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US-Besuch „Akt der Verzweiflung“? Empörung über Tagesthemen-Kommentar zu Selenskyj

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Von: Patrick Mayer

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Polarisiert bei Twitter: Der „Tagesthemen“-Kommentar von WDR-Washington-Korrespondentin Gudrun Engel zum Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in den USA.
Polarisiert bei Twitter: Der „Tagesthemen“-Kommentar von WDR-Washington-Korrespondentin Gudrun Engel zum Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in den USA. © Screenshot ARD

In einem Kommentar gehen die „Tagesthemen“ der ARD hart mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ins Gericht. Das gefällt bei Twitter nicht jedem.

München/Washington - Im Journalismus ist ein Kommentar ein deutlich abgegrenzter Meinungsbeitrag. Die Trennung von Meinung und Information ist durch das Stilmittel klar gekennzeichnet. Nicht selten bemühen die Verfasserin oder der Verfasser deshalb eine steile These, um damit die Debatte über ein Thema zu fördern.

ARD-Kommentar zu Selenskyjs Reise in die USA sorgt bei Twitter für Irritationen

Ein fraglos heikles und polarisierendes Thema ist seit Monaten der Ukraine-Krieg. In dessen Folge ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj diese Woche in die USA gereist. Sein amerikanischer Amtskollege Joe Biden hatte als Gastgeber ein Geschenk über 1,85 Milliarden US-Dollar Militärhilfe vorbereitet.

Die (riskante) Reise Selenskyjs in die Vereinigten Staaten kommentierte anschließend die WDR-Washington-Korrespondentin Gudrun Engel für die „Tagesthemen“ der ARD. Ihre These: Sie sieht in diesem Staatsbesuch einen „Akt der Verzweiflung“. Ihr Ansatz löste bei Twitter prompt Irritationen aus, teils Empörung.

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Was war passiert? Engel kommentierte: „Ich sehe die Reise des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Washington kritisch. Na klar, der Mann ist verzweifelt, ich kann das verstehen. Der Krieg ist grausam, täglich sterben Menschen, die Infrastruktur ist zerstört. Es ist bitterkalt. Mehr als 300 Tage geht das schon so und es ist kein Ende in Sicht. Wir Zuschauer am Seitenrand sind hilflos. Aber diese Reise von Selenskyj nach Washington ist ein Akt der Verzweiflung.“

Wolodymyr Selenskyj: ARD-Journalistin sieht in USA-Reise „Akt der Verzweiflung“

Bislang habe sich Selenskyj stets online durch die Parlamente geschaltet, um um Unterstützung zu bitten, meint die Journalistin in dem Beitrag weiter, der in der ARD-Mediathek abrufbar ist: „Das reicht nun offenbar nicht mehr. Also ist er in die USA zu seinem Hauptgeldgeber geflogen. Die Vereinigten Staaten haben bislang mehr als 69 Milliarden US-Dollar in die Ukraine gesteckt, damit die nicht zusammenbricht. Doch nach den US-Zwischenwahlen werden die kritischen Stimmen lauter.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj überreichte nach seiner Rede im amerikanischen Kongress US-Vize-Präsidentin Kamala Harris (li.) und der Sprecherin des Hauses, Nancy Pelosi, eine Flagge seines Heimatlandes.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj überreichte nach seiner Rede im amerikanischen Kongress US-Vize-Präsidentin Kamala Harris (li.) und der Sprecherin des Hauses, Nancy Pelosi, eine Flagge seines Heimatlandes. © IMAGO/Carol Guzy

Selenskyj wisse, dass die Zeit dränge, weil die Republikaner ab Januar die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen. Und die würden das Geld lieber in die eigene Infrastruktur stecken wollen, erklärt Engel den Zuschauern: „Wenn er nochmal was bewegen kann, dann vermutlich jetzt. Und dazu muss er persönlich kommen. Denn jetzt, so kurz vor Weihnachten, sind das gute Bilder für alle Beteiligten. Für Joe Biden, der um seine Beliebtheitswerte kämpfen muss, ist das der Moment, um zu zeigen: ‚Wir sind eine Großmacht. Wir helfen.‘“

Für die Reise habe Selenskyj letztlich zwar sein Leben riskiert, meint sie abschließend, aber sie „bringt wohl nur Symbolik und hat die Welt keinen Meter näher an ein Ende des Krieges gebracht“.

ARD-Tagesthemen: Kommentar zur USA-Reise von Wolodymyr Selenskyj wird bei Twitter kritisiert

Die Reaktionen auf ihre These ließen bei Social Media indes nicht lange auf sich warten - reichlich Kritik inklusive. Der Bundestagsabgeordnete Ulrich Lechte (FDP) aus Regensburg schrieb bei Twitter: „Die #Ukraine kämpft seit über 300 Tagen voller Zuversicht und Mut gegen den russischen Aggressor und @gudrun_engel maßt sich an, von ukrainischer Verzweiflung zu sprechen. Das ist schon sehr viel subjektive Meinung und ganz wenig Tatsachen, sorry.“ Lechte ist im deutschen Parlament Außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Jan Mücke (FDP), parlamentarischer Staatssekretär a.D., meinte ebenfalls bei Twitter: „Was für ein Unfug.“

Der Journalist Tobias Huch fragte wiederum unter dem Posting der „Tagesthemen“ zum Videoausschnitt Engels: „Mir fehlen die Worte. Wie kann man in unter zwei Minuten so viel Unsinn von sich geben?“ Auch der Heidelberger DJ Boulevard Bou, unter anderem bekannt durch den Radiosender BigFM, beteiligte sich an der Diskussion. Er meinte bei Social Media deutlich: „Erbärmlicher Kommentar. Slava Ukraini!“ (Ruhm der Ukraine, d. Red.). (pm)

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