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„Moskwa“-Untergang - Verzweifelter Vater kritisiert Marine: „Gehen nicht mehr ans Telefon“

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Von: Franziska Schwarz

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Hat der Untergang des Flaggschiffs „Moskwa“ für Russlands Präsident Putin ein Nachspiel? Eltern mutmaßlich gestorbener Matrosen sind aufgebracht.

Update vom 21. April, 13.45 Uhr: Bei Dmitry Shkrebets, Vater eines verschwundenen russischen Wehrdienstleistenden, schlägt die Stimmung offenbar von Verzweiflung in Wut um: „Erst auf unsere Anfragen hin teilte uns die Marine mit, dass er vermisst sei. Seitdem gehen seine Vorgesetzten bei unseren weiteren Nachfragen nicht mehr ans Telefon. Einer der Offiziere teilte mir jetzt in einer privaten Unterhaltung mit, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er nach so vielen Tagen im Wasser noch am Leben sei, ziemlich gering ist.“

Es sei ein Schock, dass die Familie, Tage nach dem Untergang der „Moskwa“, noch immer keine Nachricht über den Verbleib des Sohnes erhalten habe. „Er hätte während des Einsatzes nicht mal auf dem Schiff sein dürfen. Unsere Regierung sagt uns doch ständig, dass in der Ukraine keine Wehrpflichtigen, sondern nur Berufssoldaten eingesetzt werden“, klagt der Russe an. Und ergänzt: „Ob sich nun meine Haltung zu dem, was in der Ukraine geschieht, geändert hat, kann ich nicht sagen. Ich möchte schließlich später nicht als Volksverräter abgestempelt werden.“

„Moskwa“-Untergang: Verzweifelte Mutter enthüllt neue Erkenntnisse zur Situation auf dem Schiff

Update vom 21. April, 10 Uhr: Immer mehr Meldungen verzweifelter Eltern kommen ans Tageslicht: Nach dem Untergang des Kriegsschiffs „Moskwa“ herrscht über den Verbleib zahlreicher Besatzungsmitglieder offenbar noch immer Ungewissheit. Der Spiegel hat mit der Mutter eines 20-jährigen Wehrdienstleistenden gesprochen, der als vermisst gemeldet ist. Ihre Versuche, von der russischen Armee Antworten über den Verbleib ihres Kindes zu erhalten, scheiterten bislang.

Das russische Schiff „Moskwa“ fuhr 2014 durch den Bosporus ins Mittelmeer (Archivbild)
Das russische Schiff „Moskwa“ fuhr 2014 durch den Bosporus ins Mittelmeer (Archivbild) © picture alliance/dpa

Ein Mannschaftsmitglied habe ihr berichtet, dass es einen ukrainischen Angriff gegeben habe. Die Chancen, dass ihr Sohn Nikita überlebt habe, seien sehr gering. „Ich will das so nicht akzeptieren. Sie sagen, mein Sohn ist vermisst. Aber was heißt das? Ist er tot? Ich bekomme einfach keine Antworten“, berichtet die Frau dem Magazin. Der von ihr kontaktierte Kommandeur schweige dazu seit Tagen: „Sie ignorieren uns Eltern einfach. Sie sollen uns endlich die Wahrheit sagen. Sagen, wo unsere Kinder sind.“

Zu Beginn habe besagter russischer Kommandeur noch behauptet, dass Bergungsarbeiten liefen, erzählt die Mutter. Den letzten Kontakt mit ihrem Sohn hatte sie am 13. März. „Mama, frag nicht nach meinem Dienst, nach meinem Schiff, sie haben uns verboten, darüber zu sprechen. Mir geht es soweit gut“, habe er ihr gesagt. Weiter habe Nikita von zu wenigen Soldaten an Bord der „Moskwa“ berichtet und dass er ständig habe Wache schieben müssen. „Er war erschöpft, wollte nur den Wehrdienst beenden, sich dann weiter dem Programmieren widmen“, so seine Mutter laut Spiegel.

