1. Startseite
  2. Politik

„Gamechanger“ im Ukraine-Krieg: Experten sehen Patriot-Lieferung skeptisch

Erstellt:

Von: Felix Durach

Kommentare

Die Ukraine erhält erstmals ein Patriot-Luftabwehrsystem von den USA. Moskau spricht von einer weiteren Eskalation. Doch welche Auswirkungen hat das Waffensystem wirklich auf den Krieg?

Washington D.C. – Erstmals seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar hat Präsident Wolodymyr Selenskyj das umkämpfte Land für eine Auslandsreise verlassen. Der 44-Jährige reiste nach Washington D.C., um sich dort mit US-Präsident Joe Biden zu treffen. Die USA gelten seit Kriegsbeginn als einer der größten Unterstützer der Ukraine.

Zuletzt kündigte die US-Regierung auch die Bereitstellung eines Patriot-Flugabwehrsystems für die Ukraine an. Das moderne Waffensystem soll Kiew bei der Abwehr von russischen Angriffen auf die Energieinfrastruktur weiter unterstützen. Doch wie wird sich das auf den Kriegsverlauf auswirken?

Ukraine-Krieg: Weitere Verstärkung der Luftverteidigung – Ukraine erhält Patriot-System

Die Lieferung von Patriot-Systemen stellen in der Nato-Unterstützung an sich keine Neuerung dar. Bereits in den vergangenen Monaten hatten die Nato-Partner diverse Waffensysteme geliefert, um die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken. Deutschland lieferte unter anderem den Flugabwehrpanzer Gepard und das Luftabwehrsystem Iris-T in die Ukraine. Trotz der Lieferungen zeigen die massiven russischen Luftangriffe auf die ukrainische Energieversorgung jedoch, dass die aktuelle Verteidigung nur begrenzt zum Schutz der Metropolen ausreicht. Hier soll nun Patriot Abhilfe schaffen.

Eine Abschussvorrichtung des Luftabwehrsystems Patriot bei einer Nato-Übung in Norwegen (Archivbild).
Eine Abschussvorrichtung des Luftabwehrsystems Patriot bei einer Nato-Übung in Norwegen (Archivbild). © JONATHAN NACKSTRAND/AFP

Auch bei dem Patriot-Luftabwehrsystem handelt es sich um ein defensives Waffensystem. Im Gegensatz zu den bisher gelieferten Waffen verfügt es jedoch über eine größere Reichweite. Wie die Bundeswehr auf ihrer offiziellen Website informiert, hat das Patriot-System eine Reichweite von bis zu 68 Kilometern und kann simultan bis zu 50 Ziele in der Luft kontrollieren.

Im Gegensatz zu den vorhandenen Abwehrwaffen kann Patriot auch Flugkörper besser bekämpfen, die sich sehr schnell bewegen oder aus großer Höhe abgeschossen werden. Dadurch soll das Waffensystem nach der Lieferung dazu beitragen, etwaige Lücken in der ukrainischen Luftverteidigung zu schließen. Indes fordert die FDP weiterhin die Lieferung von Leopard 2-Panzern an die Ukraine, schreibt kreiszeitung.de.

Patriot-Flugabwehrsystem

Das Flugabwehrraketen-System Patriot gibt es seit Anfang der 1980er Jahre. Bei der Bundeswehr ist es seit 1989 im Einsatz. Das Waffensystem des US-Herstellers Raytheon dient der Bekämpfung von größeren Zielen in der Luft wie Flugzeugen, Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern.

Das bodengestützte Patriot-System ist mobil, die Abschussrampen können auf Lastwagen montiert werden. Eine Patriot-Batterie kann bis zu 50 Ziele im Blick behalten und fünf Objekte gleichzeitig bekämpfen. Die Reichweite beträgt laut Bundeswehr rund 68 Kilometer. Der Name „Patriot ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung ‚Phased Array Tracking Radar to Intercept on Target‘“, auf Deutsch: „Phasengesteuertes Verfolgungsradar zum Abfangen von Zielobjekten“.

