entscheidung aber selbst finden.
Putin nahm Nato-Plan gelassen: Finnlands Präsident berichtet aus Telefonat
Immerhin den ein oder anderen Hoffnungsschimmer wollte Finnlands Präsident aber erkennen. Russland sei „Meister“ darin, im eigenen Land auch große Verluste als „Sieg“ zu verkaufen, erklärte Niinistö. Und auch die Bedrohung für Finnland sah er zumindest aktuell als überschaubar an.
„Es ist an unserer Grenze ruhiger als jemals zuvor“, berichtete Niinistö. „Ich glaube, es ist deshalb so ruhig, weil Russland keine Mittel hat, um die Lage anders zu gestalten.“ Mit anderen Worten: Russlands Militär ist in der Ukraine gebunden – trotz aller zwischenzeitlichen Drohungen. Gleichwohl sei Finnland „vorbereitet“ und habe mit dem Mitgliedsansuchen an die Nato weitere Schritte für eine sichere Zukunft eingeleitet.
Niinistö berichtete zugleich aus einem Telefonat mit Putin: Der Kremlchef habe die Nachricht über Finnlands geplanten Nato-Beitritt überraschend gelassen aufgenommen, erzählte er. Das sei möglicherweise auf innenpolitisches Kalkül zurückzuführen, mutmaßte Niinistö. Möglicherweise wolle der Kreml den Russen nicht mitteilen, „wir haben jetzt ein Problem in Nordeuropa“. Putin habe in der Nachricht nach eigenen Angaben „keine Gefahr“ für Russland erkannt. „‚Es ist natürlich ein Fehler, was ihr macht“, sagte er, ‚aber das ist nicht sonderlich beunruhigend‘.“ (fn)