Ukraine-Krieg: Der russische Raketenkreuzer „Moskwa“ in der Nähe des Hafens von Tartus in Syrien auf einem Archivbild von 2015
Die inzwischen untergegangene „Moskwa“ auf einem Archivbild von 2015 © Zhang Jiye/XinHua/dpa

Putin-Flaggschiff „Moskwa“: Soldaten-Vater wirft Kreml „zynische Lüge“ vor

Erstmeldung vom 20. April:

München - Die „Moskwa“ ist gesunken, am 14. April im Schwarzen Meer. Ein Raketenkreuzer, ein russisches Prestige-Objekt. Besonders im eskalierten Ukraine-Konflikt ist ihr Untergang von symbolischer Bedeutung. Die Ursache? Die Seite von Wladimir Putin spricht von einem Brand an Bord, zu dem erschwerend dann noch ein Sturm kam, die Seite von Wolodymyr Selenskjy von ukrainischem Beschuss.

Den Eltern von mutmaßlich an Bord ums Leben gekommenen Soldaten nützt dieses verbale Scharmützel gar nichts – bei den Angehörigen der Schiffsbesatzung wächst offenbar Wut und Verzweiflung. Der britische Guardian hat mit einigen von ihnen gesprochen. „Er war erst 19 Jahre alt und Wehrpflichtiger“, sagte eine Mutter der Zeitung am Telefon. Das Verteidigungsministerium in Moskau habe ihr nach dem Sinken der „Moskwa“ mitgeteilt, dass ihr Sohn tot sei. Mehr nicht. „Nicht einmal, wann seine Beerdigung ist“.

„Moskwa“-Unglück im Ukraine-Krieg: „Eine zynische Lüge“

US-Angaben zufolge waren bis zu 500 Besatzungsmitglieder an Bord. Aus Moskau hieß es, die Besatzung sei evakuiert worden, bevor das Boot sank. „Eine grausame und zynische Lüge“, schrieb Dmitry Shkrebets dazu dem Guardian. Sein Sohn war Koch auf der „Moskwa“. „Nun wird ein Rekrut, der nicht für den aktiven Kampf vorgesehen war, vermisst“, beklagt er das Verschwinden seines Sohnes. „Wie kann man mitten auf hoher See verloren gehen?!!!”, zitiert das Blatt Shkrebets.

Der „Moskwa“-Vorfall wird für Putin noch unangenehme Nachforschungen dazu nach sich ziehen, wie seine Regierung mit Rekruten umgeht, glauben die Guardian-Autoren.

Ukraine-Krieg: US-Schiffsexperte analysiert „Moskwa“-Bilder

Eine Sprecherin der südukrainischen Kräfte, Natalja Humenjuk, mutmaßt unterdessen, russische Rettungsboote seien wegen eines Sturms nicht richtig an die brennende „Moskwa“ herangekommen und hätten die Matrosen nicht retten können. Dazu merkte schon der Wetterexperte Jörg Kachelmann an, dass es zu der Zeit überhaupt keinen Sturm gegeben habe, wie dem Spiegel auffiel.

Das Magazin macht aktuell außerdem auf den US-Schifffahrtsexperten John Konrad aufmerksam. Er hat mutmaßlich kurz vor ihrem Untergang aufgenommene Fotos der „Moskwa“ analysiert und ist sich sicher: Das Gefährt war schon da in einem miserablen Zustand. Im Folgenden Konrads Thread:

Putins Kriegsschiff „Moskwa“: Kapitän verließ den Raketenkreuzer mutmaßlich

Konrad versieht seine Ferndiagnose mit dem Hinweis, dass es sich eben um nicht mehr als eine fehleranfällige Ferndiagnose handele. Er geht anhand der Bilder davon aus, dass es tatsächlich einen Brand auf der „Moskwa“ gab - und vermutet, dass der Kapitän das Schiff früh verließ.

Das muss kein Widerspruch zur Darstellung Kiews sein. Die ukrainische Seite verkündete, die „Moskwa“ sei von zwei Neptun-Raketen getroffen worden. Alle Angaben ließen sich - wie so oft im Ukraine-Konflikt - nicht unabhängig prüfen. (frs)

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