Quelle: AFP

Patriot-Lieferungen: Hilfe für die Ukraine – aber wohl erst im Frühling

„Damit ist den Ukrainern natürlich erheblich geholfen, um die kritische Infrastruktur und damit auch die Menschen zu schützen“, erklärte der Ex-Bundeswehr-General Hans-Lothar Domröse gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf die bevorstehende Lieferung. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Ukraine wohl kurzfristig keinen Profit aus den Systemen schlagen können wird. Wie die Financial Times mit Verweis auf US-Beamte berichtet, wird die Lieferung erst für Frühling 2023 erwartet.

Zudem muss eine ukrainische Besatzung erst an dem System ausgebildet werden. Die Ausbildung soll in einem dritten Land – wie Deutschland – stattfinden und wird ebenfalls Zeit in Anspruch nehmen. „Es wird etwas dauern“, bestätigte auch US-Präsident Biden bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj.

Hinzu kommt, dass das jüngste Unterstützungspaket der USA lediglich eine Patriot-Batterie mit acht Abschussvorrichtungen beinhaltet. Auch wenn das System die Luftverteidigung erheblich verbessern wird, beschränkt sich die Verbesserung lediglich auf ein Gebiet in der umkämpften Ukraine.

Russland spricht von erneuter Provokation durch Patriot-Lieferung – Ex-General sieht Ablenkungsmannöver

Dennoch erhält Kiew mit der Lieferung des Luftabwehrsystems das wohl modernste Waffensystem, das bisher ins Kriegsgebiet geliefert wurde. Das geschieht natürlich auch zum Unmut des Kremls. Bereits als Gerüchte über eine Lieferung die Runde machten, warnte Moskau von einer weiteren Eskalation des Konflikts und warf Washington vor, einen Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu führen.

Ex-General Domröse sieht in den russischen Vorwürfen jedoch ein Ablenkungsmanöver. „Wir helfen den Ukrainern nur, sich zu wehren. Für mich ist das keine Eskalation, sondern nichts anderes als die Verpflichtung, das Prinzip Responsibility to Protect (dt. Verantwortung zum Beschützen, Anm. d. Red.) – RtoP – wahrzunehmen.“ Die Lieferung eines reinen Abwehrsystems als Eskalation zu bezeichnen, sei ein weiterer Versuch Russlands weitere Unterstützungen der Ukraine zu brechen. Klar ist: Nur mit Luftabwehr wird die Ukraine keinen erneuten Wendepunkt im Krieg gegen Russland herbeiführen können.

Sorgt Patriot-System für Wendepunkt im Ukraine-Krieg? Wieder „kein Gamechanger“

„Es ist immer noch ein defensives System. Es bietet keine neuen Offensivfähigkeiten, um Ziele tief in Russland oder auf der Krim anzugreifen. In diesem Sinne ist es kein Gamechanger“, erklärte Oleksiy Melnyk, vom ukrainischen Thinktank Razumkov Center, der Financial Times. Ein solcher „Game-Changer“, wäre die Lieferung von modernen Offensivwaffen. So fordert die ukrainische Regierung seit Monaten die Bereitstellung westlichen Kampfpanzern, wie dem deutschen Leopard 2. Die Bundesregierung lehnte einen Alleingang bei der Lieferung bisher ab und verwies auf die Nato.

Auch Domröse kommt im Gespräch mit dem RND zu einem ähnlichen Schluss. „Um den Krieg zu drehen, bräuchte die Ukraine modernste Angriffssysteme“, sagte der Ex-General. Doch selbst wenn die Nato sich zur Lieferung von Kampfpanzern entscheiden würde, dürften Monate vergehen, bis die Waffen tatsächlich in der Ukraine ankommen. Zeit, welche die Ukraine mit Blick auf die drohende Winteroffensive der russischen Streitkräfte wohl nicht hat. (fd)

Auch interessant

Kommentare